piwik no script img

Möglicher Juncker-NachfolgerDer selbsternannte Europa-Nerd

Finnlands Ex-Regierungschef Alexander Stubb will EU-Kommissionschef werden. Er bewirbt sich auch EVP-Spitzenkandidat für die Wahl 2019.

Europa war immer schon Stubbs liebstes politisches Spielfeld Foto: dpa

Stockholm taz | Alexander Stubb hatte etwas vor für Dienstag vor. Schon kurz nach 5 Uhr meldete er sich auf Twitter mit dem deutschen Sprichwort „Morgen, morgen nur nicht heute, sagen alle faulen Leute“ zu Wort. Schon am Vortag hatte er für Dienstagnachmittag 16 Uhr eine Pressekonferenz angekündigt. Es gab keinen Zweifel, dass er da seine Bewerbung als Spitzenkandidat der EVP bei der Europawahl erklären würde – als Herausforderer des deutschen EVP-Fraktionschefs Manfred Weber.

Dass der 50-jährige mit dem breiten Lächeln, der sich selbst als „Europa-Nerd“ bezeichnet, diesen Posten anstreben und ins Rennen um das Amt des EU-Kommissionspräsidenten gehen würde, ist eigentlich nur folgerichtig. Ins gängige Klischee des grauen finnischen Politikers will der joviale, charmante, leutselige und soziale Stubb so gar nicht passen. Tatsächlich war immer auch eher Europa das bevorzugte politische Spielfeld des Politikwissenschaftlers.

Dabei kommt ihm seine Mehrsprachigkeit zupass, die Stubb von seiner finnischsprachigen Mutter und seinem schwedisch-sprachigem Vater schon in die Wiege gelegt worden ist. Neben Englisch und Französisch spricht er auch Deutsch. Das lernte er als Student bei einem Ferienjob in einer bayerischen Papierfabrik.

Vom Vater, einem in den 1960er Jahren erfolgreichem Eishockeyspieler und späterem -funktionär erbte er auch die Sportbegeisterung. „Die Schule kam an zweiter Stelle“, schreibt Stubb in seinen Memoiren. Je nach Jahreszeit seien für ihn Fußball- oder Schlittschuhe wichtiger gewesen.

„Studieren und die Welt besser machen“

Mit 17 gehörte er Finnlands Golfnationalmannschaft an und erhielt deshalb auch ein Stipendium an einer US-Universität. Dort entdeckte er aber, dass sein ursprünglicher Berufswunsch Golfprofi doch nicht so seine Sache war: „Nun wollte ich studieren und die Welt besser machen.“ Ausdauersportarten wie Marathon und Triathlon blieben aber sein Hobby. Seine Marathon-Bestzeit: 3:17 Stunden.

Stubb ist seit 2001 mit der britischen Anwältin Suzanne Innes verheiratet, mit der er die Kinder Emilie und Oliver Johan hat. Sein Lebenslauf weist ein Sprachenstudium an der Pariser Sorbonne und einen Masterabschluss in EU-Verwaltung am Europakolleg in Brügge auf. An der London School of Economics promovierte er zur europäischen Integration.

Als Diplomat arbeitete er unter anderem als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Finnlands EU-Vertretung und als Berater des EU-Kommissionvorsitzenden Romano Prodi. 2004 wurde er erstmals ins EU-Parlament gewählt. Aus der erhofften langjährigen Karriere im EU-Parlament wurde allerdings erst mal nichts: Seine konservative Sammlungspartei rief ihn 2008 für das Regierungskabinett nach Helsinki zurück. Stubb wurde als Außenminister und als Europa- und Außenhandelsminister schnell populär. Der „Twitterminister“ platzierte sich jahrelang auf der Topliste der beliebtesten PolitikerInnen Finnlands und erzielte bei den Europawahlen 2014 das landesweit beste Resultat.

Doch wieder klappte es nicht mit Brüssel: Die Partei, deren liberalen Flügel er zugerechnet wird, wollte ihn lieber als neuen Vorsitzenden haben. Bis zur Parlamentswahl 2015 war er ein knappes Jahr Ministerpräsident und dann ein weiteres Jahr Finanzminister. 2017 wurde er zum Vizepräsidenten der Europäischen Investitionsbank ernannt.

Wenn die EVP am 7./8. November ihren Spitzenkandiaten wählt, ist das für Stubb ein Heimspiel – das Treffen findet in Helsinki statt. Ob er eine Chance hat gegen den Favoriten, den CSU-Europapolitiker Manfred Weber? Stubb: „Als Sportsmann mag ich die Rolle des Außenseiters.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!