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Mitbestimmung an HochschulenJunge Union pfeift auf Asten

Die Jugendorganisation von CDU/CSU will die Gremien studentischer Mitbestimmung abschaffen. Das geht selbst dem konservativen RCDS zu weit.

Immer gut für ein bißchen Krawallrhetorik: Die Junge Union. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Junge Union (JU) sägt an der demokratischen Mitbestimmung von StudentInnen an Hochschulen: Die Jugendorganisation von CDU/CSU möchte den Allgemeinen Studierendenausschuss (Asta) abschaffen. So steht es in einem Entwurf für das Grundsatzprogramm, das die JU auf ihrem jährlichen Deutschlandtag Anfang Oktober in Rostock beschließen will.

Widerspruch für ihren Vorstoß erntet die JU dafür jetzt vom CDU-nahen Studentenverband Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS). „Studenten müssen weiterhin die Möglichkeit haben, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln, anstatt von Studierendensekretariaten verwaltet zu werden“, sagte Frederik Ferreau, RCDS-Bundesvorsitzender, zur taz. Ferreau ist auch Mitglied im CDU-Bundesvorstand. Der RCDS, der nach eigenen Angaben rund 8.000 Mitglieder besitzt, ist als „Sonderorganisation“ bei CDU/CSU angedockt.

Die Asten, in Ostdeutschland Studentenräte genannt, sind das gesetzlich anerkannte Vertretungsorgan der Studierenden an Unis. Ihre von einem Parlament gewählten Vertreter streiten in Hochschulgremien für studentische Interessen, bieten Sozial- und Rechtsberatung an, organisieren günstige Semestertickets oder drängen auf eine schnelle Bearbeitung von Bafög-Anträgen. Außer in Bayern gibt es in allen Bundesländern Asten oder Studentenräte. In Baden-Württemberg wurde erst Mitte Juli die verfasste Studierendenschaft per Gesetz wieder erlaubt.

Doch diese Vertretungsstruktur sei „aufgebläht und veraltet“, sagte Kristina Scherer, hochschulpolitische Sprecherin der JU, zur taz. Die Wahlbeteiligung für Studierendenparlamente sei häufig sehr gering, also könnten Studiensekretariate die Aufgabe von Asten übernehmen.

Geld „sinnvoller“ investieren

Scherer stößt auch auf, dass die Asten Anspruch auf eine Finanzierung haben: je nach Bundesland fließen zwischen fünf und 20 Euro aus jedem Semesterbeitrag an sie. Dieses Geld könnte laut Scherer viel besser „sinnvoll“ in die personelle oder technische Ausstattung der Hochschulen investiert werden. Denn: „Die Studierenden sind zur Zahlung der Beiträge verpflichtet, obwohl ihre Interessen nicht angemessen vertreten werden“, findet Scherer.

Für Marcel Grathwohl vom JU-Bundesvorstand sind Asten gar eine „reine Selbstbeschäftigung für Leute im 35. Semester, die sich ihre Freizeit vertreiben wollen“, so Grathwohl im Deutschlandfunk. Das wolle man nicht unterstützen.

RCDS-Mann Ferreau ist diese Kritik zu pauschal: „Die JU sollte sich aus solchen Themen raushalten oder versuchen, das bestehende System weiter zu entwickeln.“ Die demokratischen Strukturen der Hochschulpolitik hätten sich im Grundsatz bewährt – auch wenn Asten immer wieder für Aufsehen sorgten, wie etwa in Göttingen, wo Studierendenbeiträge angeblich veruntreut wurden. „Man schafft ja auch nicht unsere Demokratie ab, nur weil sich ein Politiker danebenbenimmt“, sagte Ferreau.

Für den RCDS kommt der JU-Vorschlag überraschend. „Ich war bei den Sitzungen zum Grundsatzprogramm dabei. Es wurde dort kein Wort darüber verloren“, sagte Ferreau. Scherer versteht die Aufregung nicht: Schließlich könnten bis zum Deutschlandtag ja noch Änderungsanträge eingebracht werden.

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17 Kommentare

 / 
  • FB
    FU Berlin

    Wahlbeteiligung unter 10 Prozent und ein krudes Wahlsystem sind an der FU nicht das schlimmste:

     

    Vom Geld der Studis fahren Asta-Vertreter an der FU nach Kuba oder in den Irak, um sich zu "vernetzen" oder zu "solidarisieren". Kann jeder selber entscheiden, ob das richtig ist.

  • M
    Marburger

    Ich pfeif auch auf den Asta, wie viele Institutionen, die mir von meinem Geld erzählen was gut für mich ist brauchen wir denn noch?

  • MG
    Maik G

    Sorry, ich konnte den Artikel nicht bis zum Ende lesen. Die JU ist doch der hinterletzte Mist, den die Politik je gesehen hat.

     

    Die Kritik von Frau Scherer, dass die Vertretungsstruktur „aufgebläht und veraltet“ sei gilt doch für unser komplettes bürokratisches System. Mit der Argumentation müsste man die halbe Politik abschaffen. Am besten fängt die JU da mal bei sich selbst an.

     

    Meine politischen Interessen werden weniger vertreten, als meine Interessen, die ich als Student habe. Wenn also der Einsatz für meine Interessen den Bestand eines Systems beeinflusst, dann sollte das, was sich unsere Regierung nennt geschlossen zurück treten.

     

    Zumal die Argumentation der JU vollkommen pauschalisiert, realitätsfern und anti-demokratisch ist! Mitbestimmung abschaffen um ein strenger hierarchisches System zu fördern!

     

    Um mich auf die Argumentationsbasis der JU herab zu lassen: Schafft die JU ab, deren Ideenschmiede schafft doch nur Dreck, das braucht man nicht.

  • D
    deviant

    Selbst der RCDS setzt sich für mehr Demokratie ein als die JU?

    DER RCDS?

    Jener RCDS, dem es an der Distanz zu "Positionen, die im Umfeld von Neonazis und Unbelehrbaren gang und gäbe seien" fehlt? Höchstrichterlich festgestellt?

     

    DER RCDS verteidigt nun studentische Mitbestimmung gegen die Junge Union?

     

     

    Heisst das nun, dass man der JU problemlos unterstellen könnte, Kaderschmiede der NPD zu sein? Oder ginge das zu weit?

  • C
    cassionetta

    Das von Scherer vorgebrachte Argument, das Geld der armen, armen Studierenden würde für die bösen ASten verschwendet ist - mit Verlaub - hirnrissig. Zwar ist die Wahlbeteiligung für das StuPa, das den AStA wählt, in den meisten Unis erschreckend gering. Aber wenn es den Studierenden aufstoßen würde, dass ihr Geld an wen auch immer "verschwendet" wird, könnten sie ja einfach diejenigen wählen, die damit umzugehen wissen.

     

    Meiner Erfahrung nach ist es den meisten meiner KommilitonInnen egal, was mit dem Geld passiert. Und die, die sich dafür interessieren sitzen in den entsprechenden Gremien und opfern eine Menge Zeit dafür - werden aber tlw trotzdem in Regelstudienzeit fertig. Viel Wahl lassen BA und MA da ja nicht mehr. Und selbst wenn nicht: ist es nicht wichtig, dass Studierende auch außerhalb ihres Studiums lernen, einen Teil der Gesellschaft mit zu verwalten, sich einzubringen, statt lethargisch alles entgegen zu nehmen, was da kommen mag?

  • F
    Felix

    Also wenn geringe Wahlbeteiligung ein Argument zur Abschaffung der Asten ist, hätte ich nen tollen Plan zur nächsten Bundestagswahl...

  • P
    Politsekten

    In der hiesigen Uni Wahlbeteiligung von 10%. kaum irgendein Student interessiert sich dafür, was die Politsektenspinner (großteils, nicht alle) da so treiben (es sei denn, es gibt mal wieder ein Finanzskandal aus Gründen von Korruption oder Unfähigkeit).

  • D
    denkdochmal

    Wo wir gerade beim Pfeifen sind, ich hoffe, die Studierenden pfeifen auf die Pfeifen...

  • D
    DaW

    Ich möchte mir gar nicht ausmalen, was Frau Scherer eigentlich zu Kommunal-, Landtags- und Bundestagswahlen sagt, wenn die Wahlbeteiligung weiter sinkt.

  • B
    Blubb

    Der Unterschied zwischen ASten und Studierendenräten ist ein vollkommen anderer. Auch in Ostdeutschland gibt es ASten und auch in Westdeutschland gibt es StuRas. Googlen hilft manchmal...

  • B
    bull

    Die Konservativen fangen an Ihr wahres Gesicht zu zeigen.Dieses Pack würde auch einem Hitler wieder hinterherrennen.

  • T
    Tacheles

    Das ist die Umsetzung des Merkelschen Modells:

    Paralamente weitgehend ausschalten um durchzuregieren - demokratische Beteiligung stört da nur.

     

    Die akademischen Knöpfchendrücker von morgen sollen verantwortungsbefreit im Sinne des Establishements agieren.

     

    Das Motto: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Und man möchte im Sinne der Jungen Union hinzufügen: Recht so!

  • C
    Carsten

    Sorry, aber diese Frau Scherer hat völlig Recht! Die ASten sind nur politische Sandkästen für spätere JUSO-Funktionäre und verschwenden das Geld nur für obskure Minderheitenprojekte und die Herstellung von Antifa-Aufklebern. Weg damit!

  • D
    Doc

    Wenn sich also jemand ein Bild machen möchte, welcher Meinung der Nachwuchs der "Bürgerlichen" von Demokratie hat...

  • M
    Marc

    Den Satz, dass der ASTA mit selbstbeschäftigten Studenten im 35. Semester besetzt sind, kann ich aus eigener Erfahrung nur unterstreichen.

  • F
    Fatima

    Wenn ich sehe wofür linke Asten das Geld was ich bezahle ausgeben kann ich den Vorstoß verstehen. Und bei Wahlbeteiligungen von 12% kann man die Legitimation der Asten wohl auch in Frage stellen.

  • K
    Kontroverso

    Es kommt immer wieder zu Unregelmäßigkeiten bei den ASten, sagt ein RCDS-Mensch?!? Das Angeführte Beispiel in Göttingen hat gerade der RCDS verbockt. Der stellte da den AStA-Vorsitz und mehrheitlich den AStA. Schwupps, schon fehlten mehrere 10.000€ und bis heute weiß niemand, wo die hin sind.

     

    Oder der RCDS-AStA an der TU Berlin 2007. Der gab 50.000€ für Anwälte aus, die dafür sorgen sollten, die Neukonstituierung des StuPas nach der Abwahl des RCDS zu verhindern. So verlängerte sich die Legislatur von einem Jahr auf 1,75 Jahre.

     

    Solche Sachen müssten sich "linke" ASten mal erlauben.