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Muskeln auf Mustern

■ Der Wahl-Lilienthaler Künstler Kwesi Owusu-Ankomah malt Männerakte mit afrikanischen Symbolen

Ghana und Lilienthal – zwei Stellen auf der Landkarte, die so wenig miteinander zu tun haben wie Tropenwald und Moorlandschaft. Wäre da nicht ein Ghanaer, der in seinem Lilienthaler Atelier afrikanisches und europäisches Gedankengut zusammenfließen läßt. Vor zehn Jahren ist Kwesi Owusu-Ankomah während eines Europatrips in Norddeutschland hängengeblieben, der Liebe wegen. Heute malt er seine afrikanisch geprägten Menschenbilder in einem Atelier, das zwischen Tankstelle, griechischem Restaurant und Bäckerei perfekt getarnt ist.

Wer die blaugraue Tür aufstößt, ist mittendrin in Owusu-Ankomahs Welt. In dem Saal aus Glasbausteinen und dunklem Gebälk stehen mit Tierhaut bespannte Boma-Trommeln, ein Fahrrad und Hunderte von Bildern in großen Formaten. Alle bemalten Leinwände haben eines gemeinsam: Sie zeigen muskulöse Männer – nicht selten ähneln sie dem Maler. Wenn ihm niemand Modell sitzt, schaut der 40jährige schon mal in den Spiegel. An den Wänden hängen seine jüngsten Werke. Im Zentrum des mit milchigen Acrylfarben überzogenen Untergrundes stehen einzelne Männer. Sie heißen Sor Bofo oder Busumuru, nach den Namen von Göttern. Ihre Gestalt ist klar konturiert, und ihre Erscheinung strotzt vor Kraft. Manch einer ähnelt Comicfiguren: Superman und Meister Proper zum Beispiel.

Die Muskelmänner bändigt Owusu-Ankomah mit Symbolen der heimatlichen Akan-Kultur. Das können Äxte, Kreuze oder geometrische Formen sein, die er auf die Brust des Helden malt. Dorthin, wo das Herz des Menschen sitzt. Diese sensible Stelle ist ihm wichtig: „Nur wenn ich mich in meinem Herzen anderen öffne, kann ich kommunizieren.“

Der Weg zu den flächigen, unbewegten Bildern war lang. Owusu-Ankomah hat schon mit 14 Jahren am College of Art in Accra studiert und versteht sich heute selbstbewußt als Botschafter seines Landes. Vielleicht, weil er sich in Deutschland noch immer als Fremder fühlt. In seinen Bildern geht es um Afrika. Ghana prägte ihn mehr als deutsche Künstler, die ähnlich wie er gegenständlich arbeiten. Mit der Malerei der Jungen Wilden zum Beispiel will er nichts gemein haben. Sie malen aus dem Bauch heraus – Owusu-Ankomah schafft seine Akte aus dem Kopf und kombiniert sie wohlüberlegt mit den überlieferten Andinkra-Symbolen seiner Heimat. Das braucht viel Zeit: Stunden-, tage- und wochenlang konstruiert er die Darstellungen auf seinen Bildern.

Anfangs sind seine Arbeiten nach Fotos und Skizzen aus der Heimat entstanden: Also malte er sich selbst mit dem Vater, einen Mann im Kanu, Priester und Jäger. Das waren Fingerübungen ohne eindeutige Handschrift. Mit wachsendem Selbstbewußtsein werden die Motive mutiger. Seine stärksten Arbeiten zeigen vor ornamentalem Grund Männerkörper, die wie bei rituellen Feiern über und über bemalt sind. Solche unruhigen Musterspiele irritieren die Augen und ähneln Bildern der Op-Art.

Neben solchen formalen Experimenten demonstriert Owusu-Ankomah auch seine politische Haltung gegen Ausländerhaß und Rassismus. „Deutsche Bananen“heißt ein Acrylbild von 1993. Massige Menschen, deren Körper mit SS-Symbolen und Hakenkreuzen gebrandmarkt sind, verfolgen darauf einen Wehrlosen. Owusu-Ankomah: „Diese Gorillas schreien 'Ausländer raus' und genießen gleichzeitig die Früchte der Ausländer nach dem Motto: Der Schwarze hat seine Pflicht getan.“

Nicht minder aber stört ihn, wenn das Publikum bei seinen Galerieausstellungen in Bremen, Lilienthal, Frankfurt und Stuttgart nach afrikanischen Einflüssen bohrt: Lieber wäre es ihm, seine Arbeiten erst einmal wertfrei zu betrachten. Da habe das Publikum bei der Biennale Dakar im Senegal, an der er 1996 als einziger Ghanaer teilgenommen hatte, offener reagiert. Von der Biennale in Havanna, zu der er im Mai aufbricht, erwartet er das auch.

Zunächst aber – bis Ostern ist noch Zeit – vollendet er sein Emmaus-Bild. Mit den beiden Jüngern, die den auferstandenen Christus erst erkennen, als er beim Mahl das Brot bricht. Jesus steht mitten im Bild, nackt, klar konturiert, mit negriden Gesichtszügen. Wenn am Ostermontag Christen aus Afrika und Bremen in der Kirche Unser Lieben Frauen im Gottesdienst zusammensitzen, soll Owusu-Ankomahs Bild zwei Kulturen einander näher bringen: Die Menschen aus dem Regenwald und die Menschen der Moorlandschaft.

Sabine Komm

Die Ausstellung „Kusum II“bis 12.4. in der Galerie Steinbrecher

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