piwik no script img

Mord an Tausenden

Ausweitung der UN-Anklage gegen Milošević auf Völkermord entzweit Bosniens Muslime und Serben

SPLIT taz ■ Lange Zeit hat es gebraucht, bis die Anklage gegen Slobodan Milošević auf die Verbrechen im Bosnienkrieg ausgeweitet wurde. Mit der Entscheidung des Internationalen Jugoslawien-Tribunals vom 22. November ist dies geschehen.

In ersten Stellungnahmen von muslimischer Seite in Bosnien und Herzegowina wurde die Ausweitung der Anklage begrüßt. Schwerer dagegen taten sich die bosnischen Serben. Die Medien in der „Republika Srpska“ reagierten lediglich mit dürren Meldungen und ablehnenden Kommentaren.

Dabei hätte es sich ja durchaus gelohnt, in die Anklageschrift zu sehen. Denn Slobodan Milošević muß sich ab jetzt neben den Verbrechen im Kosovo auch wegen „Völkermordes“, „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und „Verletzungen der Genfer Konvention“ während des Krieges in Bosnien und Herzegowina 1992-95 verantworten. Besonders bezüglich des „Völkermordes“ wurden bisher alle diesbezüglichen Anschuldigungen zurückgewiesen.

In der Anklageschrift werden dagegen Roß und Reiter genannt. So heißt es in Punkt 34: „Während dieser Periode (gemeint ist der Sommer 1992) griffen serbische Streitkräfte, bestehend aus der Jugoslawischen Volksarmee, der Armee der Republika Srpska, Einheiten der Territorialverteidigung, lokale Polizei und Polizei aus Serbien sowie paramilitärische Truppen aus Serbien und Montenegro, bosnische Dörfer und Städte an. Nach der Eroberung haben die serbischen Streitkräfte zusammen mit den lokalen serbischen Behörden ein Regime der Verfolgung mit dem Ziel errichtet, die nichtserbische Bevölkerung von diesen Territorien zu vertreiben.“ In Punkt 35 wird Milošević die “Vernichtung und der Mord an Tausenden von Nichtserben“ vorgeworfen, die „unmenschliche Behandlung“ der Festgenommenen in Lagern, die Heranziehung der Gefangenen zur Zwangsarbeit“ und so weiter.

In dem Verfahren müssen die Ankläger nun beweisen, daß der serbische Präsident Milošević für diese Taten direkt verantwortlich ist. Nach vorliegenden Informationen ist das Tribunal in der Lage, die Befehlsketten nachzuweisen. ERICH RATHFELDER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen