Moorschutz in Schleswig-Holstein: Baggern gegen den Klimawandel

Mit zwei neuen Methoden sollen trockengelegte Hochmoore in Schleswig-Holstein wieder bewässert werden. Das Projekt könnte Tausende Tonnen CO2 binden.

Drei Bagger auf einem Feld

Das „Baggerballett“ bereitet im Königsmoor Flächen für die Vernässung vor Foto: Niklas Berger

CHRISTIANSHOLM taz | Dichte Nebelschwaden wabern über die Landschaft hinter Christiansholm, einem kleinen Dorf keine 30 Fahrtminuten von Rendsburg entfernt. Hier, im Herzen von Schleswig-Holstein, liegt das Königsmoor. Nur wenige Meter neben einem schmalen, in die Jahre gekommenen Asphaltweg werden zwei neue, vielversprechende Methoden zur Wiedervernässung des Moors eingesetzt.

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Entwässerte Moore sind nämlich Klimakiller. Sieben Prozent aller Treibhausgas-Emmisionen in Deutschland gehen von ihnen aus, weiß Hans Joosten, emeritierter Professor für Moorkunde an der Universität Greifswald. In ganz Deutschland sind das sechs Millionen Tonnen CO2 im Jahr. Um die Emissionen zu stoppen, müssen die Flächen wieder unter Wasser gesetzt werden.

Das 2.000 Hektar große Königsmoor wurde 1915 trockengelegt, um die Flächen für die Landwirtschaft nutzbar zu machen. Die Birken, die in Grüppchen zwischen Grasbüscheln und dem hauchdünn gefrorenen Wasserspiegel stehen, sind typisch für solche Gebiete. „Birken sind ein Bild, das man mit dem Moor verbindet“, sagt Gerrit Werhahn, der die Renaturierung für die Stiftung Naturschutz koordiniert. „Aber eigentlich sind sie ein Zeichen der Austrocknung.“ Dass man Birken und Moore trotzdem miteinander verbindet, liegt daran, dass nur noch fünf Prozent der Moore in Deutschland nass sind.

In Christiansholm möchte das Land nun mit gutem Beispiel vorangehen und das Königsmoor Stück für Stück renaturieren. Die Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein erwarb die ersten Flächen dafür schon 1989. Ein Problem, das sich beim Wiedervernässen von Hochmooren aber oftmals zeigt: „Die guten Flächen, die noch Heidevegetation haben, sind deutlich oberhalb der Grünlandflächen. Das war hier etwa ein halber Meter Höhenunterschied“, sagt der Ingenieur Holger Mordhorst-Brettschneider. Das Moor hat also gar keine Chance, das Wasser zu halten – es fließt einfach ab.

Um das Problem zu lösen, hat Mordhorst-Brettschneider eigens zwei Techniken entwickelt, die das Wasser an Ort und Stelle halten sollen: Torfdichtwände und Torfdichtbahnen. Der Torfwall, auf dem er steht, ist so eine Torfdichtwand. Sie gibt bei jedem Schritt nach. Bleibt man zu lange stehen, sinkt man an einigen Stellen langsam ein.

Der gewünschte Wasserstand ist bereits erreicht

Die Torfdichtwand ist weitaus mehr als ein einfacher Erdwall. Bei einfachen Dämmen kann das Wasser unterhalb des aufgeschütteten Torfs durchströmen. In der von Mordhorst-Brettschneider entwickelten Torfdichtwand wird dagegen ein dichter Kern aus Torf geschaffen, der bis zu 2,5 Meter tief in den Boden reicht, bevor der Wall aus Torf aufgesetzt und für eine bessere Abdichtung mit Baggerketten und Schaufeln komprimiert wird.

Fertiggestellt wurden die Wälle im November 2021. Je nach Wetterlage steht das Wasser dann schon nach einigen Wochen. In diesem Abschnitt des Moors ist der gewünschte Wasserstand bereits erreicht. Sobald das Hochmoor wieder nass ist, wird kein CO2 mehr emittiert. Bis sich die Hochmoorflora wieder im großen Stil ausbreitet und Kohlendioxid bindet, dauert es allerdings noch Jahrzehnte.

Wenige hundert Meter weiter werden neue Flächen für die Vernässung vorbereitet. Von hier aus kann man drei Baumaschinen beim Torfaufschichten beobachten. Weil das so flott und synchron geschieht, hat das Trio den Kosenamen „Baggerballett“ bekommen. Meter für Meter werden neue Torfdichtwände geschaffen.

Inzwischen brechen erste Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke und Vogelgesang kündigt den Anbruch des Frühlings an. Melanie Schubert trägt eine Fellmütze und ein großes Fernglas um den Hals. Sie arbeitet im Planungsbüro von Holger Mordhorst-Brettschneider und erklärt die zweite Methode, die sie und ihre Kol­le­g:in­nen entwickelt haben: Torfdichtbahnen. Die sind noch so neu, dass eine Internetsuche dazu kein einziges Ergebnis liefert.

Jeder Hektar hält 29 Tonnen CO2 gebunden

„Die Bahnen haben wir gerade hier in den höheren Teilbereichen eingesetzt. Das ist eine Folie, die man auch zum Abdecken von Müllbergen nutzt, die zersetzt sich nicht“, erklärt Schubert. Die Folie wird mit einem Pflug vertikal in den Boden eingebracht, das Moor so wenig wie möglich in Mitleidenschaft gezogen und an gefährdeten Stellen der Wasserstand gehalten.

Bis heute sind mit Torfdichtwänden und Torfdichtbahnen schon 410 Hektar des Königsmoors wiedervernässt. Warum die beiden vielversprechenden Technologien aber nicht überall so gut funktionieren, erklärt Holger Mordhorst-Brettschneider am Ende des Rundgangs: „Die Moore sind woanders ganz andere als hier. In Niedersachsen gibt es zum Beispiel viele Schwarztorfmoore. Wir haben überwiegend Weißtorfmoore. Man muss die Methoden auch immer an die Situation anpassen. Jedes Moor ist ein eigenes Individuum.“ Es gebe von anderen Bundesländern aber durchaus Interesse an den Entwicklungen und Erkenntnissen aus Schleswig-Holstein.

„Grünland aus der Nutzung zu nehmen und wieder zu einem naturnahen Moor zu machen – das passiert in den anderen Ländern deutlich weniger. Da haben wir die Nase vorn“, sagt Gerrit Werhahn. Jeder Hektar der Vernässung hält 29 Tonnen CO2 gebunden, die ansonsten in die Atmosphäre gelangt wären.

Am Königsmoor könnte sich das ein oder andere Bundesland ein Beispiel nehmen. Für Werhahn und die Stiftung Naturschutz steht jetzt ein neues Projekt vor der Tür. In Kooperation mit der Christian-Albrechts-Universität Kiel und mit 12,4 Millionen Euro Förderung des Bundes läuft seit Januar das Pilotprojekt „Klima-Farm – Ökonomisch und ökologisch tragfähige moorbodenerhaltende Grünlandbewirtschaftung“ als Teil der „Moore mit Zukunft“ an.

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