Myanmar unter der Militärjunta: 5 Jahre Haft für Aung San Suu Kyi
Wegen angeblicher Korruption erhält die gestürzte de-facto Regierungschefin Myanmars eine weitere Hafstrafe. Die Öffentlichkeit ist vom Prozess ausgeschlossen.
Die 76-jährige Politikerin sieht sich mit fast einem Dutzend Gerichtsklagen konfrontiert. Deren offensichtliches Ziel ist es nicht nur sie zu diskreditieren, sondern auch ihre Rückkehr an die Macht zu verhindern. Denn für jeden Anklagepunkt drohen der Politikerin bis zu 15 Jahre Gefängnis.
Die jetzt eigentlich für Dienstag geplante Urteilsverkündung war zuvor ohne Nennung von Gründen um einen Tag verschoben worden. Suu Kyi hatte den Vorwurf zurückgewiesen, Gold und Bestechungsgeld im Wert von 560.000 Euro von dem Politiker Phyo Min Thein aus ihrer eigenen Partei angenommen zu haben.
Der Hauptbelastungszeuge war Gouverneur der Metropole Yangon gewesen und ebenfalls durch den Putsch gestürzt worden. Er sagte in dem Prozess mutmaßlich unter Zwang aus. Denn er musste damit nicht nur seine Parteichefin, sondern auch sich selbst belasten. Bis zu dem Militärputsch hatte er als einer ihrer möglichen Nachfolger gegolten.
Aung San Suu Kyi soll aus der Politik ausgeschlossen werden
Vor einigen Monaten war Aung San Suu Kyi bereits in kleineren Fällen zu insgesamt sechs Jahren Haft verurteilt worden. Vermutet wird, dass die Junta die Politikerin, die früher schon viele Jahre unter Hausarrest stand, auf Dauer zum Schweigen bringen will. Allerdings ist unklar, ob sie tatsächlich eine Haftstrafe antreten muss oder im Hausarrest bleibt. Der ist an einem unbekannten Ort, denn eines der Ziele der Junta ist es, jeglichen Kontakt der beliebten Politikerin mit der Öffentlichkeit zu verhindern.
„Die Tage von Aung San Suu Kyi als freier Frau sind praktisch gezählt“, sagte der Vizedirektor von Human Rights Watch Asien, Phil Robertson, der Deutschen Presse-Agentur. Angesichts ihres fortgeschrittenen Alters könnten die Urteile „lebenslang“ für sie bedeuten.
Mit dieser Verurteilung wegen falscher Korruptionsvorwürfe würden nun weitere Jahre hinter Gittern angehäuft, so Robertson. „Die Zerstörung der Demokratie in Myanmar bedeutet auch, Aung San Suu Kyi loszuwerden – und die Junta überlässt nichts dem Zufall.“
Das Militär hatte im Februar 2021 geputscht. Die Generäle begründeten den Umsturz mit angeblichem Betrug bei der Wahl im November 2020, die Suu Kyi klar gewonnen hatte. Beweise legten sie keine vor. Beobachter hatte keine größeren Unregelmäßigkeiten festgestellt. Seither versinkt das frühere Birma in wirtschaftlichem Abschwung und einem eskalierenden Bürgerkrieg. Politiker aus Aung San Suu Kyis Partei haben eine Gegenregierung im Untergrund gebildet.
Nach Angaben der lokalen Menschenrechtsorganisation AAPPB sind seitdem 1.798 Personen von Juntakräften getötet, 10.353 verhaftet und 1.008 verurteilt worden. Die verschiedenen gegen die Junta kämpfenden Rebellengruppen behaupten ihrerseits, mehrere hundert Soldaten, Polizisten und Funktionsträger getötet zu haben.
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