Mitbestimmung bei EU-Gesetzen: Seehofer krächzt und wundert sich
Nachdem der Bundestag mehr Mitbestimmung bei EU-Gesetzen beschlossen hat, muss CSU-Chef Seehofer in München die Niederlage seiner Partei beim Kompromiss schön reden.
MÜNCHEN taz | Der Ministerpräsident krächzt vom Bierzeltwahlkampf gezeichnet. "Sie merken, ich bin angeschlagen", flüstert Horst Seehofer zu den Abgeordneten, "stimmlich". Es war auch politisch kein strahlender Sieger-Auftritt, den CSU-Chef Seehofer am Donnerstag im bayerischen Landtag hinlegte.
Nachdem das Bundesverfassungsgericht im Juni mehr Mitsprache des Bundestags bei der Umsetzung des EU-Vertrags von Lissabon gefordert hatte, war Seehofer mit ehrgeizigen Maximalforderungen in die Verhandlung eingestiegen. Einen 14-Punkte-Plan wollte die CSU durchdrücken. Es sollte Volkabstimmungen zu EU-Themen geben und über die Interpretation von EU-Recht sollte in Deutschland allein das Bundesverfassungsgericht entscheiden.
Solche Punkte finden sich in der diese Woche in Berlin ausgehandelten Gesetzesvorlage nicht wieder. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD im Bundestag, Thomas Oppermann, lästerte, Seehofer sei als Löwe gestartet und als Bettvorleger gelandet. Nun musste Seehofer in einer Sondersitzung im bayerischen Landtag über die Ergebnisse berichten. Die Grünen-Fraktion hatte es so beantragt.
Man habe nicht alle Vorstellungen realisieren können, lamentierte Seehofer. "Manchmal wundert man sich, wie schwer es ist, Dinge wie Volksabstimmungen zu realisieren." Dabei hat die CSU in den Verhandlungen durchaus Erfolge erzielt. Erst auf ihr Drängen wurden zahlreiche Informationsrechte des Bundestags, etwa beim Handelsrecht, in die Gesetzesvorlage geschrieben. Aber so ein Erfolg lässt sich kaum für den Wahlkampf nutzen.
So jubelt die CSU lieber, sie habe die kommunale Versorgung mit Trinkwasser vor dem Zugriff aus Brüssel bewahrt. "Schon wegen des Erfolgs für die Kommunen haben sich die Anstrengungen der CSU gelohnt", meint der Chef der Landtagsfraktion, Georg Schmid. Tatsächlich findet sich zu dem Thema nur ein wenig bedeutender Satz in der Gesetzesvorlage. Die Bundesregierung müsse vor Entscheidungen im EU-Ministerrat Einvernehmen mit dem Bundestag herstellen, steht da. Und dank der CSU nun ebenso: "Dies gilt auch, dann wenn der Bundestag bei Vorhaben der Europäischen Union zu Fragen der kommunalen Daseinsvorsorge Stellung nimmt."
Seehofer will sich mit dem mühsam errungenen Kompromiss jedoch gar nicht erst zufrieden geben. Es stünden ja noch umfassende Beratungen an, bevor das Gesetz am 8.September verabschiedet werden solle, droht Seehofer. "Wenn diese Beratungen sinnvoll sein sollen, dann muss man offen sein gegenüber guten Vorschlägen." Um zumindest einen symbolischen Erfolg zu erkämpfen dringt die CSU- Landesgruppe auf die Verabschiedung einer nicht bindenden Resolution zusätzlich zum Gesetz. Darin soll stehen, was die CSU nicht durchsetzen konnte, etwa die größeren Kompetenzen für das Verfassungsgericht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“