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Māori-Partei in NeuseelandNach rituellem Protesttanz droht Suspendierung vom Parlament

Drei indigene Abgeordnete werden in Neuseeland für einen Haka-Tanz ein bis drei Wochen vom Parlament ausgesperrt, sollte dessen Plenum einer Ausschussempfehlung folgen.

Neuseeländischer Haka-Tanz der Māori, hier am 4. Mai beim Rugby: Im Sport willkommen, im Parlament umstritten? Foto: Daniel Cole/reuters

Berlin taz | Geht es nach Neuseelands zuständigem Parlamentsausschuss, werden drei Abgeordnete der Māori-Partei für einen traditionellen Haka-Tanz in einer Debatte bestraft. Die indigenen Abgeordneten Hana-Rawhiti Maipi-Clarke, Debbie Ngarewa-Packer und Rawiri Waititi hatten damit im November 2024 gegen einen Gesetzentwurf protestiert. Das Video ihres Tanzes ging damals viral.

Der Gesetzentwurf sollte den Vertrag von Waitangi zuungunsten der Māori neu interpretieren und wurde damals in erster Lesung angenommen. Den Entwurf hatte die rechtsliberale ACT-Partei eingebracht, die zur konservativen Regierungskoalition gehört. Der Entwurf wurde aber im April dieses Jahres endgültig abgelehnt, nachdem er die größten Māori-Proteste in der Geschichte des Landes ausgelöst hatte.

Der Waitangi-Vertrag von 1840 zwischen britischer Krone und den damaligen Maori-Häuptlingen ist Neuseelands Gründungsdokument. Damals ermöglichten verschiedene Sprachversionen erst die Zustimmung der Māori. Die Briten brachen den Vertrag immer wieder, der aber letztlich in den vergangenen Jahrzehnten auch zu Entschädigungen an die Māori führte.

Haka-Tänze, die oft fälschlich auf Kriegstänze reduziert werden, sind ein anerkannter Teil der Kultur des Landes wie seines Marketings. Mit zum Teil furchterregenden Grimassen und herausgestreckten Zungen der Tänzer und Tänzerinnen werden Hakas auch vor Spielen der Rugby-Nationalmannschaft oder vor America's Cup Regatten des Team New Zealand aufgeführt.

Emotional wie Heidi Reichinnek

Auch im Parlament gab es schon Hakas, doch waren sie stets beantragt worden. Im November startete die mit 22 Jahren jüngste Abgeordnete Hana-Rawhiti Maipi-Clark aber spontan einen solchen Tanz, bei dem sie eine Kopie des umstrittenen Gesetzentwurfes zerriss. Ihr Tanz gleicht damit einer neuseeländisch-indigenen Version der emotionalen „Auf die Barrikaden!“-Bundestagsrede der Linkspolitikerin Heidi Reichennek vom Februar.

Maipi-Clarks Parteifreunde erhoben sich von ihren Plätzen und stimmten in den Tanz ein, auch Zuschauer auf der Tribüne machten mit. Der irritierte konservative Parlamentspräsident schien zunächst nicht zu wissen, wie im geschah, unterbrach dann aber die Debatte und ließ die Tribüne räumen.

Jetzt soll Maipi-Clark für 7, die anderen beiden Abgeordneten für je 21 Tage vom Parlament suspendiert werden, sofern das Plenum nächsten Dienstag dem Ausschuss folgt. Maipi-Clark bekommt eine geringere Strafe, weil sie anders als die anderen Reue zeigte. Ngarewa-Packer soll zudem beim Tanz eine Hand zu einer Pistole geformt und damit symbolisch auf Abgeordnete gezielt haben. Der Ausschuss wertete den Haka mehrheitlich als bedrohlich.

Die höchste je verhängte Suspendierung für Fehlverhalten von Abgeordneten betrug bisher nur drei Tage. Hinzu kommt, dass die drei, sollten sie entsprechend der parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse jetzt wirklich suspendiert werden, die wichtigen Haushaltsberatungen verpassen würden.

Konservativer Māori Vizepremier sieht „Haus des Chaos“

Die Oppositionsparteien Labour und Grüne finden die Strafen überzogen. Labour hält maximal ein bis zwei Tage Sperre für angemessen, die Grünen sehen gar keinen Sanktionsbedarf.

Der konservative Vizepremier Winston Peters (80), ein manchmal populistischer wie opportunistischer Māori, beklagt hingegen einen generellen Sittenverfall im Parlament, das er auf X als „Haus des Chaos“ bezeichnet.

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1 Kommentar

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  • Der Haka der drei Abgeordneten „gleicht […] einer neuseeländisch-indigenen Version der […] Bundestagsrede der Linkspolitikerin Heidi Reichennek vom Februar“? Äh… Nö.

    Die einzige Gemeinsamkeit scheint mir zu sein, dass beide Ereignisse ihren Weg „ins Netz“ gefunden haben via Emotionen. Und zwar ohne Umweg über „die Medien“. Für einen hauptberuflichen Journalisten mag das entscheidend sein. Für ein Parlament sind andere Dinge wichtiger.

    Zum Beispiel ist wichtig, ob sich die (vermeintlichen) Provokateure an geltende Regeln halten mit ihrem Protest, oder ob sie das nicht tun. Reichinnecks Rede war inhaltlich zwar schwer zu verdauen für viele ihrer Politiker:innen-Kolleg:innen, aber gegen die Parlamentsregeln hat sie damit nicht verstoßen. Es war den Vorgeführten also unmöglich, allein aus formalen Gründen empört zu sein. Sie hätten schon inhaltlich Farbe bekennen müssen.

    Die Maori-Politikerinnen haben weniger geschickt agiert. Früher konnte Leichtsinn Leben kosten. Heute ist er billiger. Nur schade bleibt es allemal, dass die Rechten so leichtes Spiel hatten. Verdient haben sie diesen (Etappen-)Sieg nämlich nicht. Er war ein ganz und gar unverdientes Geschenk. Nur: Wen schert das?