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■ Momus I.

Die Geschichte von „Stars Forever“ beginnt mit einem Rechtsfall. Momus alias Nick Currie, 39jähriger Songwriter aus Schottland, seit längerem aber auch passionierter Elektronikfrickler, hatte ein Stück über Wendy Carlos geschrieben – eine Komponistin, die, als sie noch Walter Carlos hieß, mit einer Bach-Bearbeitung für Synthesizer (“Switched-on Bach“) bekannt geworden war und die sich später einer Geschlechtsumwandlung unterzogen hatte. Sie klagte, man einigte sich außergerichtlich auf ein Schmerzensgeld von 30.000 Dollar. Da der Vergleich das Label in die Pleite getrieben hätte, erinnerte sich Momus an das von ihm sehr verehrte 18. Jahrhundert und daran, wie Künstler damals zu Geld kamen. Am 1. Januar 1999 bot er über das Internet Songporträts für 1.000 Dollar das Stück an.

Die Rechnung war simpel: 30 Songs auf einer CD, und die Strafe war bezahlt. Die Bedingungen: Bezahlung vorab (“Der Song wurde erst geschrieben, wenn der Scheck gedeckt war“); alle Songs stellen die Persönlichkeit des Auftraggebers positiv dar; die Texte entstehen anhand einer Charakterisierung in 1.000 Worten, die der Auftraggeber verfasst; der Auftraggeber darf den Text einsehen, bevor der Song aufgenommen wird.

Die meisten der Auftraggeber sind Momus-Fans aus der ganzen Welt, ein Großteil aus Japan. Aber nicht nur: Ein Denkmal setzen lassen haben sich neben Plattenfirmen und Promotionagenturen auch Leute, die es eigentlich nicht mehr nötig hätten. So hat sich Jeff Koons einen Song gekauft. Der japanische Elektronikmusiker Cornelius ließ Momus seine beiden Katzen Cäsar und Nova porträtieren.

Momus gibt gern zu, dass er sich nicht die Mühe gemacht hat, die einzelnen Songs musikalisch ausdrücklich auf die jeweiligen Geldgeber zuzuschneiden. Trotzdem hat er sich bemüht, jedem Lied einen eigenen Charakter zu geben. Entstanden sind so kleine Miniaturen in meist gemäßigtem Tempo und mit der von Momus gewohnten brüchigen Melancholie.

Die entscheidende Arbeit fand in den Texten statt. Jeff Koons formulierte seine Vorstellungen davon, wie er porträtiert werden möchte, sehr konkret: „Just approach me as if I were a morning cereal box.“ to

Digitale Version des 18. Jahrhunderts: Momus als Sonnenkönig mit Augenklappe im „Dead or Alive“-Look der 80er Jahre

Foto: Promo/Bungalow Records

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