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Mutterschaft bald wie auf Krankenschein?

■ Diskussion in Frankfurt über „Gen– und Reproduktionstechnik - Die Lösung des unerfüllten Kinderwunsches?“ / 70 % kinderlosen Frauen könnte mit Psychotherapie besser geholfen werden / Unfruchtbarkeit immer noch eine „Krankheit“

Aus Frankfurt Barbara Kutsch

Die „Krankheit“ heißt, so die Reichsversicherungsordnung, Sterilität. Bis vor 25 Jahren galt sie als unheilbar. Sterilität - das war einfach Schicksal. Die neuen Gen– und Reproduktionstechniken sollen Frauen helfen, ihre unerfüllten Kinderwünsche zu erfüllen. Denn nach wie vor fühlen sie sich isoliert, werden Kinderwunsch und auch sein Gegenteil zu gerne von der Gesellschaft verwaltet. Nur, ob die neuen Techniken auch wirklich das „Glück“ der Frauen im Sinn haben? Ute Winkler vom feministischen Gesundheitszentrum in Frankfurt sagt ganz klar nein. Denn es gehe nicht um die Unfruchtbarkeit der Frauen, sondern um Menschenzüchtung. Ganz zu schweigen von dem Anachronismus, daß in der Dritten Welt alles getan wird, um die „Krankheit Fruchtbarkeit“ zu besiegen. Trotzdem: noch nie war die Nachfrage in den Pro Familia Beratungstellen nach diesen neuen Techniken so groß wie heute. Auch Ruth Eichmann von Pro Familia Frankfurt stellt die neuen Techniken in Frage. Noch immer sei die Ursachenforschung ein Stiefkind. 70 Prozent der kinderlosen Frauen könne mit einer Psychotherapie geholfen werden. Doch solche risikoärmeren Verfahren werden kaum erforscht. Reproduktionstechniken werden zur Zeit vor allem unter dem Begriff „In Vitro Fertilisation“, kurz IVF, angeboten. Professor Erhard Daume von der Marburger Uniklinik betont, daß die Labor– und Kühlschrank–Methode ganz klar von der Gentechnologie getrennt werden müsse. Was in Mar burg praktiziert werde, sei ein therapeutisches Verfahren, um die „Krankheit Unfruchtbarkeit“ zu heilen, Hilfe zu leisten sei ärztliche Aufgabe. Forschung gut und schön, aber Erhard Daume gibt auch zu, daß die psychologische Betreuung der Frauen bisher zu kurz gekommen sei. Vor allem angesicht der geringen Trefferquote bei IVF. Nur zehn Prozent der Frauen bekommen danach tatsächlich ein Kind. Und die restlichen 90 Prozent? In Frankfurt gibt es seit einem Jahr eine Selbsthilfegruppe, die genau solchen Frauen helfen will. Die wenig erfolgreiche Behandlung wird oft als demütigend und schmerzhaft empfunden, die Iso lation sei das größte Problem. So betrachtet setze die Reproduktionstechnik nur die traditionellen Frauenrollen fort. Funktioniert die natürliche „Maschine“ Frau nicht mehr, muß sie eben repariert werden. Zu viele Frauen noch ma chen ihr Selbstwertgefühl von einem Kind abhängig, so Vera Rüdiger, Bevollmächtigte der hessischen Landesregierung für Frauenangelegenheiten, und so lange werden auch die Wissenschaftler fleißig forschen, um dieser ureigenen Fähigkeit alle Erfolge zu bescheren. Kinderwünsche existieren sowieso erst, seitdem Frauen selbst bestimmen könnten, meint Marita Haibach, hessische Staatssekretärin der Bevoll mächtigten für Frauenangelegenheiten. Nach wie vor werden mit dem Kinderwunsch Probleme verdeckt. Auch in der Praxis des Psychoanalytikers Horst Eberhard Richters tauchen immer wieder Frauen und Männer auf, die sich ein Kind als Lösung ihrer Beziehungskrise wünschen. Seit einem Jahr gibt es ärztliche Richtlinien, die den Rahmen abstecken, in dem mit Kühlschrank und Labor unerfüllte Kinderwünsche erfüllt werden können. Eine dieser Bedingungen: eine stabile Ehe. Wenn eine Ehe rein formal für einen Arzt noch einfach zu diagnostizieren ist, wie dann aber „Stabilität“? Vielleicht hat die Natur ganz einfach ihre Grenzen gesetzt und die künstliche Korrektur ist genau der Punkt, an dem der Machtanspruch der Menschen überschritten ist. Richter zitiert in diesem Zusammenhang den Philosophen Wolfgang Höppe, der darauf verweist, daß „in den riesigen Hinterhöfen dieser Welt Kinder in der Größenordnung einer Kleinstadt verrecken, und mit Hilfe von Eierdieben und Brutapparaten eine Handvoll Kinder hergestellt wird“. Bis auf den Mediziner waren sich alle Teilnehmer/innen einig, daß die positiven Seiten der Technik täuschen und die Selbstbeschränkungsappelle und Ideen der Ärzte nicht fruchten. Ob sich die neuen Techniken durchsetzen, entschieden letzten Endes die Frauen, so Horst Eberhard Richter. Eine Alternative könnte auch ein Leben mit adoptierten Kindern sein. Vera Rüdiger will, um diesem Informationsdefizit der Frauen nachzuhelfen, vor allem auch den Dialog der Ärzte fördern. Denn eine Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Psychologen findet im Moment selten statt. Ein Wunder, da ja 70 Prozent Kinderwünsche per Psychotherapie erfüllt werden. Außen vor: die Diskussion um die Möglichkeiten der Gentechnologie. Professor Erhard Daume verwies die Genmanipulationen immer wieder in den Bereich der Tiermedizin. Trotzdem, der naive Glaube an die Ethik der Wissenschaftler ist in der Bundesrepublik mit festem Blick auf die Vergangenheit gerichtet, nicht so gefestigt, sollte man meinen. Und die ehrbaren Kollegen der Atomphysik haben da ja auch ihre eigenen Erfahrungen.

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