Musiker Roy Ayers: Die Liebe zum Sonnenschein und zur Spiritualität
US-Jazz- und Funkvibrafonist Roy Ayers prägte Black Music seit den 1960er Jahren. Nachruf auf einen kreativen Geist.

„Roy Ayers ist Medizinmann, Clown, Heiliger, Historiker und Liebhaber, der in einem einsamen Tal trockene Knochen zum Leben erweckt – durch das bloße Anschlagen von Noten“, so hat der US-Schriftsteller James Baldwin einmal den Vibrafonisten Roy Ayers charakterisiert. Baldwin und Ayers verband eine Freundschaft, übernahm der Musiker doch die Wohnung von Baldwin in Harlem. Die Worte des Autors beschreiben Ayers und die Wirkung seiner Musik tatsächlich sehr treffend.
In den Songs des charismatischen Musikers findet sich das gesamte Spektrum des Lebens zwischen Politik und Liebe, Spaß und Spiritualität, immer unterlegt mit treibenden Grooves und angefeuert durch ausufernde Soli auf den feinperlenden Metallplättchen des Vibrafons.
Der Weg von Roy Ayers zu seinem Instrument scheint vorbestimmt gewesen zu sein. Geboren 1940 in Los Angeles erhielt er bereits im Alter von fünf Jahren ein Paar Schlägel, und zwar von niemand Geringerem als Swing-Star Lionel Hampton. Ayers wuchs in einem musikalischen Haushalt auf, lernte zunächst Klavier und sang im Kirchenchor. Mit 17 erhielt er sein erstes Vibrafon und übte exzessiv. In den 1960ern spielte er Sessions und nahm 1963 sein Debüt „West Coast Vibes“ auf.
Flötist Herbie Mann holte ihn in seine Combo und brachte Ayers nach New York. Soloaufnahmen bei Atlantic folgten, bis Ayers 1970 zum Major Label Polydor kam. Dort veröffentlichte er unzählige Platten mit seiner Band Ubiquity und als Solist, darunter Werke wie „He’s Coming“ und den Blaxploitation-Soundtrack „Coffy“, die seinen Ruhm begründeten.
Von Jazz zu Disco
In den frühen 1970ern änderte Ayers seinen Stil grundlegend, weg vom Souljazz hin zu Funk und schließlich zu Disco. Ayers begann zu singen, produzierte seine Platten selbst und behielt die Masterbänder – ein Kapital, von dem er in seinen späteren Jahren durch Archivveröffentlichungen profitieren konnte.
Auf seinen Alben mischen sich Tanznummern wie „Love Will Bring Us Back Together“ und sexy Schlafzimmerballaden („Gotta Find a Lover“) mit Liedern politischer Botschaft von Panafrikanismus („Red Black And Green“) und Schwarzem Stolz („Shining Symbol“). Eine bitterböse Kritik am amerikanischen Traum formulierte Ayers mit dem Lied „The American Promise“.
Ende der 1970er tourte er mit Fela Kuti, was sich in Afrobeat-Einflüssen in seiner Musik widerspiegelte. Er gründete Uno Melodic, seine eigene Plattenfirma. Mit „Lots of Love“ brachte er dort 1983 eines seiner besten Alben heraus.
In den 1980er Jahren machen ihn seine Kinder auf erste Samples in Raptracks aufmerksam. Und auch die Rare-Groove- und Acid-Jazz-Szene Londons feiert ihn als ihren Paten. Roy Ayers fühlte sich geehrt und gab die Verwendung seiner Lieder großzügig frei, was ihn zu einem der meistgesampelten Musiker in HipHop, House und R&B machte.
Raum für Improvisation
Doch er verwies die jüngere Generation immer wieder auf die Prinzipien von Jazz. Als er mit dem Rapper Guru und dessen Jazz-HipHop-Projekt Jazzmatazz tourte, forderte er Raum für Improvisation ein, vergeblich, bis er sich von der Konzertreise verabschiedete. Bis ins hohe Alter auf der Bühne, befand er sich vor zwei Jahren auf Abschiedstour in Europa. Zu den Höhepunkten seiner Auftritte zählte immer sein bekanntestes Stück „Everybody Loves the Sunshine“, dessen Text er zu einem unendlichen Call-und-Response-Spiel ausdehnen konnte.
Wie nun bekannt wurde, ist Roy Ayers am 4. März im Alter von 84 Jahren nach langer Krankheit in New York gestorben.
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