piwik no script img

Münster-Tatort „Lakritz“Ein ewiger Volkstheaterschwank

Eine slapstickhafte Zuspitzung auf bürgerliche Kleinstadtkriminalität: In Professor Börnes und Thieles neuem Fall ist eigentlich alles wie immer.

Börne (hier Vincent Hahnen) wurde als 14-Jähriger in flüssiges Lakritz getaucht: hahaha Foto: WDR

Nun ist er wirklich gekommen, der Punkt. Der Punkt, an dem man sich zu erinnern versucht, wie das damals war, als der Münster-„Tatort“ neu war. Und man dachte: Heidewitzka, dasjama frisch und anders und joah: amüsant. Nun, das ist eine Weile her. Jetzt ist die erste, zweite und fünfte Reaktion: Was da läuft, erinnert in seiner Simplifizierung von Plot und Humor an fernes, altes Fernsehen. An Volkstheaterschwank, Millowitsch, Ohnsorg, so was. (Kleine TV-Abschweifung: Unfassbar, dass so was mal zur Hauptsendezeit im ÖR lief. Und: Lebt Willy noch?)

Was soll’s, bei dieser „Lakritz“-Folge also alles wie immer: eine geradezu slapstickhafte Zuspitzung auf bürgerliche Kleinstadtkriminalität. Diesmal: Markt­lizenz für Lakritzverkäufer – auf einmal ist jener Stadtfuzzi tot, der die Lizenzen ausstellt. Also mal wieder Kungelei, alle haben mit allen zu tun, isso, der Assistent vom Opfer seiner Mutter putzt beim Opfer, Pathologe Börne gab in einer der Lakritzfamilien vor 40 Jahren Nachhilfe, die Staatsanwältin bekommt, logo, „Anrufe von oben“.

Und der Fall kommt mal wieder nur voran, weil Börne (Jan Josef Liefers), Thiel (Axel Prahl) und Thiels Taxifahrervater in einem vor der Erzählzeit etablierten Netz mit den üblichen Verdächtigen stecken. Als hätte jemand das Drehbuch mit Checkliste geschrieben, um ja bitte alle Standards abzuhaken, aktueller Kommissars-Spleen inklusive (in diesem hypothetischen Fall wäre das Thorsten Wettcke; er hat etwa die erste Folge um den Hamburger Ermittler Cenk Batu mitgeschrieben und ihn somit mitentworfen oder, neuer, war auch Co-Autor beim ZDF-Ost-West-Krimizweiteiler „Walpurgisnacht“, der im Februar lief, irre gut besetzt mit Bodenbender, Schüttauf, Zehrfeld, Giese).

Aber nun gut, dafür blitzen Schönheiten im Dämmer auf wie Fenster im Abendlicht (dank Regisseurin Randa Chahoud, ihr Legendending übrigens „Ijon Tichy: Raumpilot“). Kleinkram, der Figuren runder macht, wie der Pawlow’sche Reflex, einen falschen Genitiv zu korrigieren; der kaugummikauende, fluchende Pfleger, der aus Langeweile ballerspielt.

Der Krimi

Münster-„Tatort“: „Lakritz“, So., 20.15 Uhr, ARD

Oder diese beiden Alten, die freudvoll beiläufig zeigen dürfen, wie Altsein im TV auch aussehen kann (einer ist Thiels Taxifahrer­vater, der andere ein Greis, gespielt von Walter Hess, uralter Theaterhaudegen): am Fenster stehen, eine Tüte durchziehen, wummernd laut „Who Let the Dogs Out?“ hören. Wirklich, Hess allein macht den restlichen Quatsch locker wieder wett.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Ja wie^¿* - “ …Und: Lebt Willy noch?)…“

    Na - Si’cher dat. Dat wüßt ich ever.



    Volle Blase - Etappenhase - da mähtste nix.



    & Däh!



    Da - sitzt er doch - im Rampenlicht. Normal.



    mobil.express.de/i...sch-mh2409-jpg.jpg

  • Ich empfinde die Tatorte mit Thiel und Börne als gute bis sehr gute Unterhaltung. Alles wird nicht so ernst genommen, und die Political Correctness schon gar nicht.

    • @Der Cleo Patra:

      Als kath. Atheist würdeich das Original schauen: Ohnsorg mit Willy!