: „Mütter, nicht Nutten“
■ In Jugoslawiens autonomer Provinz Kosovo demonstrieren die serbischen Frauen gegen den albanischen Nationalismus
Belgrad (afp) - Selbst nach dem Ausschluß des früheren jugoslawischen Vizepräsidenten Fadil Hoxha aus der Partei und dem Föderativen Rat Jugoslawiens ist die Ruhe in die autonome Provinz Kosovo noch immer nicht wiedereingekehrt. Am Mittwoch abend haben erneut 6.000 Serben vor dem Kulturhaus in Kosovo Polje in der Nähe von Kosovos Hauptstadt Pristina protestiert, während sich im Gebäude 500 serbische Frauen versammelt hatten, um ihren Unmut über Hoxhas Äußerungen zu den Sexualverbrechen in Kosovo kund zu tun. Der ehemalige albanische Parteifunktionär hatte im letzten Jahr zu den stetig zunehmenden Fällen von Vergewaltigungen in Kosovo gemeint, diese seien ein bloßes Zeichen für sexuelle Frustration und könnten durch den Ausbau der Prostitution vermieden werden. Laut Hoxha sollten jedoch keine albanischen, sondern serbische Frauen diese Tätigkeit ausüben. Mit seiner Äußerung lud er sich nicht nur den Ärger aller Frauen Jugoslawiens auf, sondern auch besonders der serbischen Frauen in Kosovo. Während nun die Serbinnen Kosovos seit vergangenem Donnerstag täglich mit Rufen wie „Wir sind Mütter und keine Nutten!“ auf die Straße gehen, boykottieren die serbischen Kinder seit Montag die Schule. Im „Fall Hoxha“ geht es jedoch nicht nur um die anstößigen Äußerungen des ehemaligen Vizepräsidenten. Er wird zudem verdächtigt, in der Kosovo–Krise von 1981 eine führende Rolle gespielt zu haben. Damals war es in der zu 80 Prozent von Albanern bewohnten Provinz zu gewalttätigen Demonstrationen albanischer Nationalisten gekommen, die die Errichtung einer „Albanischen Republik“ forderten. Zur Aufklärung dieser Krise hatte der „Bund der Kommunisten Jugoslawiens“ (BdKJ) im Juni dieses Jahres eine Sonderkommission gebildet. Unter dem Druck der serbischen Bevölkerung Kosovos sieht sich der BdKJ nun gedrängt, die Arbeit dieser Kommission zu beschleunigen. In den Augen der Serben ist Hoxha der geistige Führer der nationalistischen albanischen Bewegung in Kosovo. Doch obwohl der Vorstand der BdKJ den Protest der serbischen Frauen für „berechtigt“ hält, liegt ihm daran, sich von einigen ihrer Forderungen zu distanzieren. Sie hatten vergangene Woche auf einer Demonstration lautstark eine „Militärverwaltung“ mit voller Machtbefugnis verlangt - eine Forderung, die seit längerer Zeit immer wieder von den Serben in Kosovo vorgebracht wird. Von dem Vorstand des BdKJ ernteten sie deshalb den Vorwurf des Nationalismus.
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