piwik no script img

Mühen der Ebene

Die Freunde Fabian und Jonas, beide elf und aus Berlin, liegen mit ihren Berufsvorstellungen im Trend der Zeit: Sie möchten einmal mit Computern arbeiten, ordentlich Geld verdienen und Freude am Job haben. Bis es so weit ist, müssen die beiden freilich noch gute zehn Jahre Schule und Uni hinter sich bringen. Und da wird die Angelegenheit auch schon ziemlich unübersichtlich. Noch sooo lange pauken, puuuuhh, das wird eine harte Strecke. Und Spaß macht ihnen die Schule schon jetzt nicht immer.

Fabian besucht die nahe gelegene Grundschule im Ostteil der Stadt, Jonas fährt jeden Tag mit dem Fahrrad in einen benachbarten Westbezirk. Während sich Jonas auch noch krank in die Schule quält, weil er nichts verpassen möchte, macht Fabian schnell schlapp. Er hat einfach keinen Spaß an der Schule. Zu viel Stress mit der Klassenlehrerin. Die denkt bereits über ihren nahen Lebensabschnitt als Rentnerin nach und kann mit den wilden Kids nicht viel anfangen. Gefördert werden die Angepassten und Begabten, in den Grundschuljahren sind das meist die Mädchen. „Die können sich alles leisten. Selbst wenn sie mal ihre Hausaufgaben nicht erledigt haben, gibt es keinen Ärger. Wir Jungen sind da gleich ganz übel dran und werden ausgemeckert.“ Pech für Fabian und seine Klasse: Drei Viertel der Schüler sind Jungen.

In Jonas Grundschulklasse ist das Geschlechterverhältnis ausgewogen. Und sein Klassenlehrer ist um Ausgleich bemüht: Den hohen Anteil der Schüler nichtdeutscher Herkunft unterstützt er mit den entsprechenden Einheiten Förderstunden in Deutsch. Und kommt den durch Sprachschwierigkeiten gehandicapten Kindern mit Unterrichtsformen entgegen, die ihr Verständnisvermögen berücksichtigen. Weniger an Pult und Tafel gebundener Frontalunterricht, mehr praktische Anschauung und öfter Exkursionen. Aber auch Jonas ist nicht zufrieden. Ausgerechnet in seinem Lieblingsfach Kunst hat er einen Pauker der alten Schule erwischt. „Der ist furchtbar ungeduldig und immer genervt. Fühlt sich durch jede Frage gestört und schimpft, dass wir frech sind. Dann schickt er uns vor die Tür, holt sein Buch raus und droht uns mit Verwarnungen. Gemacht hat er das aber noch nie. Einem hat er schon dreißig Mal die Verwarnung angedroht, aber noch nie eine verhängt.“

An Fabians Schule ist das Rektorat das Vorzimmer zur Hölle. „Wenn man den Unterricht stört, dann geht es zum Direktor. Neulich hat einer in der Stunde einen Flummi ausgepackt und damit gespielt. Das hat der Lehrer gesehen und ihn gleich angebrüllt: Raus, raus, raus. Dann musst er den Rest der Stunde auf den Flur und am nächsten Tag zum Direktor.“

Ungeduldige,überforderte Lehrer, so scheint es, wecken in Schülern vollautomatisch den Quälgeist. Streiche denkt sich Jonas’ Klasse am liebsten für ihren Kunstlehrer aus, „die anderen sind doch viel zu nett!“ Seit sie herausgefunden haben, dass er völlig unflexibel ist und seine Stunden streng entlang des Lehrplans organisiert, hagelt es nur so von Ideen, was man alles gern in der nächsten Stunde machen möchte. „Wir möchten nicht zum fünften Mal einen Blumenstrauß, sondern mal eine Comicfigur zeichnen.“ Konstruktive Vorschläge, das haben die SchülerInnen bei ihrem beliebten Klassenlehrer erfahren, werden nicht nur gern aufgenommen, sondern auch belohnt. Doch der Kunstlehrer wehrt die Anregungen aus der Klasse nur ab. „Das wird nie was, er hat immer einen fertigen Plan“, meint Fabian. „Dabei sind viele Ideen richtig gut und würden uns Spaß machen.“ Schade eigentlich. PE

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen