piwik no script img

„Muslimfeindlicher“ Mord in FrankreichVor dem Freitagsgebet erstochen

Ein Franzose bosnischer Herkunft tötet einen Muslim aus Mali in einer Moschee. Er spricht von „Scheiß-Allah“ und verbreitet das Video im Internet.

Betende Menschen in der Moschee Foto: FTV

Paris taz | Nach einem tödlichen Messerangriff in einer Moschee im südfranzösischen Dorf La Grand-Combe geht die Regierung von einer Islamfeindlichen Tat aus. Premierminister François Bayrou sprach auf X von einer „islamophoben Schandtat“, die sich auf dem Video des Angreifers zeige.

Der 20-jährige Olivier H. hatte in der Moschee von La Grand-Combe den zwanzigjährigen Aboubakar Cissé vor dem Freitagsgebet mit Dutzenden Messerstichen getötet. Der Franzose bosnischer Herkunft filmte sein sterbendes Opfer, einen 23-jährigen Malier, und sagte zu ihm: „Ich habe es getan (…). Deinem Scheiß-Allah habe ich in den Hintern gestochen“, wie die Zeitung Le Parisien berichtete. Der Täter ließ das Video zunächst offenbar über einen Kontaktmann auf Snapchat veröffentlichen. Es wurde dann aber wieder gelöscht.

Hunderte Polizistinnen und Polizisten suchten am Sonntag weiter nach dem 20-Jährigen, der bisher nicht polizeibekannt war. Er sei „potenziell sehr gefährlich“, warnte der Staatsanwalt von Alès, Abdelkrim Grini, der wegen Mordes ermittelt. Eine rassistische und anti-muslimische Tat sei möglich, sagte Grini. Auch das psychische Profil des Angreifers, der „mit großer Kaltblütigkeit“ gehandelt habe, werde untersucht.

Der in Lyon geborene Täter soll Sozialhilfeempfänger sein und seine Zeit hauptsächlich mit Videospielen verbringen. Er wurde am Wochenende weiter in der Region vermutet.

Kritik an Frankreichs Innenminister

Innenminister Bruno Retailleau wollte noch am Sonntagnachmittag nach La Grand-Combe kommen. Der Vorsitzende der Vereinigung SOS Racisme, Dominique Sopo, hatte zuvor das „ohrenbetäubende Schweigen“ des erzkonservativen Politikers kritisiert.

„Ich frage mich, ob Herr Retailleau gestern im Schwimmbad war“, sagte Sopo im Radio, nachdem Retailleau sich am Samstag nicht zu der Tat geäußert hatte. Retailleau, der sich um den Parteivorsitz der Konservativen bewirbt, ist für seine einwanderungsfeindliche Haltung bekannt.

Zum Zeitpunkt des Angriffs am Freitagmorgen um kurz nach acht Uhr war Cissé allein in der Moschee, um dort sauberzumachen. Olivier H., der zuvor nie in der Moschee gesehen worden war, wechselte laut den Aufzeichnungen der Überwachungskameras zunächst ein paar Worte mit ihm. Als sein Opfer sich hinkniete, zog H. das Messer und stach mindestens 40 Mal zu.

„Es war, als habe ein Monster ihn getötet. Ich weiß nicht, wie er das gemacht hat“, berichtete der Rektor der Gemeinde, Salim Touazi, dem Radiosender RTL. Gemeindemitglieder fanden die Leiche Cissés, als sie drei Stunden nach dem Angriff in die Moschee kamen. Seine Gemeinde lebe nun in Angst, sagte Touazi. La Grand-Combe mit rund 5000 Einwohnerinnen und Einwohnern liegt rund 100 Kilometer nördlich von Montpellier.

Der Rat französischer Musliminnen und Muslime CFCM sprach von einem „anti-muslimischen Attentat“ und forderte zu höchster Wachsamkeit auf. Gläubige sollten sich in den Moscheen nicht allein aufhalten. Die Regierung forderte der CFCM auf, die muslimischen Kultstätten besser zu schützen. Die große Moschee von Paris sprach von einem „terroristischen“ Akt. „Es gibt wenig Zweifel, dass der Täter vom Hass auf Muslime angetrieben wurde.“

Die Linkspartei La France Insoumise (LFI) rief für Sonntagabend zu einer Solidaritätskundgebung auf der Pariser Place de la République mit einer Schweigeminute auf. „Der Mord an einem betenden Muslim ist das Ergebnis unaufhörlicher Anstiftungen zur Islamfeindlichkeit“, schrieb LFI-Frontmann Jean-Luc Mélenchon auf X.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!