Musikerin Elke Brauweiler: Eine Diva aus Berlin
Nach der Band Paula startet Elke Brauweiler eine zweite Karriere als Solokünstlerin. Eine Crowdfunding-Kampagne soll dabei helfen.
Und dann ist es noch einmal wie früher, an einem warmen Abend im Juli. Elke Brauweiler schwebt durch ihre Wohnung in Berlin-Prenzlauer Berg, begrüßt die Gäste ihres Privatkonzerts.
Leises Gläserklirren. Gleich wird sich die Musikerin ans Klavier setzen und, auf der Gitarre von einem Freund begleitet, ihre Lieder singen. Brauweiler wird französische Klassiker interpretieren, Lieblingsstücke aus ihrer über 20-jährigen Karriere, aber auch Songs einer Platte, die es noch nicht gibt: Ihr neues Album, das sie heute Freunden und Bekannten vorstellt, will sie mittels Crowdfunding finanzieren. Das wäre vielleicht kaum erwähnenswert, wäre sie nicht ein bisschen ein Star gewesen in Zeiten, als die Popwelt noch eine andere war.
Elke Brauweiler hat eine Zeitenwende erlebt, in Berlin und im Musikgeschäft. Mit Berend Intelmann und dem Elektropop-Projekt Paula war sie einst zur richtigen Zeit am richtigen Ort: im Berlin der späten Neunziger.
Aus der ruinösen Hauptstadt der Nachwendezeit war eine Metropole mit Strahlkraft erwachsen, verschuldet, aber dem Hedonismus verpflichtet. Mit Bands wie Jeans Team, Quarks und Künstlern der „Wohnzimmer-Szene“ wurden Paula zu einem Aushängeschild dieses unfertigen Sehnsuchtsorts.
Mittelstand des Pop
Ihr Radiohit „Als es passierte“ aus dem Jahr 2000 brachte das Konzept auf den Punkt: Sachte Schwermut über Discobeats, dazu Brauweilers Divenstimme. Paula hatten keine Top-Ten-Hits, aber eine solide Fanschar. Das wilde Berlin mit seinen billigen Mieten sicherte dem Mittelstand des Pop die Existenzgrundlage.
Als sie und Intelmann begannen, gemeinsam Musik zu machen, konnten sie einen recht schäbigen Proberaum und ein Studio in Friedrichshain nutzen. „Dort standen ein paar Synthies, ein Drumcomputer aus den 80ern, ein paar Gitarren und eine alte Orgel rum.
Wir haben mit dem gearbeitet, was es gab“, sagt Brauweiler. Ihre erste Platte nahmen sie dort auf, leiteten sie einem Bekannten weiter, dann ging alles ganz schnell. Paula bekamen einen gestaffelten Vertrag über fünf Alben. Deutschsprachiger Pop war wieder gefragt, erst recht, wenn er aus der sexy derangierten Hauptstadt kam.
Mit jeder Platte bekamen Brauweiler und Intelmann mehr Geld für die Produktion, produzierten ihre Alben weiter günstig privat oder im eigenen Studio, so dass sie gut leben konnten. Aber während sich die Kräne über dem Potsdamer Platz drehten, verwandelten Investoren und Kreative, Entrepreneure und Touristen Berlin in eine andere Stadt.
Auch die Musikbranche veränderte sich grundlegend. Digitalisierung und Gratismentalität stürzten die Musikindustrie in eine Krise, unter der vor allem Künstler jenseits der Superstar-Liga leiden. Auch der Wirbel um Paula legte sich. Neue Hypes kamen. Die alten Clubs gingen. Das letzte selbstbetitelte Album aus dem Jahr 2014 bekam wohlwollende Kritiken, verkaufte sich aber nicht gut. „Manchmal sind Dinge einfach vorbei, und neue Dinge beginnen“, sagt Elke Brauweiler.
Mischen und Mastern
Deshalb das Update 2018. Eigentlich, sagt Brauweiler, hatte sie gar kein neues Soloalbum geplant. Doch dann war aus ein paar Aufnahmen mit dem Produzenten Moe Jaksch unverhofft eine ganze Platte geworden. Und die soll nun hinaus in die Welt. Elke Brauweiler muss dafür Musikvideos und ihren Produzenten bezahlen. Mischen und Mastern. Artwork und Presswerk. Indiekünstlerin sein, das heißt heute auch: Projektmanagement können.
„Plattenfirmen geben dir heute kein Geld mehr, wenn du ein Album aufnimmst“, sagt Brauweiler. „Außer du bist ein Star und bei einer großen Plattenfirma unter Vertrag. Das bin ich aber nicht. Ich habe aktuell noch kein Label gefunden, es geht aber notfalls auch ohne.“ Heute tritt man meist mit einem fertigen Produkt an ein Label heran.
Die Kosten dafür bestreitet man entweder über Fördertöpfe, etwa über die „Initiative Musik“ – oder eben über Crowdfunding. Nachdem ihre alte Freundin Astrid North, früher Sängerin der Band Cultured Pearls, eine Crowdfunding-Kampagne für ihr Album gestartet hatte, dachte Brauweiler: Das versuche ich auch.
Und ihre Startbedingungen sind gut. Man übertreibt vermutlich nur wenig, wenn man sagt: Elke Brauweiler kennt halb Berlin. In den späten Neunzigern war sie mit der legendären Galerie Berlintokyo verbunden, bis zur Schließung im Jahr 1999 ein Schlüsselort der Berliner Subkultur.
Den schwedischen Indie-Star José Gonzales kennt sie seit Jahren; 2017 tourte sie mit ihm und seiner Band durch Europa und die USA. Ab September wird sie erneut mit ihm und dem Musikprojekt „Berlin String Theory“, dem in der Vergangenheit schon Künstler wie Tocotronic angehörten, unterwegs sein.
Neue Rechnungen, alte Währung
Brauweiler macht Musik mit der Szeneberühmtheit Friedrich Lichtenstein und dem musizierenden Plattenladenbesitzer Jeff Özdemir. Gemeinsam mit Tobias Friedrich alias Der dünne Mann, der mit dem Songwriter Gisbert zu Knyphausen und dem Starproduzenten Moses Schneider die Band Husten betreibt, schreibt sie nun ihre Texte.
Und mit Stephanie von Beauvais, Regisseurin des Videos zu „All die schönen Beulen“ und Frau von Moses Schneider, verbringt sie schon mal den Urlaub. Brauweilers Zwillingsschwester erzählt, sie werde überall in Berlin von fremden Menschen gegrüßt, die sie für Elke halten. Ständig. Elke Brauweiler ist eine feste Größe in ihrem Biotop. Doch es ist nicht immer leicht, neue Rechnungen in alter Währung zu begleichen.
Denn die analoge Boheme fremdelt zuweilen mit den Mechanismen der digitalen Gegenwart, in der Hypes nicht mehr in Wohnzimmern, sondern im Internet entstehen. „In den USA ist es mittlerweile total normal, über Crowdfunding alle möglichen Projekte zu finanzieren, aber hier in Deutschland wissen viele nicht einmal, was das ist“, sagt Brauweiler. Auf Facebook und Twitter wirbt sie für ihr Vorhaben. Elke Brauweiler will nicht bockig stehen bleiben, wenn die Welt sich weiterdreht.
Weil sie, die ausgebildete Musikerin mit dem absoluten Gehör, die Geige, Bratsche und Klavier kann, nichts anderes tun möchte. „Das ist einfach mein Weg, meine Leidenschaft, das, was ich kann“, sagt sie. „Was mein neues Soloalbum angeht, kann ich mir zum ersten Mal im Leben sagen: Das ist wirklich gut, was ich hier schreibe. Schon dafür hat es sich gelohnt, weiterzumachen.“
Damals im Schwarzwald
Schon als Kind, damals im Schwarzwald, wollte sie hinaus in die Welt. Nach der Schule ging sie nach Paris, 1991 schließlich nach Berlin. Irgendwie ging es immer weiter mit der Musik, ob sie auf der Bühne steht oder Geigen- und Klavierunterricht gibt.
„Ich bin zufrieden damit, in einer Nische zu existieren“, sagt sie. „Ich hatte schon mal viel Glück und war erfolgreich. Und ich hätte auch nichts dagegen, wenn es noch mal passiert. Aber wenn dem nicht so ist, muss ich mich eben auch über andere Wege finanzieren.“
Als am Abend des Privatkonzerts die Gäste zusammenrücken; als Elke Brauweiler den Raum barfuß durch die Hintertür betritt und mit lautem Applaus empfangen wird; als ihre Schwester und Freundinnen selbst die Texte der neuen Stücke auswendig mitsingen, klatschen und auch ein bisschen heulen, liegt da zugleich ein wenig Wehmut und Aufbruchstimmung in der Luft. Wehmut: weil die Stadt da draußen nicht mehr so freundlich ist, wie von Elke Brauweilers Balkon aus betrachtet. Und Aufbruch, weil es drinnen trotzdem weitergeht.
Elke Brauweilers Crowdfunding-Kampagne: www.startnext.com/elke-brauweiler-ein-soloalbum
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