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Mobilitätsexperte über Verkehrswende„Es braucht mutige Entscheidungen“

Mit dem Projekt „Freiraum Ottensen“ soll der Hamburger Stadtteil autoarm werden. Nun geht der Leiter. Ein Blick zurück auf emotionale Debatten.

Jetzt noch autoreich, aber auf dem Weg zum autoarmen Quartier: der Hamburger Stadtteil Ottensen Foto: Miguel Ferraz
Friederike Gräff
Interview von Friederike Gräff

taz: Warum verlassen Sie das Projekt „Freiraum Ottensen“ jetzt, da es ernst wird mit dem autoarmen Quartier, Herr Hagmaier?

Bastian Hagmaier: Ich hatte bisher eine zeitlich gebundene Projektstelle Natürlich muss man dann schauen, wie es für einen selbst weitergeht. Und dann hat sich kurzfristig eine neue Herausforderung ergeben, welche eine längerfristige Perspektive bietet und die ich gerne annehmen wollte.

Mit welchen Gefühlen gehen Sie?

An dem Projekt hänge ich sowohl professionell als auch persönlich. Ich habe aber auch zwei sehr fähige Mitarbeitende, die es weiter begleiten werden.

Es gab zwischenzeitlich großen Widerstand. Warum ist das Thema so emotional?

Es geht um Dinge, die das alltägliche Leben stark betreffen. Üblicherweise bewegen wir uns ja nicht aus Selbstzweck, sondern um uns von A nach B fortzubewegen. Dann ist es natürlich eine relevante Frage, ob sich dieser tagtägliche Weg ändert. Und es betrifft auch immer den öffentlichen Raum. Das ist ein Thema, das sehr schwer auszuhandeln ist. Nachdem wir die temporäre Sperrung für Autos wieder aufheben mussten

… weil erfolgreich dagegen geklagt wurde …

… aber nur zwischenzeitlich. Am Ende gab das Verwaltungsgericht dem Bezirksamt recht. Dazu passt, dass es auch Leute gab, die gesagt haben: Wie kann es sein, dass die Straße wieder für den Kraftverkehr freigegeben ist? Es gab eine sehr intensive, sehr polarisierende Phase, aber inzwischen ist es ein deutlich zielorientierterer Prozess geworden.

Bild: privat
Im Interview: Bastian Hagmaier

30, war von 2021 bis 2023 Projektleiter bei „freiRaum Ottensen“, das den Hamburger Stadtteil zu einem autoarmen Quartier umwandelt.

In dem Sie Zugeständnisse gemacht haben.

Angefangen hat es mit dem Verkehrsversuch Ottensen Macht Platz 2019/2020, in dem einzelne Straßenzüge als autofreier Raum erprobt worden sind. Auf Basis dessen hat die Bezirkspolitik im Februar 2020 den Beschluss gefasst, dass es eine Verstetigung geben soll, und auch schon den Terminus des autoarmen Quartiers statt wie im Verkehrsversuch den des autofreien genutzt. Das deutet auch schon die Kompromisslinie an, auf der wir uns bewegen. Wir haben dann gesagt, wir definieren nicht nur einzelne Straßen, sondern ein umfassendes Projektgebiet. Dadurch können wir Verlagerungseffekte, etwa wenn Parkraum an einer Stelle wegfällt, mit betrachten.

Was ändert sich konkret?

Es gibt ein Kerngebiet mit zwei Straßen, der Ottenser Hauptstraße und der Bahrenfelder Straße. Dort ist der Straßenbelag in so einem Zustand, dass man ohnehin tätig werden muss und wo wir durch die Neuverteilung von Verkehrsraum den größten Gestaltungsspielraum entfalten können. Darüber hinaus gibt es viele kleinteilige Maßnahmen. Etwa die Umwidmung eines Straßenstücks, das jetzt für den Kraftverkehr gesperrt ist. Im Dezember haben wir uns dafür eingesetzt, dass An­woh­ne­r*in­nen zu reduzierten Konditionen einen Parkplatz in einem Parkhaus am Altonaer Bahnhof erhalten können.

Wo liegt am Ende die Kompromisslinie?

Wir werden mit zeitlichen Begrenzungen für den Kraftverkehr in diesen zwei größeren Straßen arbeiten. Am Ende ist und bleibt es ein emotionales Thema. Ich glaube, dass die Mobilität grundsätzlich nicht eingeschränkt wird – es ist ja nicht die Frage, ob, sondern wie ich mich fortbewegen kann. Und das wird man auch in Zukunft können – dann ein bisschen bequemer zu Fuß oder mit dem Rad, als das bisher der Fall war.

Nach dem Ende der Versuchsphase waren weniger als 50 Prozent der Ottenser Gewerbetreibenden für eine Verstetigung. Warum konnten Sie nicht mehr überzeugen?

Das autoarme Quartier

Das Projekt „Freiraum Ottensen“ ist aus dem Modelversuch „Ottensen macht Platz“ entstanden, bei dem 2019/20 probeweise der nicht motorisierte Verkehr Vorrang hatte.

Eine – abgespeckte – Verstetigung des Versuchs hat die Bezirksversammlung Altona 2020beschlossen.

An­woh­ne­r:in­nen klagten immer wieder gegendie Einschränkung des motorisierten Verkehrs.

Ich bin ja erst mit ins Rennen gegangen, als wir auf die Verstetigung von Freiraum Ottensen zugesteuert sind. Das, was wir heute planen, sieht anders aus als das Fahrverbot der Modellphase. Und es gibt einen anderen strukturellen Rahmen. Wir haben mittlerweile mit dem Beirat ein Gremium, in dem auch Gewerbetreibende aus dem Quartier vertreten sind. Der Beirat hat klare Forderungen formuliert, wie konkret Belieferung am besten funktionieren kann. Und das war dann noch mal Thema in der Kommunalpolitik. Vorher sind die Gewerbetreibenden eher in die Öffentlichkeit gegangen, um zu sagen: Ich bin unzufrieden. Heute gibt es zwei Mitarbeitende im Bezirks­amt, die das Projekt voranbringen möchten und ansprechbar sind. Und es wird auch wieder eine weitere Person als Projektleitung geben.

Die Bezirksbürgermeisterin hat dazu gesagt, man müsse nicht alle überzeugen. Wie viele muss man denn überzeugen?

Ich glaube, aus der Umsetzungssicht der Verwaltung ist es wichtig festzuhalten, dass man nicht immer alle überzeugen kann. Wenn ich mir beispielhaft 100 Bürgerinnen und Bürger und Gewerbetreibende aus unserem Projektgebiet vorstelle, dann wird es keine Lösung geben, wo alle sagen: Ich bin total glücklich damit. Ich glaube, es ist wichtig, Kompromisse zu finden, wo es möglich ist und dort, wo es keine Kompromisse gibt, braucht es am Ende auch eine Politik, die bereit ist, mutige Entscheidungen zu treffen.

Wo gibt es keine Kompromisse?

Dafür ist die Sperrung des Straßenteilstücks für den Kraftverkehr ein gutes Beispiel. Das ist eine kleine Maßnahme und hat dennoch viele Emotionen geweckt. Deshalb gab es auch Menschen, die sich dagegen gerichtlich gewehrt haben. Aber am Ende hat uns das Gericht recht gegeben, da hier das öffentliche Interesse überwiegt.

Was haben Sie gelernt in diesem Projekt?

Dass es am Beginn eines solchen Vorgehens den Mut braucht zu sagen: Es geht darum, dass sich etwas verändert. Vielleicht ist die Veränderung später eine ganz andere, als man sich das ganz zu Beginn vorgenommen hat. Es ist ja das Ziel eines Beteiligungsprozesses zu sagen: Wir möchten gemeinsam eine Verbesserung und Veränderung erreichen und schauen, was wir daraus entwickeln können. Aber dass eine Veränderung passiert, ist für die Menschen, die sich dort einbringen, unglaublich relevant.

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