Mordechai Kedar: "Somalia vor unserer Haustür"

Einen Staat im Westjordanland unter Fatah-Herrschaft wird es nicht geben, sagt der israelische Rechte Mordechai Kedar.

Abbas' Amtssitz - Wackelige Bude statt fester Burg Bild: dpa

taz: Herr Kedar, steuert der Nahost-Konflikt auf eine Drei-Staaten-Lösung zu - Israel, Hamastan in Gaza und Fatahland im Westjordanland?

Mordechai Kedar: Mehr als das. Auch das Westjordanland wird sich weiter spalten, Hebron als Staat, Nablus vielleicht mit Dschenin. Noch herrscht in Israel Euphorie, weil man glaubt, jetzt ohne die Hamas den Frieden vorantreiben zu können. Aber Sicherheitsbedenken werden die Leute schließlich aufwachen lassen. Die Mehrheit der Israelis wird einem Staat Westjordanland letztendlich nicht zustimmen. Wir dürfen nicht vergessen, dass das Westjordanland kein besetztes Land ist. Denn es gehört zu keinem Staat - im Gegensatz zu den von Israel besetzten Golanhöhen, die zu Syrien gehören.

Die Palästinenser beanspruchen das Westjordanland.

Aber es gibt keinen Palästinenserstaat. Wem das Land gehört, ist umstritten. Deshalb kann Israel dort freier walten als auf dem Golan.

Das sehen israelische Rechte so. Die Weltöffentlichkeit sieht das anders. Sie ist davon überzeugt, dass das Westjordanland den Palästinensern gehört.

Die Weltöffentlichkeit ist in die Falle der palästinensischen Rhetorik getappt.

Fakt ist: Die Palästinenser sind ein Volk ohne Staat. Welche Lösung schlagen Sie vor?

Wir haben ein schönes Beispiel in Gaza. Der Gaza-Streifen wird vermutlich der erste Palästinenserstaat. Wenn Palästinenserpräsident Abbas die Gelder, die er vom Westen bekommt, nicht nach Gaza weiterleitet, wird eine administrative Trennung zwischen dem Gaza-Streifen und dem Westjordanland folgen. Denn dann könnte der Ex-Hamas-Premierminister Hanijeh die Unabhängigkeit von Gaza und einen Staat ausrufen, etwa wie Taiwan.

Ohne internationale Anerkennung?

Iran, Syrien und vielleicht auch Russland würden Gaza anerkennen und finanziell stützen.

Dann müssen Sie die Politik von US-Präsident George W. Bush, der die Trennung zwischen Gaza und Westjordanland von außen fördert, ja für richtig halten?

Bush will eine Lösung, er braucht einen Erfolg, und wir sollen ihn liefern. Aber in der Tat: Warum sollte der Gaza-Streifen nicht für sich existieren? Es gibt kleine Staaten auf der Welt: Luxemburg, Andorra, Monaco. Die Leute dort leiden auch nicht unter Klaustrophobie.

Sie vergleichen Gaza, wo eineinhalb Millionen unter ärmlichsten, beengten Verhältnissen leben, mit Monaco?

Die Idee ist, dass gerade kleine Staaten besonders stabil sein können. Schauen Sie sich die Golfstaaten an, wo jede Einheit auf eine Großfamilie zurückgeht.

Gaza steht jetzt vor einer humanitären Katastrophe. Was sollte die Welt tun?

Gaza ist der letzte Ort auf der Welt, der von einer humanitären Katastrophe bedroht sein müsste. Die Palästinenser haben direkt vor ihrer Nase im Meer ein gigantisches Gasvorkommen. Israel hat es gefunden und ihnen geschenkt.

Schenken kann man nur, was einem gehört. Aber dies ist palästinensisches Gebiet.

Die Palästinenser müssen das Gas gewinnen und verkaufen. Dann könnten sie so reich ein wie die Araber in Katar, wo es auch nur eine Quelle gibt.

Was halten Sie von der Idee, internationale Truppen nach Gaza zu schicken?

Internationale Truppen können für eine Weile helfen. Sie wirken wie Aspirin. Hast du Kopfschmerzen, dann hilft es. Bei Krebs nicht.

Und Gaza ist an Krebs erkrankt?

Sicher. Ein Drittel der Bevölkerung ist mit automatischen Waffen ausgerüstet. Das ist ein Pulverfass. Außerdem könnte ein islamisches Regime allen möglichen Fundamentalisten Asyl bieten, Leute, die aus Iran oder Afghanistan kommen. Wir müssen uns an den Gedanken gewöhnen, dass Gaza sich vom Westjordanland trennt.

Und Gaza aufgeben?

Keiner will Gaza haben. Insgeheim freut sich Abbas, dass er es los ist.

Was wird aus den Menschen, die in Gaza leben?

Spätestens in einer Woche werden Demonstrationen anfangen, weil es kein Benzin mehr gibt, keine Nahrungsmittel. Die Hamas wird merken, dass sie die Bevölkerung nicht versorgen kann. Wie sagen die Deutschen: Vater werden ist nicht schwer, Vater sein hingegen sehr. Es wird wieder zu Gefechten kommen zwischen den Großfamilien, und dann haben wir ein zweites Somalia direkt vor unserer Haustür.

Welche Rolle könnten Ägypten und Jordanien dann spielen?

Wenn es jemanden gibt, der schuld an den Entwicklungen ist, dann die Ägypter. Denn die haben den Waffenschmuggel nicht verhindert.

Warum haben sie das nicht getan?

Weil sie es nicht konnten. In Ägypten bekommt man alles, wenn man nur dafür bezahlt. Um eine Waffenladung nach Rafiah durchzubringen, mussten ein paar Polizisten geschmiert werden, mehr nicht.

Könnten internationale Truppen im Grenzgebiet den Schmuggel nicht stoppen?

Schwer zu sagen. Fest steht, dass weder Israel noch Ägypten allein mit dem Problem fertig werden.

Bush drängt offenbar auf eine Lösung für das Westjordanland. Aber warum sollte jetzt möglich sein, was früher nicht geklappt hat?

Nun, es wird nicht klappen. Denn die Fatah ist der gleiche korrupte Haufen wie eh und je.

Die Korruption ist ein innerpalästinensischen Problem. Was ist mit dem Friedensprozess? Was wird Israel anbieten?

Ich glaube nicht, dass Israel heute das Angebot von Ehud Barak wiederholt und auf einen Großteil des Westjordanlandes verzichten wird. Israels Premier Olmert würde das, selbst wenn er es wollen würde, in der heutigen Regierungskoalition nicht durchkriegen.

Also Israel will nicht. Würden die Palästinenser im Westjordanland denn einem Alleingang zustimmen?

Mit Freuden. Sie hassen Gaza. Sie wollen es loswerden.

Aber es gibt Familien, die in beiden Teilen leben

Es gibt mehr Familien, die im Westjordanland und in Jordanien leben.

Die Hamas hat noch immer eine Mehrheit im Parlament. Was wird aus dem Abgeordnetenhaus?

Abbas wird das Parlament entweder überhaupt nicht einberufen oder ignorieren.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.