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Mutterplanet und Trabant

Über die neuen Männer ist schon so viel Ironie ausgeschüttet worden, daß es schwerfällt, dem noch etwas hinzuzufügen. Genauso schwer aber fällt es, dies nicht zu tun. Die Podiumsdiskussion bei den Berliner Männertagen, die am Freitag im Audimax der Fachhochschule für Wirtschaft stattfand, war jedenfalls ein Paradebeispiel für die Orientierungslosigkeit der Männerbewegung, wobei der Begriff Bewegung zumindest bei den Veranstaltern der Männertage - Mitarbeiter der Männerzeitschrift HerrMann - ebensowenig Anklang fand wie der Terminus „neue Männer“. „An Euch ists, das Maul zu halten“, wurde einleitend Heinrich Heine zitiert, und besser wärs gewesen, dem Manne von gestern zu folgen. Viel Chaos wäre verhindert worden, viel Unbill erspart geblieben. Frauen als Unheil Das Unheil begann damit, daß Frauen als Zuhörerinnen zugelassen waren, die auch voller Neugier in Scharen kamen. Der Grund für diese ebenso verwunderliche wie fatale Öffnung blieb im dunkeln. Alle anderen Veranstaltungen der Männertage waren ausdrücklich Männern vorbehalten. Die Veranstalter hatten dies damit begründet, daß die Gegenwart von Frauen „Balzverhalten“ der Männer und aufkeimende Erotik auslösen würde, was Sigrid Haase von der TU, die mit auf dem Podium saß, zu der Frage veranlaßte: „Jetzt sind doch Frauen da. Wo bleibt denn die Erotik?“ Außer Sigrid Haase waren als Diskussionsteilnehmer/innen eingeladen worden: Halina Bendkowski (Berliner Weiberrat), Maria Neef–Uthoff (taz–Frauenredaktion), Regina Dörr (Prostituierten–Selbsthilfe Hydra), Elmar Kraushaar (Schwulenzeitung Siegessäule), Jürgen Beyer (“Männer gegen Männergewalt“), Heinz Sporkhorst (HerrMann) und der katastrophale Moderator Burkhard Schröder (HerrMann). Nur worüber sie diskutieren sollten, wußten sie nicht so recht. Das Thema war dem breiten Themenspektrum der Männertage entsprechend weit gefaßt: „Sex und Politik im ausgehenden 20. Jahrhundert“. Halina Bendkowski mutmaßte, die Männerbewegung sei auf der Suche nach einem Anliegen und fragte provokant, ob die Veranstalter etwa die Männer verbessern wollten. Die Antwort war ein überzeugtes Ja, Versuche, der Sache weiter auf den Grund zu gehen, erstickten in einem bunten Gemisch von guten Witzen, plumpen Kalauern, Zwischenrufen und purem Lärm. Angeschnittene Themen wurden nach wenigen Sätzen hurtig wieder verlassen, ein ständiger Hang zum Tumult blockierte jede Auseinandersetzung. Ständiger Hang zum Tumult Zwar war wenig Balzverhalten zu bemerken, aber einige Gockel aus dem Publikum nutzten die Gelegenheit zu ausgiebiger Selbstdarstellung, was vom Moderator, der es glänzend verstand, Öl in aufflackernde Feuer zu gießen, mit einem markigen „Ego–Wichser“ quittiert wurde. Keine Spur mehr von der disziplinierten Diskussionsform einiger Veranstaltungen des Nachmittags, der Bereitschaft sich auseinanderzusetzen und selbst die hanebüchensten Theorien anzuhören, ohne gleich in empörtes Gebrüll oder höhnisches Gelächter auszubrechen. Die Vertreter der Männergruppenszene mußten einsehen, daß von seiten der Frauenbewegung keine Solidarität zu erwarten ist, und die bittere Erfahrung machen, daß der Mutterplanet den männlichen Trabanten, der ihn artig umkreist, nicht einmal ernstnimmt. Oft wirkt es grotesk, wenn Männer sich zu Problemen äußern, die traditionelles Gedankengut der Frauenbewegung sind. Sätze wie: „Wir müssen das verlorengegangene Vertrauen der Frauen wiedergewinnen“ oder „Gewalt ist Bestandteil des männlichen Lebens“ lösten Gelächter und hämische Zurufe aus und ließen die Veranstaltung zeitweise auf das Niveau schlechten Kabaretts absinken. Immerhin gab es gelegentlich auch lichte Momente. Wohlwollend wurde konstatiert, daß bei den bewegten Männern einiges aus der Frauenbewegung angekommen ist, deutlich wurden die Schuldgefühle und der „Leidensdruck“ vieler Männer, was einen Teilnehmer zu der Bemerkung veranlaßte: „Deshalb ist die Männerbewegung so ein toter Haufen, weil sie immer so rumjammert“. Unklar blieb, wie die Misere zu beheben, wie das Gros der unbewegten Männer zu erreichen sei. Die vorgeschlagenen Mittel zur Bekämpfung der drei Ps (Peep, Porno, Puff), „des Biedermanns Idylle“ (Bendkowski), wirkten antiquiert: Männergruppen bilden, an die Öffentlichkeit gehen, mehr fiel keinem ein. Ein törichtes Wort gab das andere Als das Stichwort Pornographie fiel, diskutierten die Frauen auf dem Podium eine Zeitlang am Thema, warfen die Frage eines Verbots, zumindest der Gewaltpornographie, auf, während Sigrid Haase die „Paragraphenmentalität“ beklagte. Doch als ein Mann sehr gut über den Pornographie–Arbeitskreis des Nachmittags berichtete, wo sich fast alle anwesenden Männer zur Pornographie und ihrem schlechten Gewissen dabei bekannt hatten, ging es bald wieder drunter und drüber. Einige Redner schoben plötzlich der Pornographie alles Elend dieser Welt in die Schuhe, ernannten sie zum Urheber der Gewalt, zum Killer der Phantasie. Ein törichtes Wort gab das andere, der Rest war Getöse, der Dialog endgültig gescheitert. Das Ende kam abrupt, aber absehbar. Der Moderator hatte keine Lust mehr, der Vertreter von „Männer gegen Männergewalt“ fiel vom Hocker, wie ein Mann standen die Zuhörer auf und gingen nach Hause, wobei sie sich zum ersten Mal an diesem Abend mit den Zuhörerinnen einig waren. Matti Lieske

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