Mutter gewinnt New-York-Marathon: Und das Baby wartet auf km 42,195

Vor neun Monaten wurde sie Mutter - jetzt gewann sie den New-York-Marathon: Paula Radcliffe. Die Britin dominiert den Lauf vom ersten Meter an.

Kurz nach dem Ziellauf: Paula Radcliffe mit Tochter Ilsa. Bild: reuters

NEW YORK taz Paula Radcliffe schien etwas verloren zu sein, wie sie im Zielbereich im Central Park herumirrte, nachdem sie überlegen zum zweiten Mal nach 2004 den New Yorker Marathon gewonnen hatte. Erst als ihr Ehemann Gary Lough mit der neun Monate alten Tochter des Paares Isla über die Absperrungen geklettert kam und die Marathon-Mama ihr Baby in den Armen halten konnte, überkam sie die Freude über das, was sie erreicht hatte. So lag sich die Lauffamilie beglückt in den Armen, während zehntausende von Zuschauern auf den Tribünen auf Höhe der 69ten Straße Dauerapplaus spendeten.

Gut 400 Meter vor dem Ziel, als die Athletinnen in den Central Park einbogen, hatte Radcliffe ihre einzige ernsthafte Gegnerin an diesem Tag, die Berlin-Siegerin Gete Wami, abgeschüttelt und damit demonstriert, dass sie nach wie vor im Frauen-Marathon das Maß aller Dinge ist. Das war allerdings vor dem Rennen alles andere als gewiss. Nicht wenige glaubten, dass die Mutterschaft zu Beginn dieses Jahres Radcliffe (33) ihre Klasse gekostet hatte, zumal sich an die Babypause auch noch zwei Verletzungen angeschlossen hatten. Radcliffe selbst wollte von solchem Gerede jedoch nichts hören. Ihre Ausdauer sei seit der Geburt deutlich besser, versicherte sie vor dem Rennen, sie erhole sich schneller von harten Trainingseinheiten, und außerdem sei sie als Mutter ein bedeutend glücklicherer Mensch.

Radcliffes Selbstsicherheit entsprang wohl nicht zuletzt der Tatsache, dass sie ihre rasche Rückkehr in die Weltklasse minutiös geplant hatte. Der Geburtstermin war gezielt exakt zwischen zwei olympische Spiele gelegt worden. New York in diesem Jahr sollte ein erster Hinweis darauf sein, ob das Experiment funktioniert und sie in Peking die Scharte von Athen würde auswetzen können. Damals hatte Radcliffe das Rennen aufgeben müssen - es ist bis heute der einzige ihrer acht Marathons, den sie nicht gewann. "Athen ist ein Trauma, das tief sitzt", gestand sie nach dem Sieg in New York ein. Und um dieses Trauma im kommenden Jahr in Peking überwinden zu können, wurde sogar die Familienplanung der Radcliffes dem Trainingsregime unterworfen.

Talentierte Ilsa

Um so rasch wie möglich nach der Geburt wieder an der Spitze mitlaufen zu können, hatte sich Radcliffe während ihrer Schwangerschaft auf ein sportmedizinisches Wagnis eingelassen. Sie hatte ihr Training nur für die letzten Tage rund um die Geburt unterbrochen und vorher lediglich die Intensität und den Umfang schrittweise reduziert. Zu Beginn der Schwangerschaft war sie noch jeden Tag drei Stunden gelaufen, zuletzt noch eine Stunde in einem lockeren Tempo, ergänzt durch Training auf einem stationären Fahrrad. Ihre Ärztin Elena Demetrescu überwachte dabei das Wohlbefinden des Babys durch regelmäßige Ultraschalluntersuchungen.

Das Selbstbewusstsein der jungen Mutter nach exakt zwei Jahren Rennpause am Sonntag war aber aller Planung zum Trotz verblüffend. Schon auf dem ersten Kilometer des Marathons zog sie davon und ließ alle Favoritinnen inklusive der Vorjahressiegerin Jelena Prokopcuka (Lettland) hinter sich. Lediglich Berlin-Siegerin Wami konnte ihr folgen. Radcliffe ließ die Äthiopierin jedoch nur ein einziges Mal vor, nämlich als Wami etwa 800 Meter vor dem Ziel mit einem verzweifelten Angriff ihre letzten Kräfte verschleuderte. Unmittelbar danach zog Radcliffe dann endgültig davon.

Als Radcliffe eine Stunde später in der "Tavern on The Green", am Rand des Central Park über ihren Sieg, ihre Vorbereitung und die Mutterschaft plauderte, spielte sie das, was sie gerade erreicht hatte, mit einem leichten Augenzwinkern herunter. "Das war ein guter erster Schritt", feixte sie, als sei der New Yorker Marathon nicht mehr als ein Trainingslauf gewesen. In erster Linie, sagte sie, sei sie froh, dass sie wieder dabei sei und ihren Beruf ausüben könne. "Als ich letztes Jahr hier in New York war und schwanger und nicht laufen konnte, war das fürchterlich für mich." Um das Mitlaufen alleine war es Radcliffe aber sicher nicht gegangen. Dazu hätte sie nicht bis Tage vor der Niederkunft trainieren müssen. Geschadet hat das aber offenbar weder der Mutter noch der Tochter. Ilsa wirkte jedenfalls gesund und zufrieden, als sie an der Hand ihrer Eltern im Central Park herumtapste - und ausgesprochen talentiert obendrein.

SEBASTIAN MOLL

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