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Molkereilobby kritisiert MilchstreikVerschüttete Milch

Die Bauern schädigten mit Lieferboykott Image der Branche, sagt der Milchindustrie-Verband. Anstatt die Menge zu begrenzen solle man neue Einsatzmöglichkeiten für Milch finden.

Was tun mit der Milch? Bild: dpa

BERLIN taz | Die wichtigste Lobbyorganisation der deutschen Molkereien hat erstmals öffentlich den derzeitigen Streik von Milchbauern verurteilt. "Lieferboykott und Milch aufs Feld sprühen ist nicht der richtige Weg, um zu höheren Milchpreisen zu kommen", sagte der Vorsitzende des Milchindustrie-Verbands, Karl-Heinz Engel, beim sogenannten Weltmilchgipfel der Branche am Montag in Berlin. Engels Begründung: Die Bilder von solchen Protestaktionen könnten langfristig "das gute Image" des Sektors schädigen. Statt zu "destruktiven Maßnahmen" zu greifen, sollte die Milchwirtschaft mit neuen Produkten den Absatz erhöhen.

Die Molkereien in Engels Verband verarbeiten rund 95 Prozent der deutschen Liefermenge. Die Organisation liegt seit langem im Clinch mit dem Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM), dem rund ein Drittel der 97.000 Milchbauern angehören. Es sind vor allem die BDM-Mitglieder, die seit eineinhalb Wochen nicht mehr an die Molkereien liefern. Die Landwirte klagen, dass sie für ihre Milch nur die Hälfte der Produktionskosten erhielten. Sie verlangen, die Menge zu begrenzen, damit der Preis steigt. Die meisten Molkereien dagegen lehnen solche Regeln ab, um mehr exportieren zu können.

"Es ist unglaublich, dass sich der Milchindustrie-Verband nicht aktiv gegen die Entwertung des Produktes Milch wehrt", erklärte die ernährungspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Ulrike Höfken, im Gespräch mit der taz. "Die Molkereien wollen eben die Industrialisierung der Landwirtschaft."

Gegen diesen Trend hagelte es auch am Montag Proteste. Laut BDM-Chef Romuald Schaber schütteten Milchbauern in acht europäischen Ländern rund 40 Millionen Liter Milch auf ihre Felder. Vor einem Gebäude der EU-Kommission in Brüssel entzündeten sie ein Feuer und löschten dieses dann wieder mit Milch ("Die Sache brennt, Politik pennt"). Am Dienstag wollen Bauern in fast allen deutschen Landeshauptstädten Straßen blockieren.

Wie hoch die Streikbeteiligung ist, bleibt umstritten. Während Schaber von 25 Prozent der Bauern spricht, schätzt Molkerei-Lobbyist Engel die Quote nur auf "ein, eineinhalb, vielleicht zwei Prozent". Schaber: "Einzelne Molkereien haben schon Krisensitzungen, weil sie viel weniger Milch haben." In Frankreich und Belgien, wo die Bauernverbände anders als in Deutschland zum Streik aufrufen dürfen, liege die Beteiligung bei 45 Prozent. Einig sind sich Schaber und Engel jedoch darin, dass es keine Versorgungsengpässe für die Verbraucher gebe.

Auch vom Agrarexperten im SPD-Wahlkampfteam, Vize-Bauernpräsident Udo Folgart, kann der BDM sich nicht viel erhoffen. Statt einer Mengenregulierung forderte Folgart neue Subventionen: Der Staat solle überflüssiges Milchpulver so weit verbilligen, dass die Bauern es an ihre Kälber verfüttern könnten. Bäckereien und Speiseeis-Hersteller müssten Geld dafür bekommen, dass sie Butter statt pflanzlicher Zutaten benutzen.

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15 Kommentare

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  • T
    Tiggerchen

    Sehr geehrter Herr Stößer,

    Entschuldigung ICH trinke gerne Milch ich trinke sogar sehr gerne Milch, und von diesem Sojabräu wo auch Milch drauf steht wird mir übel.

    Und ich denke sogar Sie dürften mit der Aussage übereinstimmen das es bei den klein und mittelständischen Bauernhöfen den Kühen immer noch besser geht als in den Agraindustriellen Anlagen. Zweitere können mit den derzeitigen Milchpreisen arbeiten, erstere nicht.

    Also schön aufhören aufzuregen und ne "politisch Korrekte" Flugmango aus was weiß ich woher mampfen.

     

    Btt:

    Die beste Idee wäre es wohl wenn die Molkerein einfach mehr für die Milch bezahlen würden. Kann mir doch keiner Erzählen das Millionen Milchtrinker in deutschland keine Milch mehr Kaufen würden wenn die 20 30 oder sogar 50c teuer würde.

    Jaja ich weiß so läuft das in unserer Geselschaft nicht aber man wird ja noch träumen dürfen.

  • PI
    P. Ilmenau

    Welches ist der höchste Gipfel der Welt?

    ..richtig, der Milchgipfel!

     

    Und warum heißt der "Milchgipfel" Milchgipfel?

    ..weil alles einen Namen haben muss!

     

    Und warum muss alles einen Namen haben?

    ..damit es wichtig klingt und der gemeine Verbraucher sich nur auf Seiten der Lobby oder Bauern stellen braucht!

     

    Und was bringt DAS?

    Man braucht nicht mehr nachdenken!

  • AS
    Achim Stößer

    Grotesk: weil die professionellen Tierausbeuter und Drüsensekretdealer ein paar Cent mehr wollen, sollen nun weitere tierausbeutungsfreie (vegane) Produkte mit dem weißen Blut kontaminiert werden?

     

    Die Bauern sollen endlich aufhören mit ihren Mordsgeschäften und Nahrungsmittel(grundstoffe) anbauen - nicht nur für Silch (http://silch.de/pflanzenmilch)

  • H
    Hartz-IV-Empfänger

    Es ist wirklich schade, dass die Bauern vom Preis ihrer Produkte nicht leben können. Doch fragt jemand von den Super-Journalisten nach wie die Gewinne der Bauern in den letzten beiden Jahren waren, als die Milchpreise zwischen 35 und 40 cent/kg waren?

    Und wieso produzieren die deutschen Landwirte mehr Milch, als in den Vorjahren, wenn sich die Produktion doch nicht lohnt? Das verstehe ich nicht.

    Die EU kann zwar die Milchquoten erhöhen, doch deswegen muss man noch lange nicht die Milch erzeugen. So weit ich weiß haben die Milchbauerrn eine große Milcherzeugergemeinschaft oder Milch Board gegründet, warum regelt man darüber nicht die Menge. Die Politik kriegt es eh doch nichthin.

  • B
    Betroffener

    Es würde nur eine Staatliche regulierung des Milchpreises gekoppelt an eine zb pro Kopf mengen Produktion etwas helfen. Dardurch würden unnötige Subventionen erspart bleiben!

     

    Ich möchte daran erinnern, dass nicht nur Lebensmittel produziert werden, sondern auch unsere Kulturlandschaft von jedem einzelnen Landwirt erhalten wird!

  • S
    Sonstwer

    So ein Schwachsinn - Milchpulver wieder an Kälber verfüttern - wieso nicht gleich die Milch, ohne weitere Ressourcen zu verschwenden. Die einzige Lösung: weniger produzieren.

  • A
    Anna

    Wie schon in den Entwicklungsländern vor langer Zeit geschehen, soll die Nahrungsproduktion in die Hand der Mächtigen, bald haben sie es geschafft! Wenn dann auch noch nach einiger Zeit das landwirtschaftliche Wissen bei den Bauern verloren gegangen ist, gibts es so schnell kein zurück mehr. Wir Verbraucher sollten uns darüber im Klaren sein, dass die Landwirtschaft der einzige Bereich ist, von dem wir wirklich abhängig sind. Klein- und Mittelständische Bauern sind Grundlage für ein freies Land. Subventionen für Milchexporte an die Konzerne machen Mittelständische und Kleinbauern auf der ganzen Welt kaputt. Wir Verbraucher sollten die Bauern unterstützen, vielleicht ist dann noch was zu retten.

  • MW
    Morning Whistler

    Mensch, Klasse Idee: Outdoor-Baden in der Kuhmilch. Die perfekte Wellness-Oase für die Unterschichtlerin von heute.

     

    Nach der Kür im Bundestag entsteigt Frau M.

    im quietschgrünen Bikini mit kakaobrauner Badehaube einem luxuriösen, großflächigen Milchschaumbad und nimmt die Huldigungen der vereinten Milchlobbyisten gnädig entgegen:

    Merkel Macchiato !

     

    Kabinettssitzungen künftig nur noch am Milchsee (hieß früher Wannsee).

     

    Öffentliche Chlorwasserbäder werden mittels Kuhmilch in längerfrische Wellnessoasen für durstige Hartz-IV-Mütter umgewandelt.

     

    Und was man da Chlor sparen könnte,

    und erst recht an Verpackungsmüll !!!

  • B
    Betti

    Recht haben sie, die Milchbauern!

    Was in der BRD schon nicht klappt, geht in der EU erst recht nicht. Wenn die Menge von oben nicht begrenzt wird, muß man es eben von unten tun. Und ein Milchstreik ist der Anfang dazu!

    Warum sollten selbständige Landwirte weniger Rechte haben als Arbeiter und Angestellte, die ja durchaus für tarifliche Ziele, also ihr Einkommen, streiken dürfen???

    Dem Image übrigens schaden höchsten zu niedrige Schleuderpreise, wenn hochwertige Milch billiger ist als Wasser mit Farbstoff, Zucker und Aromen oder so...

    Ich wünsche den Bauern Einigkeit. Erst ein paar aufmerksamkeitserregende Aktionen zur direkten Milchreduzierung, dann ein paar mehr Rinder schlachten und irgendwann ist die Produktionsmenge so gedrosselt, daß wieder ein vernünftiger Preis zu erzielen ist...

    So sollte das sein in einer Marktwirtschaft. Also: weiter so und viel Erfolg!

  • K
    Kerstin

    Tolle Idee Herr Folgart... Die Forderung weiterer Subventionen und Exporterstattungen die dem Staat und dem Steuerzahler sinnloses Geld kostet und niemandem Hilft außer der Industrie... Was kommt hiervon beim Bauern an? NICHTS!!!

    Und solche Leute sitzen im Bauernverband und im Agrarausschuß... da muß es ja bergab gehen mit der Landwirtschaft...

    Wieviel Macht und Einfluss solche Leute haben stellt man ja immer wieder fest aber wie heißt es so schön? Wahltag ist Zahltag oder besser wie es momentan überall zu lesen ist: Wer Bauern quält wird nicht gewählt!!!!!!

  • IN
    Ihr Name Claudia Risch

    Wenn man das Gehalt von Herrn Karl-Heinz Engel dem aktuellen Milchpreis anpassen würde, würde er sich für "seine" Bauern einsetzen.

  • B
    Bernhard

    "In Frankreich und Belgien, wo die Bauernverbände anders als in Deutschland zum Streik aufrufen dürfen" - so steht es hier vermutlich sachlich richtig geschrieben.

     

    Die Franzosen (von Belgiern weiß ich wenig) sind ein aufgewecktes Volk, wie sie es schon 1789 bewiesen haben. Die Deutschen inkl. Bauern hätten wohl damals an den König geschrieben: "Wir bitten alleruntertänigst um Erlaubnis, eine Revolution machen zu dürfen."

     

    hätten geschrieben - nein, sie schreiben es immer noch, nicht nur die deutschen Bauern, auch die deutschen Gewerkschaften bitten doch tatsächlich die Obrigkeit um Erlaubnis, streiken zu dürfen, obwohl es doch in einer Demokratie gar keine andere Obrigkeit als das Volk gibt, möchte man meinen.

  • KS
    kleiner Spinner

    Leute, sagt mir bitte, dass das Satire ist! Das hier:

     

    "Anstatt die Menge zu begrenzen solle man neue Einsatzmöglichkeiten für Milch finden."

     

    ist ja schon grenzwertig, aber das:

     

    "Der Staat solle überflüssiges Milchpulver so weit verbilligen, dass die Bauern es an ihre Kälber verfüttern könnten."

     

    klingt wie eine Reportage aus dem Irrenhaus.

  • V
    Verbraucher

    Das ist doch alles Wahnsinn: Nachdem die EU nun langsam davon abrückt durch den Export von Pulvermilch Milchbauern in der 3. Welt Existenzgrundlage zu zerstören, wird nun gefordert das Pulver subventioniert an Kälber zu verfüttern, die dann ihrerseits Milch(pulver) produzieren können. Weiß die Bauernlobby eigentlich noch was so ein Kalb natürlicherweise zu sich nehmen würde?

    Zumal Aktionen wie das wegschütten von Millionen Litern Milch, immerhin ist das ein Lebensmittel, nicht gerade dazu beiträgt, dass ich mich als Konsument, wie gefordert, solidarisiere.

    Letztlich wird nur die Möglichkeit bleiben die Prduktion auf ein marktverträgliches Niveau zu senken, was ja in Hinblick auf die klimatischen Auswirkungen der Viehhaltung auch nicht das schlechteste wäre; So bitter eine berufliche Neu-/Umorientierung für den betroffenen Bauern auch sein mag.

  • L
    libertador

    Mal wieder ein blödsinniger Ruf nach mehr Subventionen, also unter ökologischen Gesichtspunkten.