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Monumentale StatueProvozierte Professoren

„Die Mutter“ von Ernst Gorsemann, Rektor der Nordischen Kunsthochschule, kehrt an die HFK zurück – als Anstoß, sich mit Geschichte zu beschäftigen.

Provoziert: Gorsemanns „Mutter“. Bild: Archiv

1,7 Tonnen Stein kann man nicht wegdiskutieren. Seit gestern steht im Speicher XI, dem aktuellen Sitz der Bremer Hochschule für Künste (HFK), wieder Ernst Gorsemanns Monumental-Statue „Die Mutter“. Gorsemann war Professor für Bildhauerei an der Nordischen Kunsthochschule, zeitweilig sogar deren Rektor – einer Einrichtung, die 1934 mit dem Auftrag gegründet wurde, einen neuen, „rassisch beseelten“ Kunstbegriff zu schaffen. Aus der Nordischen Kunsthochschule entstand die heutige HFK.

Die bedurfte eines beherzten Anstoßes von Außen, um sich mit ihrer Gründungsgeschichte auseinanderzusetzen. Der Kölner Historiker Hans Hesse hatte das Schicksal des 1945 hingerichteten Kurt Elvers erforscht, der als Student der Nordischen Kunsthochschule (NKH) von Kommilitonen wegen „Defätismus“ denunziert worden war. So stieß Hesse auf die lange für verschollen erklärten Akten der NKH im Bremer Staatsarchiv. Doch während sich die Hochschulleitung seither für eine Aufarbeitung ihrer Geschichte stark macht, zeigt sich der weit überwiegende Teil des Lehrkörpers wenig interessiert – was auch für die Studierenden gilt.

Gorsemanns „Mutter“, die bis 1945 auf der Altmannhöhe hinter der Kunsthalle stand, ist ein Schlüsselwerk der NS-Bildhauerei, sagt Arie Hartog. Der Skulpturen-Experte und Direktor des Gerhard-Marcks-Hauses hält die „Mutter“ für „eine der ersten genuinen Stein-Skulpturen des ,Dritten Reichs‘“, für einen wegweisenden „Versuch, die Ästhetik des neuen Staatswesens in Stein zu formulieren“. Vor der „Mutter“, die eine Kriegerwitwe darstellt, steht eine heroische Knabengestalt – bereit zur Nachfolge des „gefallenen“ Vaters.

Schlüsselfunktion

Auch für die NKH sei die „Mutter“ ein Schlüsselwerk, sagt Hartog. Eine Schlüsselfunktion kommt ihr ebenso in dem Prozess zu, in dem sich die HFK derzeit zur Gewinnung einer Position zu ihrer Gründungsgeschichte befindet. Die Statue wurde zum Stein des Anstoßes: Nachdem Hartog sie vergangenen Frühling schon einmal im Eingangsbereich der Kunsthochschule aufstellen ließ, gab es äußerst erregte Reaktionen. Der Rektor wurde seitens einiger Professoren mit Protestmails eingedeckt – auch, weil der Verweis auf die eigene Institutionsgeschichte offenbar nicht verstanden wurde. Es gab sogar die Drohung, das Werk zu beschädigen. Obwohl auch Zuspruch hörbar wurde, ließ Hartog die „Mutter“ nach drei Monaten vorsichtshalber aus der Hochschule entfernt.

„Diese Provokation hat fast zu gut funktioniert“, sagt Susen Krüger Saß. Die Kunsthistorikern hat gemeinsam mit Hartog ein Seminar an der HFK angeboten, in dessen Rahmen sich erstmals Studierende mit der Gründungsgeschichte ihrer Hochschule beschäftigten, auch bildnerisch. Drei mit Bezug auf Gorsemanns „Mutter“ entstandene Arbeiten werden am Wochenende bei den Hochschultagen ausgestellt. Auch die temporäre Gorsemann-Rückkehr ist an die Hochschultage gekoppelt – und auf sie begrenzt.

Krüger Saß sitzt derzeit an einer Studie über die NKH, im Herbst soll das knapp 200-seitige Werk erscheinen. „Das hätte opulenter sein können“, sagt die Wissenschaftlerin. Allerdings scheiterte ein Vorstoß, gemeinsam mit der Bremer Universität ein größeres Forschungsprojekt zu ermöglichen. Immerhin finanzierte die HFK einen einjährigen Forschungsauftrag.

Verstreute Quellen

Die Quellen zur Nordischen Kunsthochschule sind sehr verstreut, zum Teil lückenhaft. Krüger Saß hofft beispielsweise, noch mehr Klarheit über die rasche Entlassung von Fritz Mackensen als Rektor zu bekommen. Mackensen, bekannt als Mitbegründer der Worpsweder Künstlerkolonie, war 1934 mit hehren Worten zum Gründungsrektor ernannt worden. In einem umfangreichen Grundsatzpapier legte er die neuen rassischen Leitlinien fest, sieben Monate später wurde er allerdings abgelöst.

Nachfolger Gorsemann konnte sich, trotz seiner guten Beziehungen zum Gauleiter, an der intrigengesättigten Hochschule ebenfalls nur kurz als Rektor halten. Als Professor wirkte er bis Kriegsende. Zu Gorsemanns „Spuren“ zählt der bis heute vorhandene Keramik-Schwerpunkt. Auch der war Teil der damaligen Bestrebungen, eine „Synthese“ zwischen norddeutschem Boden und der „neuen“ Kunst zu schaffen.

Im Frühsommer, sagt Hochschulsprecher Ralf Schneider, würden auf einem Symposium die bisherigen Forschungen diskutiert.

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