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Mitgliederbefragung beschlossenMachtkampf in der SPÖ

Der Machtkampf bei Österreichs Sozialdemokraten soll mit einer Befragung entschieden werden. Landeshauptmann Doskozil fordert die Parteichefin heraus.

Pamela Rendi-Wagner mit Kollege Hans Peter Doskozil (beide SPÖ) im Februar Foto: Imago

Wien taz | Der Machtkampf innerhalb der österreichischen Sozialdemokratie wird jetzt offen ausgetragen. Entscheiden sollen die Parteimitglieder via Befragung. Deren Ergebnis wird anschließend auf einem außerordentlichen Parteitag abgesegnet oder verworfen. Das haben das SPÖ-Präsidium und die anschließende Beratung des Parteivorstands am Mittwochnachmittag beschlossen.

Der seit Jahren schwelende Machtkampf zwischen der derzeitigen Parteichefin Pamela Rendi-Wagner und Hans Peter Doskozil, aktuell Landeshauptmann des Burgenlandes, soll damit beendet werden. Der Showdown soll wohl im Mai stattfinden.

Doskozil selbst weiß zwar immer alles besser als die Parteiführung in Wien und hält damit auch nicht hinter dem Berg. Doch bisher hatte er nie offizielle Ambitionen auf den Bundesvorsitz angemeldet. Das hat sich jetzt geändert.

Am Dienstag warf er Rendi-Wagner brieflich den Fehdehandschuh hin. Anders als sie will er sich keiner Kampfabstimmung auf einem Sonderparteitag stellen, sondern wünscht sich einen „Mitgliederentscheid“. So heißt die verbindliche Urabstimmung in den Statuten der SPÖ. Die jetzt beschlossene Mitgliederbefragung ist unverbindlich, kann aber wohl schwer ignoriert werden, wenn die Partei befriedet werden soll.

Doskozil ist der einzige starke SPÖ-Landeshauptmann

Das Präsidum, das am Mittwoch zusammentrat, um über die Vorgangsweise zu entscheiden, besteht aus zehn stimmberechtigten Mitgliedern. Das sind neben der Parteichefin und ihren Stellvertretern vor allem die Landesparteichefs.

Doskozil hat auf seinen Sitz freiwillig verzichtet, wurde aber eingeladen. Er hat insofern eine herausragende Position, als er der einzige SPÖ-Landeshauptmann ist, der noch mit einer absoluten Mandatsmehrheit ausgestattet ist und daher relativ souverän über sein Bundesland regieren kann. Das tut er mit beneidenswerten Mindestlöhnen von 1700 Euro im öffentlichen Dienst, der Anstellung durch das Land für pflegende Angehörige und andere sozialdemokratische Desiderata.

Gleichzeitig steht er für eine harte Abwehrpolitik gegenüber Zuwanderern. Die Flüchtlinge, die täglich von Schleppern über die lange Grenze mit Ungarn ins Land gebracht werden, ziehen zwar schnell weiter und sind kaum sichtbar, erzeugen aber bei der Bevölkerung des Burgenlands ein „subjektives“ Unsicherheitsgefühl, mit dem sich schön Politik machen lässt.

Doskozil weiß also nicht nur die Landesparteichefs in Salzburg, Niederösterreich und Oberösterreich hinter sich, sondern auch einen erheblichen Teil der Parteibasis, bei der die internationale Solidarität längst Besitzstandswahrung und Fremdenangst gewichen ist.

Rendi-Wagner hat Schwergewichte der Gremien hinter sich

Rendi-Wagner hat ihrerseits mit dem Wiener Bürgermeister Michael Ludwig, dem Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser und den Gewerkschaftsbossen die Schwergewichte in den Gremien auf ihrer Seite.

Deswegen rechnet der Politologe und langjährige SPÖ-Beobachter Anton Pelinka auch nicht mit einer erfolgreichen Palastrevolte: „Doskozil kann wahrscheinlich keine Mehrheit, gleichgültig auf welcher Ebene, gegen die gegenwärtige Parteivorsitzende mobilisieren.“

Rendi Wagner hätte auch – „das war ja auch für viele ein wenig überraschend“ – in den letzten Tagen mit Entschlossenheit ihre Position verteidigt. Nachsatz: „Eine Entschlossenheit, die manche an ihr davor vermisst haben.“

Angesichts der Schwäche der regierenden konservativen ÖVP, der der einstige Strahlemann Sebastian Kurz mit seinem Abgang Ende 2021 ein Erbe von Korruption, unaufgearbeiteten Parteiintrigen und gescheiterten Allmachtsansprüchen hinterlassen hat, lag die SPÖ monatelang im Umfragehoch an erster Stelle.

SPÖ konnte nicht vom ÖVP-Absturz profitieren

Doch Verunsicherung durch die Corona-Krise, Ukraine-Krieg und Inflation haben aber die Protestwähler der rechten FPÖ zugetrieben, die auf regionaler Ebene einen Wahltriumph nach dem anderen feiert. Sie würde derzeit aus Nationalratswahlen als stärkste Partei hervorgehen.

Bei der SPÖ gehe es „momentan nicht erkennbar um Inhalte, sondern um Personen, Inhalte“, urteilt Pelinka in einem Interview mit dem Ö1 Mittagsjournal: „Inhalte gehen unter in der Auseinandersetzung zwischen Personen, zwischen der Vorsitzenden und ihrem Herausforderer.“

Rendi-Wagner, die als Frau die weibliche Bevölkerungsmehrheit repräsentiere, könne diesen Vorteil nicht ausspielen: „Eine Frau an der Spitze als deutliches Signal an die Zukunft der österreichischen Gesellschaft.“

Dass Rendi-Wagner auch bei ihren Unterstützern nicht unumstritten ist, beweisen Ablösegerüchte, die seit Wochen die Runde machen. Man wirft der Quereinsteigerin vor, dass sie die Partei nach bald fünf Jahren noch immer nicht im Griff habe und in öffentlichen Auftritten und TV-Interviews meist unglücklich rüberkomme. Sie lasse eine klare Linie vermissen und präsentiere auch keine politischen Alternativen wie eine Ampel mit Grünen und liberalen Neos.

Doskozils kaputte Stimme kann kein Bierzelt mehr füllen

Doskozil hätte zwar nach einer von ihm selbst in Auftrag gegebenen Umfrage bessere Chancen Wahlen zu gewinnen. Doch kann er sich nach mehreren Kehlkopfoperationen nur durch heiseres Krächzen verständigen und wird vielleicht nie wieder ein Bierzelt mit seiner Stimme füllen können.

Daher wurden auch immer wieder Varianten gehandelt, bei denen unumstrittene Dritte dem Zwist ein Ende bereiten könnten, etwa die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures oder die Gewerkschafterin Barbara Teiber. Doch das ist jetzt wohl vom Tisch.

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