piwik no script img

Mitesser

■ „Das Duell“ des Giacomo Casanova

Hofetikette, Männerdialoge und die Ehre, die Ehre... Es gibt nichts Langweiligeres. Aber von Casanova erzählt, scheint es nichts Unterhaltsameres zu geben. Im 18. Jahrhundert hätte man gesagt: er vergnügt und unterrichtet zugleich. Nun muß besonders letzteres der zweifellos verdienstvolle Herausgeber, der uns ja dieses Kleinod beschert - und es exzellent übersetzt zu haben scheint, denn es liest sich angenehm -, als persönliche Herausforderung aufgefaßt haben. Denn er untersteht sich, gemäß der Überzeugung aller Besserwisser, nach welcher der Zwerg auf den Schultern des Riesen den größeren Überblick habe, mit einem erklärenden Nachwort die entmachtete Langeweile doch noch ins Recht zu setzen.

Besonders beleidigt war ich, daß der Herausgeber dem Herrn Casanova nicht einmal seinen Geschmack an scharf gewürzten Speisen belassen will. Jener hätte mit Sicherheit das Lob des blassen Hühnerfricasses der Königin von Frankreich weit über Fontainebleau hinausgetragen. (Was ihm allerdings von seiten seines Gegenstandes Hohn und Spott...) Die Ehre zumindest meines Spreewälder Großvaters hat er verletzt, der, ähnlichen Leidenschaften wie denjenigen des genialen Venezianers frönend, sich zum Genuß seines verwurmten Camemberts auf den Dachboden zu verziehen pflegte.

181 Seiten Schildereien und Gedanken auf Papier, doch davon nur 80 Seiten von Casanova selbst. Ein kurzer editorischer und biographischer Anhang wäre angemessen gewesen. Glauben Herausgeber und Verlag allen Ernstes, daß nach einem guten Essen noch Lust auf zwei Liter Diätsuppe besteht? Um das Bändchen dicker zu machen, hätte man ein weiteres Stück Literatur bieten können. Aber darum geht es offenbar nicht allein. Selbst bei den Kurzbiographien hat es der Spätgeborene geschafft, sich einen Tintenklecks mehr zu sichern. Die des Casanova mißt zwölf Zeilen, die seine dreizehn!

Gudrun Körner

Giacomo Casanova, Das Duell, herausgegeben, übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Hartmut Scheible, Piper -Verlag, 191 Seiten, 16,-DM

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen