Myanmar unter der Militärjunta: Aung San Suu Kyis Partei verboten
Mit der Zwangsauflösung der Nationalen Liga für Demokratie verbieten die Putschgeneräle die siegreiche Partei der letzten demokratischen Wahl.
Die NLD, deren Symbol ein gelber kämpfender Pfau vor einem roten Hintergrund ist, hatte die letzten demokratischen Wahlen im November 2020 deutlich gewonnen. Doch das Militär erkannte das Wahlergebnis nicht an und putschte am 1. Februar 2021 kurz vor der geplanten Vereidigung der gewählten Parlamentarier. Die Generäle, die den Verlust von Macht und Privilegien fürchteten, warfen der NLD-Regierung von Aung San Suu Kyi massiven Wahlbetrug vor. Den hatte es nach Ansicht von Wahlbeobachtern aus dem In- und Ausland aber gar nicht gegeben.
Die mit brutaler Gewalt regierende Militärjunta hatte für dieses Jahr Wahlen nach ihren Vorstellungen versprochen und im Januar dafür ein neues Wahlgesetz vorgelegt. Das sieht die Neuregistrierung aller Parteien mit strengen Auflagen innerhalb von 60 Tagen vor. Die Frist lief am Dienstag ab. Die NLD und andere jetzt für illegal erklärte Parteien lehnen eine Beteiligung an den Wahlen ohnehin ab, die sie für undemokratisch halten. Sie bemühten sich deshalb auch gar nicht erst um eine Neuregistrierung.
Manipulierte Wahlen als Legitimationsversuch des Militärs
Die NLD, die sich als im November 2020 rechtmäßig gewählt betrachtet, sieht die Wahlen unter der Junta als Versuch des Militärs, den Putsch zu rechtfertigen und der militärnahen Partei USDP (Vereinigte Solidaritäts- und Entwicklungspartei) zum Sieg zu verhelfen. Die USDP hatte 2020 eine verheerende Wahlniederlage erlebt. Laut einem am Dienstag vorgelegten Bericht der International Crisis Group könnte das Militär die Wahlen auch als Vorwand für eine noch stärkere gewaltsame Repression nutzen.
Die Wahlen waren ursprünglich für kommenden August angekündigt. Sie dürften aber verschoben werden, weil der militärische wie der zivile Widerstand großer Bevölkerungsgruppen gegen die Junta sehr stark ist und das Militär viele Landesteile gar nicht kontrolliert. Beobachter warnen bereits davor, dass der Versuch, unbedingt undemokratische Wahlen durchziehen zu wollen, zu noch mehr Gewalt führen dürfte. Schon jetzt leidet die Bevölkerung stark unter den Folgen des Putsches.
Vorsitzende der NLD ist Aung San Suu Kyi. Die heute 77-jährige Friedensnobelpreisträgerin ist seit dem Putsch inhaftiert und wurde inzwischen in mehreren Verfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu 33 Jahren Gefängnis wegen angeblicher Korruption verurteilt. Es ging dem Militär darum, sie bis zum Ende ihres Lebens aus der Politik zu verbannen. Sie hat seit dem Putsch außer zu gelegentlichen Gesprächen mit ihren Anwälten, die selbst nicht öffentlich über sie sprechen dürfen, keinerlei Kontakt zur Außenwelt. Bereits unter einer früheren Junta hatte sie knapp 15 Jahre im Gefängnis oder Hausarrest verbracht.
Die NLD war von Aung San Suu Kyi und anderen im November 1988 im Zuge von Massenprotesten als Ausdruck der damaligen Demokratiebewegung gegründet worden. Die Partei war die letzten Jahre aber sehr stark auf ihre Führerin ausgerichtet. Die Basis hatte nichts zu sagen und insbesondere jüngere Parteimitglieder und Politiker beklagten dies immer wieder.
Bereits das zweite Verbot der NLD
Für die NLD ist es jetzt bereits das zweite Verbot. Sie war im Jahr 2010 verboten worden, als sie sich schon damals weigerte, sich für vom Militär manipulierte Wahlen registrieren zu lassen. Die Generäle haben allerdings bei einem Verbot der NLD stets das Problem, dass die Wahlen damit von vornherein unglaubwürdig werden und die Illegitimität der Militärregierung unterstreichen. Das gleiche Problem besteht, wenn Wahlen nur im vom Militär kontrollierten Gebiet durchgeführt werden.
Nach NLD-Angaben sind 80 ihrer Parlamentarier und 1.232 ihrer Parteimitglieder in Haft. Zwei Abgeordnete und 84 Mitglieder sind seit dem Putsch getötet worden. Zudem wurde der Besitz vieler Parteiführer beschlagnahmt.
Politiker der NLD spielen heute eine wichtige Rolle in der Gegenregierung „National Unity Government“ (NUG), die aus dem Untergrund oder Exil heraus den zivilen wie militärischen Widerstand gegen die Junta zu koordinieren versucht. Bei einer Militärparade am Dienstag bezeichnete Juntachef Min Aung Hlaing die NUG als „Terroristen“.
Nach Angaben der myanmarischen Menschenrechtsorganisation AAPP sind seit dem Putsch 3.171 Zivilisten getötet und 20.908 festgenommen worden, von denen noch 17.040 inhaftiert sind. Bei mehreren öffentlichkeitswirksamen Amnestien wurden vor allem Kleinkriminielle und juntanahe Schläger freigelassen und nur wenige politische Gefangene.
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