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Mord an Stadträtin in BrasilienKronzeuge bringt Ermittlungen voran

In Brasilien beschuldigt ein Ex-Polizist als Kronzeuge einen Ex-Kollegen als Vermittler des Mordes an der linken Stadträtin Marielle Franco in Rio.

Marielle Franco wurde 2018 in Rio de Janeiro ermordet Foto: Ellis Rua/ap

Berlin taz | Mehr als fünf Jahre nach dem Mordanschlag auf die linke Stadträtin Marielle Franco kommt Schwung in die Ermittlungen. Der mutmaßliche Fahrer des Tatwagens, Élcio de Queiroz,erklärte sich zu einer Kronzeugenregelung bereit. Er legte ein Geständnis ab und sagte, ein Mann namens Edimilson Oliveira da Silva, besser bekannt als Macalé, soll den Auftrag an den mutmaßlichen Schützen Ronnie Lessa herangetragen haben. Silva wurde im November 2021 ermordet. Alle drei Männer waren Polizisten.

Am 14. März 2018 waren Franco und ihr Fahrer Anderson Gomes in Rio de Janeiro auf dem Rückweg von einer Veranstaltung erschossen worden. Als sie noch lebte, war die schwarze, bisexuelle Feministin eine nur regional bekannte Landespolitikerin, posthum wurde sie zu einer im ganzen Land verehrten Märtyrerin.

Bei Konzerten, Veranstaltungen und Karnevalsfeiern erinnern viele Menschen bis heute an sie – auch weil immer noch nicht klar ist, warum sie sterben musste. Zwar sitzen die mutmaßlichen Täter in Untersuchungshaft, aber über die mögliche Auftraggeber gibt es bisher keine Informationen.

Die Er­mitt­le­r*in­nen gehen von einem Zusammenhang zu den Milizen aus. Diese paramilitärischen Banden setzen sich aus ehemaligen und aktiven Polizisten zusammen und kontrollieren viele arme Stadtteile Rio de Janeiros mit Waffengewalt.

Heckler & Koch-Tatwaffe aus Beständen der Spezialpolizei?

Franco war eine scharfe Kritikerin dieser Gruppen, ihr politischer Ziehvater Marcelo Freixo steht schon seit langem auf der Todesliste der Banden.

Am Montag hatte die Polizei die Häuser von weiteren Verdächtigen durchsucht und den ehemaligen Feuerwehrmann Maxwell Simões Corrêa verhaftet. Er soll Waffen versteckt und die Ermittlungen behindert haben.

In seiner Aussage sagte Queiroz auch, die Tatwaffe, eine Maschinenpistole des deutschen Herstellers Heckler & Koch, soll aus den Beständen der Spezialpolizei BOPE stammen. Der berüchtigten Truppe werden enge Verbindungen zu den Milizen nachgesagt.

Große Teile der Aussagen Queiroz' sind unter Verschluss, allerdings kündigte Justizminister Flávio Dino weitere Fortschritte in den nächsten Wochen an.

Neue Regierung brachte Schwung in Ermittlungen

Im Januar, kurz nach seinem Amtsantritt, hatte Justizminister Dino versprochen, den Fall aufzuklären („Das ist eine Frage der Ehre“) und neue Ermittlungen durch die Bundespolizei angeordnet. Dass sich die oberste Polizeibehörde dem Fall angenommen hat, zeigt die politische Brisanz.

Denn mehr als fünf Jahre nach dem Anschlag sind die Ermittlungsergebnisse dürftig. Die Polizei folgte erst einer falschen Fährte, die wohl absichtlich gelegt worden war. Beweisstücke verschwanden, Beziehungen zwischen Er­mitt­le­r*in­nen und Verdächtigen kamen ans Licht, fünf leitende Kommissare wurden ausgetauscht.

Von politischer Seite war lange Zeit kaum Unterstützung für die Aufklärung des Falls zu erwarten. Denn mit dem Rechtsextremen Jair Bolsonaro war bis zum 31. Dezember 2022 ein Mann Präsident, der das exakte Gegenteil dessen vertrat, wofür Franco sich einsetzte.

Besonders pikant: Der mutmaßliche Mörder Ronnie Lessa lebte in der gleichen Luxuswohnanlage wie Bolsonaro. Möglicherweise ein Zufall, doch die Familie des Ex-Präsidenten pflegte seit Langem Verbindungen zu den Milizen.

Schwester der Ermordeten ist Antirassimus-Ministerin

Der Fall Marielle Franco legt auch offen, wie eng institutionelle Ak­teu­r*in­nen und das organisierte Verbrechen in Rio de Janeiro verknüpft sind. Die neue Regierung unter dem Sozialdemokraten Luiz Inácio Lula da Silva scheint sich anders als ihre Vorgängerregierung der Verantwortung bewusst zu sein, den Mord aufzuklären.

Lula berief Anielle Franco, die Schwester der ermordeten Stadträtin, zur Ministerin für igualdade racial (Antirassismus). Franco äußerte sich noch am Montag zu den neusten Ermittlungsergebnisse: Diese stellten einen „wichtigen Schritt“ dar, für ihre Familie sei der Fall aber noch weit davon entfernt, aufgeklärt zu sein.

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1 Kommentar

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  • Hinterher wird durchaus auch juristisch aufgeklärt wie in Honduras der Mord an Berta Caceres. Aber die Strukturen, die den Gewaltpegel aufrechterhalten sind es, was soziale Gerechtigkeit verhindert.