Morddrohung gegen Linken-Abgeordneten: Cindi Tuncel bleibt standhaft
Der Bremer Linken-Abgeordnete Cindi Tuncel bekommt im Netz sehr direkte Morddrohungen auf kurdisch und türkisch. Für den Jesiden eine neue Qualität.
Dass der Linken-Abgeordnete der Bremer Bürgerschaft Anfeindungen bekommt, ist für ihn nicht neu. Die Direktheit, mit der er nun bedroht wird, sei aber „eine andere Qualität“. Er selbst vermutet hinter dem Account türkische Faschisten. Nach seiner Anzeige ermittelt nun der Staatsschutz der Bremer Polizei.
Seit Jahren wird Tuncel vor allem aus rechtsradikalen Kreisen angegriffen. 2019, kurz vor der letzten Wahl, hatten Unbekannte sein Büro in Bremen-Osterholz angegriffen. Er selbst wollte den Vorfall damals nicht zu sehr thematisieren: „Ich wollte nicht, dass es so aussieht, als ob ich damit Wahlkampf mache.“
Tuncel, der 1977 in der Türkei geboren wurde, stammt aus einer kurdischen und jesidischen Familie. Als der Konflikt zwischen der Befreiungsbewegung PKK und der türkischen Armee eskaliert und immer mehr Kurd:innen getötet werden, flieht die Familie nach Europa. 1985 gelangen sie nach Bremen. Die Hilfe vor Ort ist ihm im Gedächtnis geblieben: „Zu sehen, was damals fremde Menschen für einen getan haben, hat mich sehr geprägt“.
Solidarität von allen Demokrat:innen
Tuncel wächst in Hemelingen auf, einem benachteiligten Stadtteil im Südosten der Stadt. Auch wenn das nicht einfach gewesen sei, hätten ihm vor allem die Schule und der Fußball geholfen.
Später studiert er Soziale Arbeit und engagiert sich im ebenfalls benachteiligten Stadtteil Tenever. Die soziale Not, die dort zu sehen ist, aber auch die positiven Entwicklungen, motivieren ihn, politisch aktiv zu werden. 2005 tritt er der PDS bei, ab 2007 ist er Mitglied der Linkspartei. 2011 wird er erstmals in die Bremer Bürgerschaft gewählt.
Nach anfänglicher Skepsis wird Tuncel heute auch von vielen konservativen Abgeordneten geschätzt. Als letzte Woche die Morddrohung publik wurde, bekam er Anrufe und Solidaritätsbekundungen von allen demokratischen Parteien.
Heute lebt Tuncel mit seiner Frau und vier Kindern in Tenever. Bei der nächsten Wahl möchte er unbedingt wieder antreten. Zwar habe er seine „Ursprungsheimat“ 1985 verlassen müssen, doch sei er hier heimisch geworden. „Demokratie gibt’s nicht umsonst“, sagt er. „Die Drohung motiviert mich, auch weiterhin meine Arbeit zu machen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin