piwik no script img

Möglicher EU-Austritt GroßbritanniensPanik im Whisky-Universum

Die Briten diskutieren einen Austritt aus der EU. Den schottischen Whiskybrennereien schmeckt das gar nicht. Sie bangen um den größten Absatzmarkt.

Heiliger als der heilige Gral: Schottischer Whisky (ohne e!). Bild: dpa

EDINBURGH taz | Für Whiskytrinker ist es das Paradies: Auf Islay, der südlichsten Hebrideninsel vor der Küste Schottlands, mit 620 Quadratkilometern und knapp 3.500 Einwohnern, stehen acht Brennereien – darunter Laphroaig, deren Whisky so schmeckt, als ob man eine Torfsode auf der Zunge hat. 2005 wurde er zum besten Whisky der Welt gewählt.

Neben dem Nordseeöl ist Whisky der wichtigste Exportartikel Schottlands. Die acht Islay-Brennereien bedienen im Vergleich zum Giganten Johnnie Walker zwar nur einen Nischenmarkt, doch kleine wie große Destillen betonen, wie wichtig die Europäische Union für ihr Geschäft ist.

40 Prozent der Whisky-Exporte gehen in die EU-Länder. Vor allem nach Frankreich, wo nahezu doppelt so viel Scotch getrunken wird wie in den USA. Dicht darauf folgt Spanien. Und mit der EU-Erweiterung und der Beseitigung der Handelsbeschränkungen ist der Markt noch größer geworden.

Deshalb gefällt es den Brennereien gar nicht, dass man in Großbritannien über einen EU-Austritt schwadroniert. Und das immer lauter: Erst verlieren die europakritischen Konservativen bei den Kommunalwahlen Stimmen an die noch europakritischere UKIP, dann legte vor einigen Tagen mit dem ehemaligen Finanzminister Nigel Lawson ein prominenter Tory den Abschied von der EU nahe.

Freihandelsabkommen mit Indien

Auch die schottischen Autonomiebestrebungen – die SNP-Regierung hat für den Herbst nächsten Jahres ein Referendum über die schottische Unabhängigkeit anberaumt – machen ihnen Sorgen. Und das hat mit einem großen potenziellen Absatzmarkt zu tun: Indien. Dort wird fast genauso viel Whisky wie in den restlichen Ländern der Welt zusammen getrunken. Trotzdem ist Indien für die schottischen Exporteure wenig lukrativ, zumindest bislang. Wegen der Importsteuer von 150 Prozent brennen die Inder selbst Whisky und geben ihm schottische Namen.

Doch das könnte sich bald ändern. Denn die EU verhandelt zurzeit über ein Freihandelsabkommen mit Indien, sodass sich künftig nicht nur die reichen Inder das importierte Getränk leisten könnten. Paul Walsh, der Chef des britischen Multis Diageo, zu dem Johnnie Walker gehört, sagte der britischen Zeitschrift Economist, dass viele der Getränke, die zu dem Konzern gehören, ihre Vormachtstellung in der Welt den Handelsabkommen der EU verdanken.

Und es sind sehr viele Getränke. Im Dezember 1997 haben die beiden Getränkegiganten Guinness und Grand Metropolitan fusioniert. Sie nannten die neue Firma „Diageo“, ein lyrischer Fantasiename aus dem lateinischen Wort für „Tag“ und dem griechischen Wort für „Welt“.

Die Welt ist der Markt für die Megafirma: 7.000 Schnapssorten gehören ihr, darunter die Marktführer Gordon’s Gin, Bailey’s Irish Cream, Smirnoff Wodka und der irische Bierbrauer Guinness.

Whiskyindustrie ist wichtiger Steuerzahler

Die Steuern, die die Whiskyindustrie der britischen Staatskasse einbringt, sind neben dem Öl eins der wichtigsten Argumente der Scottish National Party (SNP) für die Überlebensfähigkeit eines unabhängigen Schottland. Die EU hat das Siegel „Scotch Whisky“ geschützt. So dürfen sich nur Getränke nennen, die „in Schottland aus einer fermentierten Maische von gemalztem Getreide“ hergestellt und mindestens drei Jahre in Holzfässern gereift sind. Das Getränk darf nicht aromatisiert oder gesüßt werden. Aber es darf Farbstoff enthalten. Selbst die meisten Single Malts, für die man exorbitante Summen hinblättern muss, erhalten ihre satte braune Farbe nicht von den alten Sherryfässern, in denen sie gelagert werden, sondern von zugesetztem Farbstoff.

In der Whisky-Bibel von Jim Murray kommen viele Supermarktwhiskys besser weg als so manche schottische Nobelmarken. Dabei stellt sich allerdings die Frage, wo die Supermärkte ihre Whiskys herhaben. Eigene Brennereien besitzen sie nicht. So beziehen sie das torfige Gesöff vermutlich von den berühmten Brennereien, die auf diese Weise das Billigsegment abdecken und die teuren Flaschen für Snobs bereithalten, die für den Namen zahlen.

Nicht nur Paul Walsh vom Branchenriesen, sondern auch die kleineren Produzenten sind sich einig, dass die EU-Mitgliedschaft der Industrie enorme Vorteile verschafft, die außerhalb der Gemeinschaft nicht zu erreichen gewesen wären. Wie aber geht es mit dem schottischen Whisky weiter?

Schottlands Whiskyproduzenten wäre es am liebsten, wenn Schottland im Vereinigten Königreich und das Vereinigte Königreich auch in der EU bliebe. Aber wenn man wählen müsste, hätte die EU Vorrang.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • H
    hessebub

    cf. Ralph Schrader

     

    In der Tat, das muß man schon als Plagiarismus bezeichnen. Z.B.:

     

    "Without being too overt about it, Scotch-whisky makers’ strong preference is to keep the double union: Scotland within the UK, Britain within the EU. But the absolute priority is to remain within the EU’s single market. "

     

    "Schottlands Whiskyproduzenten wäre es am liebsten, wenn Schottland im Vereinigten Königreich und das Vereinigte Königreich auch in der EU bliebe. Aber wenn man wählen müsste, hätte die EU Vorrang."

  • A
    Arcadi

    Die Franzosen haben in den letzten zehn Jahren nicht einmal annähernd doppelt so viel Scotch getrunken wie die US-Amerikaner und Spanien lag 2012 mit weniger als der Hälfte der USA weit abgeschlagen auf Rang 4.

  • RS
    Ralph Schrader

    Wenn Sie einige Wochen alte Kommentare aus dem Economist übernehmen, teilen Sie den Lesern doch bitte mit, wo das Original erschienen ist: Feb 23rd 2013, Johnnie won’t walk out -- Why Scotch-whisky makers want to stay in the European Union

  • P
    Peter

    @ Bernahrd:

    Wenn Besserwisser, dann bitte auch besser wissen.

     

    1) Viele Single Malts sind sehr wohl mit Zuckerkulör gefärbt, vor allem die mit vergleichsweise niedrigem Alkoholgehalt (< 46% Vol.), da die Verdünnung von Fassstärke auf einen moderaten Alkoholgehalt nicht nicht nur die Farbkraft des edlen Tropfens mindert, sondern ebenfalls eine grünlichen Farbton hinterlassen kann - und grün und blau wird bei Nahrungs- bzw. Genussmitteln von Konsumenten selten mit guten Eigenschaften assoziiert. Da sich also auch die Whiskeys der etwas gehobeneren Klasse oft "nur" 40 % Vol. haben is eine Färbung keine Seltenheit. Man findet auch in Deutschland gefärbte Whiskyflaschen ohne Kennzeichnung. Wer zum Beispiel in Deutschland eine Flasche Lagavulin ohne Farbstoff findet, hat gesondert importierte Ware vor sich.

    Außerdem gibt es unabhängige, kleinere und größere Importeure, die kümmern sich nicht um die Kennzeichnung. Da der Farbstoff identisch zu dem natürlichen Farbstoff aus der Fasswand ist, kann man ihn mit einem Test nicht nachweisen. Damit ist der Markt auf die Ehrlichkeit des deutschen Großhandels angewiesen...

    2) Einfach mal bei der Musikschule nach Klavierunterricht fragen ;-)

  • K
    Kai

    Oh ja! Schottland wird Autonom und wir müssen nie wieder Prinz Charles im Minirock sehen!!! Danke EU!

  • O
    Ohje

    "1) Die wenigsten Single Malts sind gefärbt oder kühlfiltriert. Das ist den günstigen Standardabfüllungen vorbehalten."

     

    Naja...die ungefärbten Single Malts sollten wohl in der Minderheit sein. Und bei den Kühlfiltrierten hält es sich zumindest die Waage.

  • B
    Bernhard

    Oh je, da hatte der Verfasser des Artikels wenig Ahnung von Whisky.

     

    1) Die wenigsten Single Malts sind gefärbt oder kühlfiltriert. Das ist den günstigen Standardabfüllungen vorbehalten.

    2) Den Unterschied zwischen einem Single Malt aus einer Destillerie oder eines unabgängigen Abfüllers und dem Supermarkt-Whisky möchte ich Klavierspielen können. Der ist so eklatant wie zwischen Industriekäse und handgemachten Almkäse.

    3) GUTEN Whisky zu trinken hat wenig mit Snobismus zu tun. Das wäre so, als würde ich Vollkornbrotessern vorwerfen, dass sie nicht zu Brötchen aus Billigteiglingen aus Holland greifen.

  • R
    runzbart

    ob schottland als teil des vereinigten königreichs oder als autonomer staat mitglied der eu wäre, dürfte den whiskyherstellern schnurzpiepsegal sein.

    es wäre also interessant gewesen die position der schottischen nationalisten zur eu zu erwähnen.

  • UZ
    und zu

    Ich hab's schonmal gesagt, und ich sag's wieder:

     

    In dem Maße, in dem sich die City of London von Europa entfernt, nähern sich die Highlands an.

    Je näher der EU-Austritt rückt, desto größer die Bestrebungen der Schotten auf Autonomie und den Beitritt zur EU. Für die Briten wäre das ein großes Problem, weil sich viele englische und walisische Firmen in den Norden absetzen würden, so dass Schottand prosperiert und das UK größere Probleme bekommt.

  • HD
    Holger D.

    Endlich einmal Argumente für das Verbleiben innerhalb der EU. Wer einmal auf Islay die Gastfreundschaft und Vielfalt in den dortigen Destilleries erlebt hat, wird zukünftig keinen Discountwhisky mehr anrühren geschweige trinken. Kurzum, dieses wichtige Kulturgut sollte uns in der EU erhalten bleiben. Das Leben ist derzeit schon ernst genug.