: Mostar, vier Jahre danach
■ Nur der Hass findet in Mostar eine neue Heimat / Besuch bei einer Familie, die sechs Jahre lang als Flüchtlinge hier lebten
Zwei Bremer LehrerInnen haben, vier Jahre nach der Rückkehr des Bremer EU-Beauftragten für Mostar, die bosnisch-herzegowinische Stadt an der Neretva besucht. Genauer: Sie haben eine Familie besucht, die sechs Jahre lang in Deutschland als Kriegsflüchtlinge leben durften und dann „zurückgeführt“ wurden, wie das im Amtsdeutsch heißt. „Sie hatten bis zum letzten Tag gehofft, dass sie nicht zurück müssen“, berichteten die beiden Besucher. Was sie vorfanden, Mostar 2001, ist eine hoffnungslos verzweifelte Lage.
Die vierköpfige Familie lebt in Mostar in zwei Zimmern in der zerstörten Stadt. Was schlimmer ist, ist der Hass. Auf beiden Seiten. „Alle wollen dort die Apartheid“, stellte der Bremer Besucher fest. Wer im muslimischen Teil der Stadt mit dem kroatischen Gruß in ein Geschäft geht, riskiert, nicht bedient oder angepöbelt zu werden. Das passiert in Mostar 2001 nur deshalb selten, weil niemand in den „falschen“ Teil der Stadt geht. Und wenn man geht, dann nur, um das Nötigste zu erledigen. Bosnier und Kroaten unterscheiden sich nicht nach der Hautfarbe, aber am Namen erkennt man sich. „Man hüte sich daher, auf der Straße angesprochen und beim Namen genannt zu werden!“
Direkt an der Grenze zwischen den beiden ethnischen Bevölkerungsgruppen baut die katholische Kirche eine bombastische Basilika mit einem 100 Meter hoch hinausragenden Kirchturm. Das zahlen nicht die Menschen aus Mostar, das zahlen die katholischen Brüder im Ausland. Auch die Moscheen sind Prunkstücke in der teilweise noch zerschossenen Stadt. Morgens um fünf Uhr weckt der Ruf der Muezzine die gesamte Stadt, zwischen den Hügeln schallt es hin und her. Dagegen wird der Glockenturm der neuen katholischen Kirche anbimmeln.
Marija, die Tochter der Familie, hatte in Hamburg die elfte Klasse besucht. Und sich in den sechs Jahren „Exil“ an den Stil deutscher Schulen gewöhnt. Was sie nun in Mostar auf der katholisch-kroatischen Schule erlebt, ist ein Rückfall um pädagogische Epochen. Sie klagt über die sture Paukerei, und über die verordnete Volksverhetzung. Die Stellen in den Lehrbüchern, die auf Anweisung der EU-Kommissare mit dem Hinweis „Für den Unterricht nicht geeignet“ überstempelt sind, werden besonders gern auswendig gelernt und abgefragt. Wenn Mirja Abitur gemacht hat, will sie weg hier.
Weg wollen auch die Eltern. Verwandte, die nach Kanada gegangen sind, sind da heute selbstverständlich eingebürgert, haben den kanadischen Paß. Ebenso in Australien. Aber die Eltern wollten aus Überzeugung nach Deutschland, dass muss die Familie jetzt büßen. Dass beide Eltern berufstätig waren in Hamburg, hat bei der Frage der „Rückführung“ der Kriegsflüchtlinge keine Rolle gespielt. „Man muss ihnen vernünftige Angebote machen, so dass sie in den Gebieten, in denen sie sich zu Hause fühlen, eine neue Heimat finden können“, hat Hans Koschnick 1998 einmal gesagt.
Wenn der äußere Waffenstillstand aufrechterhalten werden soll, dann müssen die Sfor-Soldaten der Nato noch lange an der Neretva bleiben. 10 Jahre? 20 Jahre? 50 Jahre? Nicht einmal auf einen Generationswechsel kann man in Mostar hoffen. Die Kinder kaufen dieselbe Milch – aber sie sind davon überzeugt, dass mit der Milch aus dem anderen Laden bei den anderen etwas nicht stimmen kann. K.W.
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