Mögliches Projekt für Jamaika-Koalition: Elektrisierende Hoffnung
Der ernst gemeinte Ausbau der E-Mobilität könnte ein gemeinsames Projekt für Jamaika sein, hoffen die Unterhändler. Aber so einfach ist das nicht.
![Viele Luftballons in den Farbn schwarz, grün und gelb an einem blauen Himmel Viele Luftballons in den Farbn schwarz, grün und gelb an einem blauen Himmel](https://taz.de/picture/2346926/14/19406375.jpeg)
Wenn die Unterhändler von Union, FDP und Grünen mit der Fahrbereitschaft des Bundestags zu den Sondierungsgesprächen erscheinen, ist die Chance vergleichsweise groß, dass sie in einem E-Mobil sitzen. Denn jeder vierte Wagen im Fuhrpark des Parlaments ist bereits ein Hybrid- oder ein reines Batterieauto. Weil in Deutschland aber nicht einmal jedes tausendste Auto allein mit Strom fährt, und weil Jamaika händeringend ein gemeinsames politisches Projekt sucht, könnten die E-Autos von einer neuen schwarz-gelb-grünen Regierung profitieren: Auf den schnellen Ausbau der Elektromobilität könnten sich alle Partner einigen. Zumindest in der Theorie.
Die Hoffnung der Fachpolitiker: Mit einem elektrischen Jamaika-Mobil könnten sie Wahlversprechen umsetzen und ein Zukunftsthema anpacken. Die Koalition hätte ein gemeinsames Projekt, wo sich ganz im Sinne der „Nachhaltigkeit“ Ökonomie, Ökologie und Soziales verbinden, dazu käme noch das sexy Thema Digitalisierung. Allerdings: Je näher man sich die Pläne ansieht, desto schwieriger erscheint die Realisierung.
„Für uns gelten nach wie vor die Forderungen aus der Nationalen Plattform Elektromobilität von 2010“, bestätigt Andreas Jung, Umweltpolitiker in der Unionsfraktion. Damals versprach auch Angela Merkel, bis 2020 eine Million elektrische Autos auf die Straßen zu bringen. Mittlerweile hat sie das Ziel einmal kassiert, dann aber wieder bestätigt. „Das E-Auto verbindet Technologie und Innovation und es stärkt den Standort Deutschland“, sagt Jung. „Wir sind uns einig, dass das Auto der Zukunft aus Deutschland kommen soll.“ Denkbar seien „staatliche Förderung, Hilfe beim Aufbau der Lade-Infrastruktur, aber keine Verbote“. Das zielt auf die grüne Idee, Verbrennungsmotoren in Neuwagen ab 2030 zu verbieten.
Da reagiert auch die FDP allergisch. „Eine Quote für E-Autos und ein staatlich festgeschriebenes Ende des Verbrennungsmotors wird es mit uns nicht geben“, sagt Michael Theurer, Vizefraktionschef und Experte für Wirtschaftspolitik. Die FDP setze auf „Autos, die sich am Markt durchsetzen“. Die gebe es bisher nicht. Und auch seinem Chef Christian Lindner würde es gefallen, „unwirksame und sozial unausgewogene Subventionen zu streichen, wie beispielsweise die für E-Autos“.
Gegenwind von ADAC und Bild-Zeitung
Auch sprechen die Liberalen lieber von „emissionsfreier Mobilität“, weil sie „technologieneutral“ bleiben wollen: Ob das saubere Auto mit Strom, Biomasse oder Brennstoffzelle fährt, soll für Theurer der Markt entscheiden. Aber E-Mobilität in den Städten und smarte Verkehrsführung (da käme das Lieblingskind der FDP zum Zuge, die Digitalisierung) seien ebenso möglich wie Steuervorteile für die Forschung. Hier entstehe ein „riesiges Geschäftsfeld“, so Theurer. „Die ökologisch-ökonomische Modernisierung muss mit konkreten Projekten beginnen, dann könnte Jamaika eine Zukunft haben.“
Mehr E-Mobilität wäre für die Grünen „ein ganz zentrales Projekt“, sagt auch Oliver Krischer, Verkehrsexperte der Fraktion. Über eine Quote oder ein Verbot des Verbrenners würde die Ökopartei wohl mit sich reden lassen. „Auf EU-Ebene wird ohnehin an einer Quote gearbeitet“, sagt Krischer. Er findet den norwegischen Weg viel interessanter: Der Staat sorgt dafür, dass elektrische Autos nicht teurer sind als Benziner oder Diesel.
Michael Theurer, FDP
Auch Krischer würde den industriepolitischen Aspekt nach vorn stellen: „Die Überschrift müsste sein: Eine Zukunft für die deutsche Autoindustrie.“ Dabei könnten FDP und Union mit ihrer Nähe zur Industrie bei den Unternehmen für diesen Standpunkt werben. Und für die Grünen ergäbe sich noch ein positiver Nebeneffekt: Der Ökostrom müsste schneller ausgebaut werden. „Bei steigender E-Mobilität wird der Strombedarf steigen, das geht nur mit Erneuerbaren“, sagt Krischer.
Skeptisch gegenüber den Träumen von einer E-Offensive einer Jamaika-Koalition ist dagegen Ferdinand Dudenhöffer. Für den Professor für Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg wird ein Durchbruch für E-Autos erst kommen, „wenn es eine stabile Nachfrage im Massenmarkt gibt“. Dafür brauche es eine Quote, die die Hersteller zu dem Verkauf emissionsfreier Wagen verpflichte, wie es China ab 2019 einführen will, sagt Dudenhöffer. Dann sollte die zuständige Behörde für Autozulassungen das Umweltamt statt wie bisher das Kraftfahrtbundesamt werden, um die Tests schärfer zu machen. Und vor allem müsste Jamaika die Subventionen für Dieselkraftstoff senken oder abschaffen, um den Elektroautos einen fairen Wettbewerb zu sichern. „Aber es gibt 15 Millionen Wähler, die Diesel fahren und das gäbe sicher Gegenwind vom ADAC und der Bild-Zeitung“.
Korrekturhinweis: In der ersten Version des Artikels war im dritten Satz zu lesen, nicht einmal jedes millionste Auto fahre mit Strom. Das war falsch und wir haben den Satz korrigiert. Wir bedauern diesen Fehler. (taz)
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