Mögliche Kooperation mit Pegida: AfD lotet Annäherung aus
Die beiden Vorsitzenden der AfD rütteln am Verbot der Kooperation mit der islamfeindlichen Pegida-Bewegung. Sie nennen aber eine Bedingung für die Zusammenarbeit.
Mit Blick auf die bevorstehenden Landtagswahl in Sachsen im Sommer 2019 sagte Meuthen der Deutschen Presse-Agentur: „Wenn es in Richtung Landtagswahl geht, dann ist es vielleicht nicht klug, an dem Kooperationsverbot festzuhalten, das sagen mir auch Parteikollegen in Dresden.“ Das islamfeindliche Bündnis bezeichnete er schlicht als „Volksbewegung aus Sachsen“. Pegida sei nicht vergleichbar mit der Vereinigung Thügida, mit der die AfD auch in Zukunft nichts zu schaffen haben solle. Zuvor nannte er in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung einen Rückzug Bachmanns als Bedingung. Auch dort sprach er sich grundsätzlich für ein Ende des selbstauferlegten Kooperationsverbots aus: „Es geht um Pegida Dresden, da sollte man das Kooperationsverbot, das wir haben, aufheben.“
Auch der Co-Vorsitzende Alexander Gauland sprach sich für das Ende des Verbots aus. Dafür müsse aber deren mehrfach vorbestrafte Gründer Lutz Bachmann „aus dem Schaufenster der Bewegung“ verschwinden, sagte Gauland dem Magazin Stern. Die AfD wolle ihre „bürgerlichen Wähler nicht verlieren“.
Im Stern relativierte Gauland zudem türkenfeindliche Äußerungen des AfD-Landeschefs von Sachsen-Anhalt, André Poggenburg. „Das ist kein Rassismus, wenn ich sage: „Die Türken gehören nicht zu uns“, sagte er mit Blick auf Poggenburgs Aschermittwochsrede. Dieser hatte gesagt: „Diese Kameltreiber sollen sich dorthin scheren wo sie hingehören, weit, weit, weit hinter den Bosporus, zu ihren Lehmhütten und Vielweibern, hier haben sie nichts zu suchen.“ Dabei hatte sich Poggenburg auf Kritik der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD) an Plänen für ein Heimatministerium bezogen. Der AfD-Vorstand mahnte Poggenburg ab. Die Türkische Gemeinde erstattete Anzeige wegen Volksverhetzung.
Bei der Veranstaltung in Sachsen waren auch Lutz Bachmann, mehrere ostdeutsche AfD-Landeschefs, sowie der Chefredakteur des neurechten Magazins Compact, Jürgen Elsässer, zugegen.
„Gefühl der Perspektivlosigkeit“
Bei der letzten Bundestagswahl hatte die AfD laut einer DIW-Studie vor allem in abgehängten Regionen, aus denen junge Menschen abwandern, viele Wähler gefunden. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung stellt in seiner am Mittwoch veröffentlichten Untersuchung außerdem fest: „Generell schneidet die AfD in weniger verdichteten Regionen mit ungünstiger demografischer Entwicklung vergleichsweise gut ab – ein Phänomen, das in ostdeutschen Wahlkreisen häufiger auftritt als in westdeutschen.“ Ein Zusammenhang zwischen einem „Gefühl der Perspektivlosigkeit“ und der Unterstützung für die AfD sei daher anzunehmen.
Die Ergebnisse widerlegen das Erklärungsmuster, die AfD sei vor allem in Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit erfolgreich. Auch einen Zusammenhang zwischen dem Ausländeranteil und einem Wahlverhalten zugunsten der AfD fand das DIW nicht. Sein Fazit: „Die Ergebnisse deuten auf einen Handlungsbedarf für die Wirtschafts- und Sozialpolitik hin.“ Sollten sich politische Entscheidungsträger nicht stärker gegen einen Abbau der öffentliche Grundversorgung – etwa mit Schulen und Krankenhäusern – stemmen, werde damit „wohl auch die Verstärkung politischer Polarisierung billigend in Kauf“ genommen.
Die AfD hatte bei der Bundestagswahl im September 12,6 Prozent der Zweitstimmen erhalten. Im Osten wurde sie zweitstärkste Kraft.
Der AfD-Bundesvorstand hatte 2016 beschlossen, „dass AfD-Mitglieder weder als Redner noch mit Parteisymbolen bei Pegida-Veranstaltungen auftreten sollen.“ Die AfD solle Pegida-Vertretern umgekehrt auch auf ihren Veranstaltungen keine Bühne bieten. Das Bundesschiedsgericht der Partei hatte das Verbot im August 2016 jedoch gelockert.
„Die Radikalisierung der einst als Anti-Euro-Partei gestarteten AfD setzt sich derzeit rasant fort“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz. Gauland und Meuthen hätten heute „Angst vor Höcke und Co.“. Deshalb unterstützten sie deren Ziel, das Verbot von 2016 zu kippen.
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