Möglicher Militärschlag gegen Syrien: Obama verlängert Vorkriegszeit
Obama will Assad für den Einsatz von Chemiewaffen bestrafen – aber mit Zustimmung des US-Kongresses. Ob der grünes Licht geben wird, ist völlig offen.
WASHINGTON taz | Barack Obama verlängert die Vorkriegszeit: Der US-Präsident hält Militärschläge gegen Syrien für gerechtfertigt. Und ist bereit, sie im Alleingang durchzuführen. Aber bevor er damit beginnt, möchte er eine Ermächtigung beider Kammern des Kongress einholen.
Der entsprechende Resolutionsentwurf, den das Weiße Haus am Samstag an den Kongress geschickt hat, autorisiert den US-Präsidenten zur Entsendung seines Militärs, um den „Einsatz oder die Verbreitung von Chemie- und anderen Massenvernichtungswaffen zu verhindern oder davon abzuschrecken“. Und um „die USA und ihre Alliierten und Partner vor der Bedrohung durch diese Waffen zu schützen“.
Die Wende im Weißen Haus kam zwei Tage nach der britischen Entscheidung gegen eine Kriegsbeteiligung, und nachdem sowohl Nato als auch Arabische Liga ihrerseits eine Beteiligung abgelehnt hatten. Parallel zu dieser zunehmenden internationalen Isolierung wächst auch innerhalb der USA die Opposition gegen Militärschläge. Bis Samstag verlangten mehr als 200 Abgeordnete – sowohl DemokratInnen als auch RepublikanerInnen – dass der Präsident sie in die Entscheidung einbeziehe.
Abgeordnete beider Parteien zeigen sich von den Belegen für einen von der syrischen Regierung verantworteten Chemiewaffenangriff nicht überzeugt. Und bezweifeln, dass eine „unmittelbare Bedrohung für die USA“ vorliegt, die einen präsidentiellen Alleingang rechtfertigen würde.
Unklare Ziele
Unklar sind auch die Ziele von Militäreinsätzen. Die Obama-Regierung will die Assad-Regierung für einen Einsatz von Chemiewaffen „strafen“ und stellt einen Militäreinsatz als historische und moralische Verpflichtung dar. Sie versichert, es werde ein „zeitlich begrenzter Einsatz“ ohne US-SoldatInnen am Boden.
Doch Obama erklärte am Samstag nicht was „zeitlich begrenzt“ bedeutet, und wie die USA reagieren werden, wenn sich die Hostilitäten in der Region ausdehnen oder sich infolge ihres Eingreifens neue Fronten entwickeln. Eine Lösung des Konfliktes in Syrien müsse am Verhandlungstisch in Genf erfolgen müsse, so Obama.
Während der US-Präsident am Samstag sprach, demonstrierten KriegsgegnerInnen vor dem Weissen Haus. Ihre Rufe waren bis in den Rosengarten, wo Obama am Mikrofon stand – nicht aber in der Fernsehübertragung – zu hören. Unmittelbar nach Obamas Ansprache vereinbarten die AktivistInnen, in den nächsten Tagen umso stärker gegen einen Krieg zu mobilisieren. Sie wollen Druck auf Kongressabgeordnete machen, demonstrieren und Petitionen schreiben.
Kongressabgeordnete beider Parteien begrüßen die Entscheidung von Obama. Abstimmen werden sie erst nach dem 9. September, wenn ihre Sommerpause vorbei ist. Wie sie abstimmen, ist nicht vorhersehbar. Selbst im Senat, wo die DemokratInnen eine Mehrheit haben, ist es möglich, dass sich die KriegsgegnerInnen durchsetzen. Im Repräsentantenhaus haben die RepublikanerInnen die Mehrheit. Insbesondere ihre Abgeordneten vom Tea-Party-Flügel sind gegen Militärschläge. Zugleich finden sich in beiden Parteien BefürworterInnen der Einsätze.
Rote Linie nicht erwähnt
Obama hadert nicht nur mit wachsender Opposition gegen Militärschläge, sondern ist auch mit seiner außenpolitischen Haltung in der Vergangenheit konfrontiert. Noch 2007 hat er die militärischen Alleingänge der USA unter der Bush-Administration ohne die Zustimmung der UN kritisiert. Dass er nun selbst Militärschläge im Alleingang vorbereitet, steht dazu im Widerspruch.
Das zweite, viel bemühte Obama-Zitat dieser Tage ist die „Rote Linie“: Der Präsident hatte im Jahr 2012 gesagt, die USA würden in den Konflikt in Syrien eingreifen, wenn dort Chemiewaffen eingesetzt würden. KritikerInnen haben ihm bereits damals vorgeworfen, dass er sich damit selbst unter Zugzwang setzt.
In seiner Ansprache am Samstag erwähnte Obama die „rote Linie“ nicht. Hingegen spricht er von einer „internationalen Ordnung“, die er mit US-amerikanischen Militärschlägen gegen Syrien zu verteidigen gedenkt. Jedoch ignoriert er weitgehend die Vereinten Nationen. Offen bleibt, ob der US-Präsident das Votum das Kongress als bindend versteht. Auf die Frage, die eine Reporterin im Rosengarten ihm zuruft: „Was tun Sie, falls der Kongress nein sagt?“ gibt Obama keine Antwort.
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