piwik no script img

Molkerei spart FahrereiFrische Biomilch sieht alt aus

Bei den Biobauern wird die Milch ab November nur noch alle drei Tage abgeholt. Klingt unappetitlich? Für Verbraucher ist das kein großes Problem, für die Landwirte schon

Dem Nachwuchs schmeckt's weiterhin, den Bauern aber nicht so... Bild: dpa

MILCHGESCHMACK

Die Bio-Molkerei holt die Milch nur noch alle drei Tage vom Bauern ab. Ändert sich der Geschmack? Jutta Jaksche vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv): "Nein, für die Qualität, die beim Verbraucher ankommt, ist es egal, ob die Milch beim Bauern, in der Molkerei oder im Supermarkt gekühlt wird." Für sie gibt es ein anderes Problem. Name: ESL-Milch - für Extended Shelf Life Milch, also für Milch mit längerer Standzeit im Regal. Marketingleute sagen "Längerfrische" oder "extra langer Frischegenuss". Das Produkt schmeckt wie Frischmilch, aber die Vitamine sind fast alle raus. Mit der ultrahocherhitzten H-Milch hat die ESL-Milch zwar nichts zu tun, hoch erhitzt wird sie aber auch. ESL-Biomilch ist aufgekommen, als Discounter und andere konventionelle Ketten Bioprodukte in die Regale genommen haben. Edeka, Lidl und Co machen sich die Mengenkalkulation einfacher: Die ESL-Milch hält drei bis vier Wochen. HG

BERLIN taz Auf dem Etikett der braunen Milchflasche der Biomolkerei Söbbeke prangt das Wort "Frische Vollmilch". Dabei hört sich das irgendwie alt an: Die Milch, die die Ökokühe geben, wird ab November nur noch alle drei Tage von der Molkerei aus dem Münsterland abgeholt. Dann erst wird sie in die Flasche gefüllt oder auch zu Quark verrührt und in Käse verwandelt.

Bislang fahren die Milchlaster bei Biobauern mindestens jeden zweiten Tag vor. Konventionelle Molkereien - etwa die größte unter ihnen: Campina - machen das schon länger anders. Söbbeke aber ist die erste Biomolkerei, die sich Touren spart.

"Wir haben ein Einzugsgebiet von der Nordsee bis zur Eifel", erklärt Andreas Nissen, Prokurist bei Söbbeke. Um alle Lieferanten abzuklappern, müssten sie 6.000 Kilometer fahren. Diese Tour sei bisher 182 mal im Jahr fällig, ab November nur noch 122 mal. Anders gesagt: Derzeit machten die Transportkosten bei einem Liter Milch vier Cent aus, demnächst seien es nur noch drei. Nissen meint: "Für den Kunden ändert sich dadurch nichts." Die Qualität bleibe.

Biobauer Friedrich Ostendorff sieht das anders. Er liefert seine Milch an Söbbeke. Zugleich ist er Agrarsprecher des Umweltverbandes BUND. Ostendorff: "Milch, die nach drei Tagen im Tank und mindestens einen Tag in der Molkerei verkauft wird, hat den Namen Frischmilch nicht verdient." Der Kunde erfährt freilich nicht, wie lange die Milch vom Bauern zur Molkerei zum Laden braucht. Auf der Verpackung gibt es nur ein Verfallsdatum. An der Haltbarkeit soll sich aber auch gar nichts ändern. Normal sind bei pasteurisierter, also durch Erhitzen in der Molkerei keimfrei gemachter Milch bis zu zwölf Tage, ab Melken.

Das funktioniert aber nur, wenn die Milch schon auf dem Hof gut gekühlt wird. Darum haben nun vor allem die Biobauern ein Problem. Sie sind nicht darauf eingestellt, viel Milch kalt zu stellen: Der alte Milchtank ist zu klein, die Kühlung zu schwach.

Ostendorff hat einen Hof mit 28 Kühen. "Ich muss mindestens 10.000 Euro investieren", sagt er. Einen neuen Tank kann er sich nicht leisten, er kauft ihn gebraucht, für 5.000 Euro. Ohne weiteres kriegt er ihn nicht in seiner Milchkammer unter. Er wird in diesen Tagen die Tür und die Wände "aufkloppen", wie er sagt. Die weißen Kacheln werden kaputt gehen. Er wird neu fliesen, dazu kommt eine neueKühlung.

Andreas Nissen von Söbbeke findet, der Aufwand lohne, die Ökomilch werde ökologischer: "Wenn der Milchtanker weniger Kilometer fährt, hilft das dem Klima." Ostendorff entgegnet: "So eindeutig ist das nicht, meine größere Kühlung frisst mehr Strom." Ein Studie dazu gibt es nicht. Fest steht: Die anderen Söbbeke-Lieferanten bauen ähnlich um.

Geld haben sie dafür alle nicht. Sie kriegen derzeit 46 Cent pro Liter. Das ist mehr als die herkömmlichen Bauern bekommen. Doch der Ökohof macht auch mehr Arbeit. "Wir bräuchten 50 Cent pro Liter, allein um laufende Kosten zu decken", sagt Ostendorff. Die sind derzeit nicht drin.

Die Söbbeke-Molkerei stellt den Bauern zinslos Geld zur Verfügung und verspricht 46,5 Cent pro Liter. Nissen: "Unser Vorgehen ist mit den Bauern abgesprochen. Wir wollen uns nicht bereichern." Es gehe darum, wirtschaftlich zu bleiben. Die Molkerei kassiere immer weniger, vom Handel. Die Flasche "Frische Vollmilch" gibt es auch im Bioladen mittlerweile im Sonderangebot.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

10 Kommentare

 / 
  • IN
    Ihr Name Simon

    Ich verstehe nicht, warum Bio-Milch und andere Bio-Produkte teurer sein sollen als konventionelle?

    Bio-Bauern sparen sich doch die Pestizide und Kunstdünger, und dieses Zeugs wäre so teuer geworden.

    wer kann mir das erklären?

  • KJ
    Knud Jahnke

    Die Aussage, dass "längerfrische" Milch genauso schmecke, wie Frischmilch stammt wahrscheinlich nur aus den Werbebroschüren der Molkereien. Mir stellen sich dabei die Nackenhaare auf - die schmeckt genauso schlimm wie H-Milch.

  • F
    Frank

    Kuhmilch ist ein Eutersekret, das in der Mutterkuh zur Aufzucht des Kalbes gebildet wird.

    Es kann nichts Ökologisches daran sein, die Umwelt auf vielfältige Weise zu ruinieren, um damit Menschen, die nur im Säuglingsstadium Menschenmuttermilch brauchen,zu füttern. Wann machen aufgeklärte HändlerInnen und VerbraucherInnen diesem Schwachsinn ein Ende ? Wir verkaufen jedenfalls weder Kuhmilch noch Milchprodukte und lassen uns von den vielen verdutzten KundInnen dafür auch noch ganz ruhig blöd ankucken - basta.

  • V
    vic

    Ich trinke nur "H". Schmeckt auch nicht anders, finde ich (von Berchtesgadener Land). Ich habe dort schon angefragt, wieviel sie ihren Bauern für den Liter bezahlen, und nun werde ich wieder fragen wie sie`s mit dem Umweltschutz halten.

    Mal sehen.

  • H
    Heinz-Jürgen

    In den letzten Jahren haben viele kleine Molkereien aufgehört, da sich das angeblich im kleinen Maßstab nicht rechnet, das liegt oft an ausufernden bürokratischen Vorschriften, oft aber auch an unprofessioneller Betriebsführung oder Qualitätsproblemen und anschließender Abstrafung durch die Endkunden.

    Die Bauern verkaufen seit dem nach und nach alle Ihre Milch an Söbbeke.

    Probier doch einfach mal jemand eine Bio-Molkerei aufzumachen in Nordwestdeutschland....

  • EJ
    Elke Jacobi

    Ich verstehe eigentlich nicht, wieso die Bauern derzeit keinen vernünftigen Preis für ihre Milch bekommen sollen.

    Es war und ist doch gerade eines der Ziele des Biolandbaus den Bauern einen fairen Preis zu zahlen.

    Und warum zahlt Söbbeke den nicht? Wegen Kapitalismus oder was?

    Bernie hat völlig recht: "Unser" Wirtschaftssystem ermöglicht eben keine ökologische Landwirtschaft. Alles nur (faule?) Kompromisse.

  • J
    jan

    Nicht vergessen: Milch ist eigentlich Nahrung für Kälber!! Für den Menschen völlig entbehrlich,

    bzw. sogar schädlich....

  • JS
    Jens Schlegel

    "Wir haben ein Einzugsgebiet von der Nordsee bis zur Eifel" Kurze Wege, regionale Vermarktung waren einst ein Gedanke der Bio-Bewegung - und eine Lösung des Problems.

  • B
    bernie

    das spricht doch für eine stärkere regionalvermarktung - wie auch immer das möglich ist. dafür gibt es sicher mehrere ansätze, z.b. durch food.coops, die gezielt versuchen, regionale produkte zu bekommen, teilweise die milch sogar mit dem fahrrad abholen.

     

    für regionale vermarktung spricht auch, dass das mit pferdewagen besser möglich ist. denn so einer wäre auch umweltfreundlicher, als ein lkw, noch dazu wenn die räder mit eisen statt mit gummi ummantelt sind; denn der reifenabrieb eines jeden herkömmlichen lkw belastet das grundwasser mit cadmium, in kleinen mengen, aber schwermetalle sind eben auch in kleinen mengen schon sehr ungesund (für alle lebewesen mit nervenzellen zumindest).

     

    oder mehr käse statt frischmilch konsumieren ...?

    (wenn nicht sowieso sich mehr 'vegan' ernähren)

  • M
    Melissa

    Da sieht man wieder mal, dass unser Wirtschaftssystem und Umweltfreundlichkeit nicht zusammenpassen und auch nie zusammenpassen werden. Die einzige Möglichkeit für biologische Lebensmittel, die die Umwelt schonen, ist es, die Milch bzw. Gemüse usw. regional zu vertreiben. Da muss der Milchliferant dann nicht durch ganz Deutschlad fahren, und die Milch kann täglich geholt werden. USW...