Musik im Wartesaal des Todes

■ Bärbel Kühn inszeniert Victor Ullmans so zitatfreudige wie holzschnittartige Kammeroper Der Kaiser von Atlantis, entstanden 1943 in Theresienstadt

Der Tod zerbricht sein Schwert, auf daß niemand mehr sterben kann. Die Lebenden flehen um Gnade. Der hochmütige Kaiser Overall, Ursache der tödlichen Weigerung, muß als erster gehen, damit die Menschheit von den Qualen des Lebens erlöst wird.

Musik für Menschen im Wartesaal des Todes – Victor Ullmanns Kammeroper Der Kaiser von Atlantis ist 1943 in Theresienstadt nach einem Libretto von Peter Kien entstanden. Ullmann, Komponist, Anthroposoph und Sohn eines zur katholischen Religion konvertierten jüdischen Berufsoffiziers, wurde 1944 in Auschwitz ermordet.

In der Nachkriegszeit setzte die Beschäftigung mit Ullmanns Werk nur zögerlich ein, auch weil die Überlieferung nur bruchstückhaft blieb. So existiert keine Endfassung des Kaisers von Atlantis. Als Grundlage für die Uraufführung 1975 in Amsterdam diente die von einem Freund gerette Arbeitsversion. 1998 wird der hundertste Geburtstag des Komponisten begangen, und aus diesem Anlaß wird die Oper und das 1944 komponierte Melodram Der Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke in den Zeisehallen aufgeführt. Die Schirmherrschaft für das Projekt im Rahmen der Reihe Junges Forum Musiktheater übernahm Dr. Michael Feidmann, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Im Text und in der Musik beider Werke sei der Protestcharakter deutlich erkennbar, sagt Bärbel Kühn, die mit diesem Projekt ihre Diplominszenierung im Studiengang Musiktheater-Regie vorstellt. Der Kaiser von Atlantis, eine Satire auf die Herrscher über Leben und Tod, ist auch musikalisch ein Widerstandswerk: Ullmann zitierte Künstler wie Kurt Weill und Gustav Mahler, die als entartet galten, und ließ zur Verkündung des „großen, segensreichen Krieges“ das verzerrte Deutschlandlied ertönen. Ob die Absicht durchschaut worden war, ist ungewiß; fest steht lediglich, daß die Oper zwar geprobt, schließlich aber nicht aufgeführt werden durfte.

Auch im Cornet spielen Krieg und Tod die Hauptrolle. In zwölf vertonten Gedichten Rainer Maria Rilkes wird ein junger Soldat zum heldenhaften Sterben ins Feld geschickt. Was die beiden Werke unterscheidet, ist die musikalische Sprache. Während der Cornet spätromantische Anklänge erkennen läßt, bediente sich Ullmann im Kaiser von Atlantis des damals beliebten Songstils und setzte Altes und Neues unverbunden nebeneinander: Saxophon und Cembalo, Jazz und barocken Choral.

Mit einem Sprecher für den Cornet, sieben SängerInnen für den Kaiser von Atlantis sowie einem Kammerorchester, das sich überwiegend aus Studierenden der Hochschule zusammensetzt, will Bärbel Kühn die zeittypisch holzschnittartigen, statischen Bilder Ullmanns szenisch weitererzählen – als Geschichten gegen den Krieg.

Barbora Paluskova

Premiere: Mittwoch, 19. August. Weitere Vorstellungen: 21., 23., 25., 27., 29., und 30. August, jeweils 20.30 Uhr, Institut für Theater, Musiktheater und Film, Zeisehallen, Friedensallee 9