Museum im Rohbau: Die erste Party auf der Baustelle
Die Besucher strömen ins Neue Museum und suchen nach Antworten auf die Frage: Wie funktioniert die Kreuzung von Stüler und Chipperfield? Geöffnet ist bis Montag Abend.
Turtelnd vertreiben sich zwei Verliebte die Zeit in der Schlange vor dem Neuen Museum. Andere tauschen Neuigkeiten aus. "Die Barbara hat sich verkalkuliert", sagt eine Frau in Schwarz zu ihrer Begleiterin. Dahinter steht einer, auf dessen T-Shirt "Küchenhochsitz" steht. Was das bedeutet? "Ein Anagramm auf Hochzeitskuchen und ne lange Geschichte", sagt der Mann.
Auch das Ehepaar aus Schmargendorf wartet, dass es endlich ins Neue Museum gelassen wird. "Mit dem Fahrrad sind wir gekommen. Da sieht man mehr", sagt er. "Man sieht die wunderbaren Statuen von August Wredow auf der Schlossbrücke." Sie wiederum fragt: "Musste ich ausgerechnet heute einen Pullover anziehen?" Sie konnte nicht wissen, dass sie eine Stunde in der Sonne stehen wird, bis sie am "Tag der offenen Tür" eingelassen wird. "Man will doch wissen, worüber so gestritten wird", sagt eine andere, gefragt, warum sie gekommen ist. Sie hat ein Flugblatt in der Hand. "Ist das Neue Museum noch zu retten?"
Trotz der Einstimmung durch Kritiker des Chipperfieldschen Museumsumbaus schiebt sich die Warteschlange gelassen um das ganze Gebäude zum östlichen Eingang. Der Anblick entschädigt: Links das komplett in Baufolie gepackte Neue Museum und rechts die aus dem Ei gepellte Alte Nationalgalerie. Dazwischen azurblauer Himmel, flankiert von einem riesigen Kran. "So ist Berlin", sagt eine Wartende und deutet auf diesen Mix aus Fertigem und Unfertigem. Auf der anderen Seite des Bauzauns spielt jemand Violine.
Gedränge auch drinnen. 7.000 Leute sind schon am Samstag auf Holzbohlen über die Treppenhalle durch den Griechischen, den Ägyptischen, den Römischen Saal, durch Apollosaal, Niobidensaal, Bacchussaal, Südkuppelsaal und Modernen Saal geleitet worden. Manche Räume müssen sie unter Gerüsten passieren, in manchen die rekonstruierten Backsteinmauern bewundern, in anderen Versatzstücke historischer Wandmalereien bestaunen. Im Ägyptischen Hof wandert der Blick die hohen Chipperfieldschen Betonstelen entlang bis zum Dach. Am frühen Sonntagnachmittag sind bereits 4.086 drin, verkündet der Mann am Eingang stolz.
Kaum im Vestibül, sagt ein Mann: "Schön." Schön sind das angeleuchtete Mauerwerk, die Raumfluchten, das weiß-rote Absperrband. "Das Unfertige schüchtert nicht so ein", meint er und steigt die Treppe hoch.
Oh, die Treppe! Sie ist einer der Zankäpfel von Befürwortern und Gegnern eines Museumsumbaus, der die Spuren des Krieges ernst nimmt als historisches Dokument. Sie werden nicht übertüncht. Was ganz kaputt war, wird nicht rekonstruiert, sondern durch moderne Architektur ersetzt. Das neue Treppenhaus - kühl und monumental - gehört dazu. "Erschütternd", sagt ein Quedlinburger, "es erinnert an Bunker."
In den verschiedenen Sälen indes, findet sich immer jemand, der "schön" sagt, "irre", "toll". Im Apollosaal, wo die Wandmalerei von ein paar mythischen Tieren erneuert ist: "Irre, das hier rechts ist ne Chimäre." Im Ägyptischen Hof: "Toll, hier soll mal die Nofretete stehen." Im Niobidensaal: "Sehr schön, obwohl ich es zuerst nicht so schön fand."
Raus geht man wieder über die monumentale Treppe. Oben stehen Menschen, die nach dem Rundgang das Für und Wider dieser zeitgeschichtlichen Collage diskutieren. "Ich finds genial", sagt ein junger Mann. "Besser als jedes Geschichtsbuch." "Wir brauchen kein Mahnmal, Berlin hat schon genug davon", widerspricht einer, der den Krieg noch erlebt hat. Der Mann am Eingang aber verkündet für 15 Uhr stolz seine Besucherzahl: 4.981. "Es gibt immer eine Versuchung, dahin zu gehen, wo viele sind", meint eine Frau lakonisch.
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