Mockumentary „I'm sorry, Mr. President“: Sorry, not sorry
Comedian El Hotzo reist in die USA, um sich für seine Tweets bei Donald Trump zu entschuldigen. Ist das witzig oder Selbstinszenierung?
Mit einem umgebundenen Plakat läuft er durch die Straßen New Yorks, I’M SORRY prangt darauf, dann steht er im Central Park mit einem Megafon und hofft auf Vergebung. Sebastian Hotz ist zurück vor der Kamera. Diesmal allerdings auf dem Privatsender RTL+ und mit einer Mission: Er will büßen.
Anlass sind mehrere Posts auf der Plattform X, für die Hotz, auf Social Media bekannt als El Hotzo – im Juli 2024 in die Kritik geraten war. In einem stellte er nach einem Attentat auf den US-amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Trump einen Bezug zwischen diesem und einem letzten Bus („leider knapp verpasst“) her. Ein anderer liest sich: „Ich finde es absolut fantastisch, wenn Faschisten sterben.“
Das ging einigen öffentlich-rechtlichen Sendern, bei denen er unter Vertrag stand, zu weit. Der ARD-Sender RBB beendete die Zusammenarbeit mit Hotz beim Jugendsender Fritz. Kurz danach sagte auch ARD Kultur eine Literaturveranstaltung mit ihm ab.
„Das war’s für dich im ÖRR!“, urteilt Komik-Kollege und Ex-Chef Jan Böhmermann, der ihn nun in die USA schickt, um sich bei allen Amerikaner:innen und natürlich Trump höchstpersönlich zu entschuldigen. Ob dabei aber nicht auch der Witz „leider knapp verpasst“ wurde, ist Geschmackssache.
Darf man Faschisten den Tod wünschen?
Hotz zieht für seine Mockumentary durch New York, interviewt Passanten und lässt sich aus dem Trump Tower werfen. Ein Kamerateam begleitet ihn dabei. Ein fiktives Geschehen, in diesem Fall die Reu-Reise, wird als eine Art Dokumentation inszeniert. Unterbrochen wird das Follow-me-around von Ralf Möller, Wahl-Amerikaner und Schauspieler, der im Cowboy-Style und auf einem Heuballen sitzend – ganz im American Spirit – verschiedene Fakten zu den USA liefert.
Er ist der Überzeugung: in den Staaten darf man noch erfolgreich sein, in Deutschland aber müsse man sich für alles entschuldigen. „Shut the fuck up!“, sagt er überzeugt in die Kamera. „Darf man nicht mal mehr einem Faschisten mit mittelguten Witzen den Tod wünschen?“, fragt auch Hotz nun in der 40-minütigen Sendung. Schließlich stimmen ihm diverse Forscher:innen zu, die er auf seiner Reise durch die USA befragt.
Trump ist ein Faschist, dann ist das ja wohl halb so wild, sorry not sorry, RBB! Gestichelt wird aber nicht nur gegenden öffentlich-rechtlichen Rundfunk, auch die USA selbst kriegen ihr Fett weg. Schließlich zähle hier eine traditionelle Stürmung des Kapitols zum guten Ton, erklärt der Comedian. Damit spielt er auf den 6. Januar 2021 an, an dem Anhänger des damals noch amtierenden, aber bereits abgewählten Präsidenten Trump, das Kapitol angriffen.
Ist das lustig? Die Antwort ist: jein. Wer den böhmermannschen Humor mag, kommt durchaus auf seine Kosten. So greift die Sendung verschiedene Debatten auf und provoziert, ganz im Stil des ZDF-Journalisten. Die Politiklandschaft der USA wird zwar als Demokratie bezeichnet, aber eben nur als das, was „von ihr übrig ist“. Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, wenn Amerikaner:innen aller Art: „Sebastian, we forgive you!“ in die Kamera rufen.
I'm (not) sorry, Mr. President
Allerdings findet sich auch auf den Verdacht, dass ein Comedian, der sonst für seine auf etwa 280 Zeichen beschränkten Aussagen bekannt ist, vierzig Minuten eventuell nicht füllen kann, eine Antwort. Kann er nicht. Ab einem gewissen Punkt scheint sich die Argumentation der Sendung regelrecht im Kreis zu drehen: Rechtfertigungen und reumütige Passagen wechseln sich ab. So wird das Oberschenkeltattoo „I’m sorry Mr. President“, das Hotz sich am Anfang der Folge stechen lässt, später um ein „not“ ergänzt. Was will er denn jetzt? Vielleicht einfach ein bisschen Aufmerksamkeit.
„I’m sorry, Mr. President – Der tiefe Fall des El Hotzo“ auf RTL+
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Ärzteschaft in Deutschland
Die Götter in Weiß und ihre Lobby
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis