Müll im Mauerpark: Bürger sorgen selbst für Ordnung
Ein privater Ordnungsdienst soll dafür sorgen, dass der Park sauberer wird. "Bürgerwehr" nennen das Kritiker, "Bürgerengagement" der grüne Stadtrat.
Viele Besucher machen viele Probleme. Das bekommt auch der Mauerpark zu spüren, seitdem sich an sommerlichen Wochenenden bis zu 50.000 Besucher durch die Grünfläche schlängeln. Ob fehlendes Notfallkonzept, große Müllberge, ein Mangel an Toiletten oder fliegende Händler, die sonntags ihre Getränke anbieten und damit gegen die Ladenöffnungszeiten verstoßen: An vielen Stellen gibt es Verbesserungsbedarf, damit der Park nicht eines Tages den Übernutzungstod stirbt.
Ein Konzept, das sich dieser Probleme annimmt, hat Anfang der vergangenen Woche eine Gruppe vorgestellt, die aus Betreibern des Mauerpark-Flohmarktes, des angrenzenden Biergartens Mauersegler sowie des Vereins Freunde des Mauerparks besteht. Hilfe zur Selbsthilfe lautet das Motto, denn finanziert und umgesetzt werden sollen die Pläne nicht vom Bezirk, sondern von Mitgliedern und Angestellten der Gruppe selbst. Ausnahme ist der Notfallplan, den Feuerwehr und Polizei gemeinsam erstellen sollen.
Neben Dixi-Klos, zusätzlichen Müllsammlern und einem Info-Pavillion ist vorgesehen, dass die Versorgung der Parkbesucher mit Getränken und Essen in Zukunft ausschließlich durch den Biergarten und den Flohmarkt-Betreiber erfolgt. Dieses Exklusivrecht sollen die beiden Gewerbetreibenden als Ausgleich für die Kosten erhalten, die ihnen durch die Umsetzung des Konzeptes entstehen. Neben dem Genannten gehört dazu auch die Bezahlung der Leute, die im Park unterwegs sein sollen, um gezielt auf dessen Gäste zuzugehen und sie auf Regeln wie die Nachtruhe oder das Nutzen der Grillplätze hinzuweisen sowie das Ordnungsamt auf illegale Getränkeverkäufer aufmerksam zu machen. "Ansprechpartner" werden diese im Konzept genannt, um die bösen Worte Ranger oder auch Bürgerwehr zu umgehen, die einem dabei gleich in den Sinn kommen.
Zumindest Heiner Funken von der Stiftung Weltbürger-Park, die sich ebenfalls für den Park und dessen Erweiterung engagiert, aber nicht mit am Tisch saß, als das Konzept erarbeitet wurde. "Wir verstehen nicht, warum die komplette Versorgung des Parks an zwei Monopolisten geht, die sich mit den sogenannten Ansprechpartnern auch gleich noch ein eigenes Überwachungssystem schaffen", sagt er. "Mir wurde als Kind das Petzen verboten." Nichts anderes aber sei die Aufgabe des privaten Ordnungsdienstes, der ausschließlich dazu geschaffen würde, illegale Händler beim Ordnungsamt anzuschwärzen und damit die Mitbewerber der beiden großen Gewerbetreibenden aus dem Weg zu räumen.
Auch Funken sieht Handlungsbedarf, vor allem war das Müllproblem des Parks angeht. Hier nimmt er aber den Bezirk in die Pflicht. "Ich bin skeptisch, wenn staatliche Aufgaben Gewerbetreibenden überlassen werden", meint er. Für die fliegenden Händler müsse es Ausnahmeregelungen geben, statt sie komplett aus dem Park zu verdrängen. "Sie gehören zum besonderen Flair des Mauerparks dazu. Das vorgestellte Konzept macht die Atmosphäre kaputt."
Ein hartes Urteil, hat die Gruppe um die Gewerbetreibenden sich doch gerade diese zu erhalten als Hauptziel gesetzt. "Der Mauerpark braucht besondere Lösungen, und da wir von dem großen Andrang natürlich profitieren, wollen wir uns dabei einbringen", sagt Sylvio Krüger vom Mauersegler. Er sieht die Ansprechpartner nicht als Ordnungshüter, sondern als Kommunikationsangebot. "Das werden zwei Leute sein, die einem mal eine Mülltüte in die Hand drücken oder auf eine problematische Situation hinweisen", sagt Krüger. Wenn man jetzt nicht auf diesem Wege versuche, der Probleme Herr zu werden, müsste sich eines Tages die Polizei damit auseinandersetzten. Dass er und sein Kollege vom Flohmarkt für ihre Investitionen mit dem exklusiven Verkaufsrecht belohnt würden, findet er nur fair. "Es gibt nun mal ein Sonntagsverkaufsverbot, das haben wir uns nicht ausgedacht."
Jens-Holger Kirchner, Pankows grüner Stadtrat für öffentliche Ordnung, sieht das ähnlich: "Die Ladenöffnungszeiten kann man nicht einfach so aushebeln." Wenn Flohmarkt und Mauersegler sich allein um die Entsorgung des Mülls kümmerten, sei es auch ihr Recht, exklusiv die Versorgung mit Essen und Getränken zu übernehmen.
Auch den Begriff Ranger will Kirchner nicht hören. "Die Alternative wäre, Hundertschaften der Polizei in den Park zu schicken, um die Situation im Griff zu behalten", meint er. Er befürworte das Konzept, da sich die Bürger damit selbst für ihren Park engagierten. "Dahinter stecken Anwohner vor Ort, die wollen Kommunikation und keine Restriktion." Die Kritik empfindet er als Diskreditierung von Bürgerengagement.
Mit diesem Rückenwind aus der Politik wird das Konzept nun umgesetzt. Erste Testläufe sind für den Herbst geplant; richtig zum Einsatz kommen soll es aber erst im Frühjahr nächsten Jahres.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Klimakiller Landwirtschaft
Immer weniger Schweine und Rinder in Deutschland