Molkereiboykott: Die Milch machts noch
In den Regalen der Supermärkte gibt es fast überall noch genug Milch. Allerdings bleibt bei einigen inzwischen der Nachschub aus.
18 Paletten Frischmilch liegen im Regal der Lidl-Filiale am Kreuzberger Moritzplatz. "Wenn die weg sind, gibt es keine mehr", sagt der Filialleiter. Der Streik der Milchbauern, der in der vergangenen Woche begann, habe die Lager der Filiale leer gefegt. Panikkäufe gäbe es deswegen jedoch nicht. Es werde nicht mehr Milch gekauft, bestätigt der Filialleiter.
Claudia Lück, die gerade den Discounter verlässt, hat sogar vergessen, Milch einzukaufen. Am vergangenen Freitag habe sie zwar zwei Liter Milch auf Vorrat gekauft. "Inzwischen habe ich aber gesehen, dass die Situation nicht so wild ist, wie sie gerne dargestellt wird", sagt die Mutter und Ärztin.
Dem stimmt Charlotte Kremer auf dem Parkplatz vor der Filiale zu. Die Rentnerin hat sich durch die Schlagzeilen einiger Medien beeindrucken lassen, erklärt sie. "Wir haben immer einen kleinen Vorrat zu Hause. Und falls es wirklich zu einer Knappheit kommt, ist das nicht schlimm. Ich brauche nicht unbedingt Milch."
Auch Studentin Tatjana Jung sieht die Lage entspannt: "Zwar mag ich Milch. Wenn sie aber alle ist, kann ich auch was anderes trinken." Die Studentin hat sich gerade drei Liter H-Milch in der Aldi-Filiale an der Charlottenstraße in Kreuzberg gekauft. "Ich gehe nicht davon aus, dass unsere Kühlregale bald leer sind", sagt ein Verkäufer. Zwar würden die Kunden sich mehr Milch in die Einkaufswagen laden; wirklich knapp werde sie dadurch aber nicht. Er selber habe hingegen in der Filiale eines Konkurrenten in Steglitz beobachtet, dass die Regale am Wochenende leer waren. "Das ist eigentlich nicht normal", meint er.
Vor leeren Regalen fürchtet sich hingegen Michael Siebenmorgen. Während er an der Kasse der Kaisers-Filiale am Kottbusser Tor steht und seine drei Liter Milch bezahlt, bekundet er: "Ich trinke gerne Milch und Kaffee. Als ich heute die Zeitung las, bewogen mich die Schlagzeilen, früher als sonst Milch kaufen zu gehen." Und falls sich ein Versorgungsengpass ernsthaft andeutete, würde der Sozialarbeiter aus Kreuzberg auf jeden Fall "Milch horten". Die Regale der Filiale waren zu dem Zeitpunkt prall gefüllt.
"Das ist alles pure Panikmache", findet Erodir Barges. "Ich kann nicht verstehen, warum die deutschen Bundesbürger so hysterisch sind. In Afrika wird gehungert und hier regen sich schon alle wegen eines angeblichen Milchengpasses auf", sagt Barges, der für Rentner Einkäufe erledigt. Er kaufe in vielen Supermärkten im Süden Berlins ein und habe noch nirgends ein leeres Regal gesehen, berichtet er, während er drei Liter laktosefreie Milch in seiner Tasche verstaut, die er bei Plus an der Prinzenstraße erworben hat. "Ich komme mir vor wie im Krieg. Die Leute glauben wirklich alles."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!