Möglicher Dopingskandal: China, China, China
Chinesische Schwimmer wurden positiv auf Doping getestet. Die Welt-Anti-Doping-Agentur sieht darin offenbar keinen Skandal. Ist es überhaupt einer?
S orry für die konjunktive Einschränkung in der Dachzeile: Alles, was derzeit kolportiert wird, könnte richtig sein. Der Weltsport könnte kurz vor den Olympischen Spielen in Paris mit einem Dopingfall enormen Ausmaßes konfrontiert sein. 2021 wurden, wie jetzt dank ARD und New York Times bekannt wurde, 23 chinesische Spitzenschwimmer und -schwimmerinnen positiv getestet, alle auf Trimetazidin, ein verbotenes Herzmittel.
Die Erklärung der chinesischen Antidopingagentur Chinada ist nicht gerade überzeugend: Verunreinigung in einer Hotelküche. Monate später hätten Chinada-Ermittler in Gewürzcontainern, Abfluss und Dunstabzug Spuren von Trimetazidin gefunden.
Das ist merkwürdig, ja. Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA jedoch sah damals keinen Grund, die Ergebnisse ihrer Kollegen anzuzweifeln. Von „niedrigen Konzentrationen“ und „schwankenden Werten“ ist die Rede. Dass die WADA selbst keine Experten entsandte – schließlich waren mindestens drei Weltklasseschwimmer und -schwimmerinnen betroffen -, erklärt sich mit der Situation Anfang 2021: Die Covidpandemie war gerade in China heftig, Reisen dorthin fanden nicht statt.
Die Fragezeichen werden größer
Was man sicher weiß, ist also: Es gab positive Proben. Was man nicht sicher weiß, ist: Weisen diese Proben vernachlässigenswerte Werte auf? Oder deuten sie auf ein großes Dopingprogramm hin, das der chinesische Staat gerade mit seinen Aktiven durchzieht? Vieles in der öffentlichen Diskussion bewegt sich auf dem Niveau eines Kurt-Georg Kiesinger, der 1969 argumentfrei ausrief: „Ich sage nur China, China, China.“ Dass „wir“ nämlich „den Chinesen“ so ziemlich alles Üble dieser Welt zutrauen sollten.
Schaut man sich aber den enormen Stellenwert an, den die Volksrepublik dem Sport beimisst – und berücksichtigt, dass die beabsichtigte politische Wirkung dann massiv leidet, wenn sie unter derartigem Betrugsverdacht stehen, wie er aktuell vorgetragen wird, werden die Fragezeichen nur noch größer: Warum sollte ein Land, das einen solch großen Talentepool hat, derart plump dopen, wie es unterstellt wird?
Ja, es könnte alles so gewesen sein. Aber wirkliches Wissen darüber haben wir nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los