Mögliches Bootsunglück im Mittelmeer: Bis zu 400 Tote befürchtet
Bei einem Schiffsunglück im Mittelmeer sollen bis zu 400 Menschen ums Leben gekommen sein. Noch gibt es aber keine Bestätigung für das Ereignis.
Der Meldung zufolge sollen vor allem Somalier, Eritreer und Äthiopier an Bord gewesen sein. Nur etwa 30 Personen seien gerettet worden. Befürchtungen, dass es bis zu 400 Tote gegeben habe, habe auch der somalische Botschafter in Ägypten geäußert. Zudem habe ein BBC-Korrespondent in Kenia mit den Verwandten von drei jungen Somaliern gesprochen, denen zufolge die drei unter den Opfern waren.
Mit großer Zurückhaltung äußerten sich zunächst Vertreter Italiens zu der Meldung, auch wenn Staatspräsident Sergio Mattarella „angesichts der erneuten Tragödie, die Hunderte Opfer forderte“, zum „Nachdenken“ aufforderte. Außenminister Paolo Gentiloni dagegen erklärte vorerst nur, Italien sei bemüht, „vor allem von den ägyptischen Behörden weitere Informationen zu erhalten“.
Die Schuldigen hatte dagegen Matteo Salvini, Chef der rechtspopulistisch-fremdenfeindlichen Lega Nord, umgehend ausgemacht. „Weiteres Blut, das auf dem Gewissen der Menschhändler lastet“, verkündete er, „weiteres Blut, das auf dem Gewissen der angeblich guten Politiker lastet, die Komplizen der Invasion sind“.
Italien hebt Wrack von früherem Unglück
Sollte sich die Meldung bestätigen, dann hat diese Katastrophe auf den Tag genau ein Jahr nach der bisher größten Flüchtlingstragödie im Mittelmeer stattgefunden. Am 18. April ertranken in der Straße von Sizilien, 90 Seemeilen von der libyschen Küste entfernt, zwischen 700 und 900 Menschen. Von dem nur 30 Meter langen Kahn war wegen Manövrierproblemen ein Notruf an die italienische Küstenwache abgesetzt worden, die ihrerseits einen portugiesischen Frachter alarmiert hatte.
Als der sich dem havarierten Schiff näherte, drängten offenbar die Menschen an Bord alle auf eine Seite. Daraufhin kenterte das Schiff und sank binnen weniger Minuten. Nur 28 Menschen wurden damals gerettet.
Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi hatte seinerzeit erklärt, die Opfer dürften nicht namenlos bleiben, und versprach ihre Bergung, auch wenn das Schiffswrack in 400 Meter Tiefe liegt. Genau zu dem tristen Jahrestag machten sich am Montag italienische Einheiten auf, um mit der Hebung des Wracks und der Bergung der Opfer zu beginnen. Mit DNA-Analysen will Italien im zweiten Schritt die Identität möglichst vieler Toter feststellen.
„Europa versagt auf dem Mittelmeer“, erklärte der SPD-Bundestagsabgeordnete Lars Castellucci angesichts der neuen Katastrophenmeldung. Es sei „eine Schande, dass es bis heute kein europäisches Seenotrettungsprogramm gibt, mit dem das Massensterben verhindert werden kann“. Angesichts der Schließung der Balkanroute sei es absehbar gewesen, dass die Flüchtlinge wieder den Weg über das Meer suchen würden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Syrien nach Assad
„Feiert mit uns!“