Moderatorinnencasting bei Sky: Frauen am Ball
Der TV-Sender Sky castet sich die erste Live-Kommentatorin für Bundesligaspiele. Am Samstag fällt die Entscheidung zwischen drei Finalistinnen.
BERLIN taz | Die drei Frauen wirken im Gespräch vor ihrem großen Finale abgeklärt, souverän, eloquent in ihren Aussagen – wie Profis im Mediengeschäft. Wenn am Samstag Abend beim Pay-TV-Sender Sky in dessen Bundesliga-Show bekannt gegeben wird, wer die erste Live-Kommentatorin von Bundesliga-Spielen im deutschen Fernsehen wird, wird sichern niemand von einer Revolution in der Fußballberichterstattung sprechen.
Denn es stehen drei mehr oder weniger erfahrene Medienmacherinnen zur Wahl. Da gibt es Christina* Graf, 26 Jahre, füher selbst Spielerin in der Bundesliga. Sie ist angehende Medienwissenschaftlerin, freie Nachrichtenredakteurin und Radiokommentatorin bei Spielen der Sportfreunde Siegen. Christina Rann ist 30 Jahre und diplomierte Sportwissenschaftlerin mit dem Schwerpunkt Medien und Journalistik, Sportredakteurin bei kicker.tv und ehrenamtliche Blindenreporterin bei Heimspielen des Hamburger SV.
Und dann ist da noch Mareile Ihde, ebenfalls 30 und Journalistik-Studentin. Nebenbei arbeitet sie für Hannover 96, wo sie den Internetauftritt und das Stadionmagazin des Vereins betreut und außerdem als Stadionsprecherin des U19-Teams fungiert. Echte Quereinsteigerinnen sind sie alle nicht. Keine Exotin auf dem Sprecherstuhl, da geht Sky auf Nummer sicher.
3 aus 1.200
Die Drei haben sich mit ihren Bewerbungen gegen rund 1.200 Konkurrentinnen durchgesetzt, wurden zum Casting eingeladen, haben Kommentatoren-Workshops unter professioneller Anleitung durchlaufen. Dabei war das Spektrum an Bewerberinnen anfänglich durchaus vielfältig. Neben den Anwerterinnen mit beruflicher Fußballaffinität gab es auch solche, die sich der Kickerszene zumindest auf den ersten Blick nicht unbedingt verschrieben haben.
So befanden sich unter den Top 11, die von Sky in der Redaktion auf ihr Fachwissen hin überprüft und am Mikro getestet wurden, auch Hausfrauen und Steuerfachangestellte. Am Ende haben sich Fachkompetenz und Medienerfahrung durchgesetzt, was die Auswahl von Graf, Rann und Ihde beweist.
Am Samstag entscheidet nun die Jury aus Überkommentator Marcel Reif, Sportbild-Chef Matthias Brügelmann und Ex-RTL-Tratschtante Bärbel Schäfer, wer von ihnen die neue Sportstimme von Sky wird.
Die Männer im Bestand
Frauen in der Fußballberichterstattung, natürlich gibt es sie bereits. Sabine Töpperwien etwa, langjährige Radio-Röhre der ARD-Bundesligakonferenz am Samstagnachmittag. Reporterin Claudia Neumann hört man bei Spielzusammenfassungen der Bundesliga im Aktuellen Sportstudio des ZDF. Sie kommentierte auch schon über 90 Minuten Bewegtbilder - bei der Frauen-WM 2011. Bei einem Männerspiel hat sie dazu noch nicht die Gelegenheit bekommen.
„Männer haben in der Kommentatorenwelt Bestand, das gilt als mehr oder weniger gegeben. Vielleicht drängelten Frauen mit Talent und Kompetenz bisher zu wenig,“ ist die nüchterne Einschätzung von Christina Rann. Mit der Gewohnheit argumentiert Christina Graf, mit dem bisher eher wenig ausgeprägten Interesse der Medienanstalten Mareile Ihde.
Erwartet werden solide Analysen, Fakten, Wortwitz - jemand, der unterhaltend die Partie begleitet, Szenen diskutiert und die Stadionatmosphäre ins heimische Wohnzimmer transferiert. Wolf-Christoph Fuss ist einer, von dem man sagt, dass er das kann, einer, der den Fußball bei den Privaten verbal zelebriert. Beim ZDF ist Bela Rethy einer, der immer versucht, die Zuschauer abzuholen. Warum sollten Frauen das nicht können?
Fachliche Kompetenz
An den gefragten Qualitäten mangelt es schon längst nicht mehr, da ist sich Mareile Ihde sicher: „Frauen mit wirklichem Fachwissen sollten langsam auch als ernstzunehmende Experten angesehen werden, die etwas vom Fußball verstehen. Weibliche Nuancen würden dem Fußball nicht schaden.“
Den Casting-Finalistinnen ist eines gemein: Sie möchten mit fachlicher Kompetenz und breit angelegtem Wissen punkten, nicht mit Feminität. Auch deshalb sollte man nichts Revolutionäres von der Neuen am TV-Mikro erwarten. Die Zuschauer erwarten genau das – Kontinuität, keine Experimente.
So ist die erste Kommentatorin im deutschen Fußball eine kalkulierte Weiterentwicklung, wenig risikoreich. Mit Beginn der Rückrunde in Liga Zwei steigt die Siegerin ein und gehört von da an zum Sky-Kommentatoren-Team. Perspektivisch sind Engagements im Oberhaus in Planung. Das Projekt könnte Früchte tragen. Mehr weibliche Talente könnten zum Kommentieren animiert werden und nachrücken, was Christina Graf durchaus für möglich hält.
Auch Christina Rann ist überzeugt: „Wir könnten hier eine Signalwirkung haben.“ Dass Frauen abseits der Negativklischees bezüglich fußballerischer Fachkompetenz auch ganz spezifische Vorzüge ausspielen könnten, hält Ihde durchaus für möglich: „Frauen haben feinere Antennen für atmosphärische Veränderungen im Stadion. Vielleicht kommentieren sie sensibler und empathischer als viele Männer. Das kann manchmal von Vorteil sein.“
*Update: In einer früheren Version wurde als name einer Finalistin Jennifer, statt Christina Graf genannt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?