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Mitarbeiterin der Hurenorgansiation Hydra"Sexarbeit ist eine Dienstleistung"

Ohne die Lobbyarbeit des Vereins Hydra wäre Sexarbeit heute immer noch illegal. Die erste Hurenorganisation Deutschlands wird 30 Jahre alt. Ein Grund zum Feiern – und für ein Interview.

Müssen weiter mit Stigmatisierung leben: Sexarbeiterinnen führen noch immer oft ein Doppelleben. Bild: stop-sells / photocase

taz: Frau Kellerhoff, ist Hydra immer schon so selbstbewusst mit dem Wort Hure umgegangen?

Simone Kellerhoff: Ja, aber heute haben wir uns politisch korrekt auf die Bezeichnung "Sexarbeiterin" geeinigt. So wird deutlich, dass es sich um eine Dienstleistung handelt, um Arbeit.

Was genau macht Hydra?

taz
Im Interview: 

Dieser Text stammt aus der aktuellen sonntaz vom 21./22. August - ab Samstag zusammen mit der taz am Kiosk oder in Ihrem Briefkasten.

Auf der einen Seite sind wir eine professionelle Beratungsstelle. Auf der anderen Seite setzt sich der Verein politisch dafür ein, die Tätigkeit der Sexarbeiterinnen anderen Erwerbstätigen gleichzustellen. Wir versuchen, das Stigma aufzulösen, das an Prostitution hängt und das die Prostituierten auch selbst tradieren.

Warum geben die Prostituierten dieses Stigma weiter?

Weil sie ein Teil der Gesellschaft sind. Scham und Tabus bleiben, auch wenn Frauen als Sexarbeiterinnen arbeiten. Deshalb führen sie oft ein extremes Doppelleben.

Simone Kellerhoff, 42, Ergotherapeutin, arbeitet seit 2003 bei Hydra. Der Verein feiert am 4. September sein 30. Jubiläum. Kellerhoff hat sich mit Sextourismus, Prostitution und sexueller Ausbeutung weltweit beschäftigt. Bild: hydra e.v.

Ist es demnach Ziel Ihrer Arbeit, dass eine Prostituierte, wird sie nach ihrem Beruf gefragt, stolz sagt: Ich bin Sexarbeiterin?

Das ist unsere Vision, aber zunächst ist unser Ziel, dass Prostituierte physisch und psychisch gesund bleiben. Dafür ist es wichtig, das Bewusstsein der Frauen zu stärken. Doppelleben heißt doch, dass man seriös auftritt, aber einer Tätigkeit nachgeht, die gesellschaftlich nicht anerkannt ist. Frauen, die jahrelang eine gespaltene Existenz führen, sind sehr isoliert. Isolation macht krank. Wir wollen, dass die Frauen sich für ihre Arbeit nicht schämen müssen.

Was waren vor 30 Jahren die schlimmsten Probleme?

Die Frauen hatten keinerlei Rechte. Gewalt an Prostituierten konnte nicht angezeigt werden - Prostitution war verboten und hat sich im Dunkeln abgespielt, in einem Milieu mit hoher Kriminalität.

Was ist heute anders?

Die größte Errungenschaft der Hurenbewegung ist das Prostitutionsgesetz, das 2002 verabschiedet wurde. Prostituierte können seitdem in die Sozialversicherungssysteme einbezahlen. Sie können ihren Lohn einklagen, falls der Kunde ihn schuldig bleibt. Früher war Prostitution ein sittenwidriges Geschäft. Heute ist es eine Dienstleistung. Auch, dass es jetzt Bordellbetriebe geben darf, ist eine Errungenschaft. Früher nannten sich Bordelle nur Zimmervermietung. Der Vermieter durfte aber keine Kondome bereitstellen, keine Handtücher auslegen - dann war das nämlich Förderung von Prostitution und damit Zuhälterei.

Ist das Image der Prostituierten heute besser?

Mit dem Prostitutionsgesetz wurde die Stigmatisierung der Prostitution nicht abgeschafft. Sexarbeiterinnen werden entweder als Opfer von Dritten betrachtet - oder man nimmt an, dass sie als Kind missbraucht wurden. Als Opfer ökonomischer Zwänge hingegen werden sie selten wahrgenommen.

Was sind heute die größten Probleme?

Lohndumping und die wirtschaftliche Krise. Außerdem wird Prostitution ständig im selben Atemzug genannt mit Frauenhandel und Zwangsprostitution. Dabei hat sexuelle Ausbeutung nichts mit Sexarbeit an sich zu tun.

Lohndumping und verschärfte Konkurrenz macht die Frauen wieder verletzlicher. Sehen Sie das als Rückschritt?

Das Prostitutionsgesetz war der erste Schritt. Ein Problem sehen wir darin, dass das Gesetz beim Frauenministerium verankert ist, nicht beim Arbeitsministerium. Der nächste Schritt müsste sein, dass Sexarbeiterinnen Berufsgenossenschaften gründen können. Arbeits- und Hygienestandards müssen definiert, Bordelle zertifiziert werden.

Die Wirtschaftskrise führt dazu, dass immer mehr Frauen in der Prostitution arbeiten. Gibt es noch andere Entwicklungen, die damit einhergehen?

Es gibt neue Formen von Prostitution, neue Vermarktungsschienen. Ich bin sehr erschüttert über solche Angebote wie den Internetdienst "Hobbyhure".

Wie verändert sich der Anteil von Migrantinnen unter Sexarbeiterinnen?

Es gab schon immer einen hohen Anteil von Frauen mit Migrationshintergrund. Früher waren es häufig Asiatinnen. Seit 2007 sind viele osteuropäische Frauen dazugekommen. In der Regel hatten die Frauen in ihren Ländern bereits Kontakt zur Prostitution. Sie kommen selbstbestimmt her, oft aus prekären Verhältnissen. Hier aber gibt es Sprachbarrieren, und sie kennen die arbeitsrechtliche Situation nicht: Dass sie sich selbstständig machen müssen, dass sie eine Krankenversicherung brauchen. So können sie leicht ausgebeutet werden. Das ist eine Riesenherausforderung für uns.

Ist die selbstbewusste Hure aus heutiger Sicht ein Mythos?

Es war und ist kein Mythos. Wir reden allerdings lieber von selbstbestimmt. Viele Frauen möchten aber lieber etwas anderes arbeiten - eines unserer Angebote ist der Ausstieg. Ausstieg steht allerdings nicht im Widerspruch zur Selbstbestimmtheit. Man kann nur zwischen den Möglichkeiten wählen, die man hat. Wir versuchen, neue Möglichkeiten zu eröffnen.

Sind freiwillige Untersuchungen bei Prostituierten heute Usus?

Das Kapital der Sexarbeiterinnen ist ihre Gesundheit und ihr Körper, deswegen haben sie natürlich ein großes Interesse daran, gesund zu bleiben. Im Zuge des Lohndumpings haben Freier viel Macht. Immer mehr Männer fragen nach Sex ohne Kondom. Für eine Frau, die ökonomisch darauf angewiesen ist, ist es auf lange Sicht schwierig, diese Männer abzuweisen.

Freier sind aber keine Zielgruppe in der Präventionsarbeit.

Das kritisieren wir sehr stark. Wir reden immer über die Frauen. Niemand redet über die Kunden. Da wo Frauen durchweg als Opfer gesehen werden, werden Männer als Täter gesehen. Das macht es Männern schwer, sich als Prostitutionskunden zu outen. Damit sind sie auch nicht greifbar, nicht ansprechbar. Dabei sind sie so wichtig in dem ganzen Szenario.

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21 Kommentare

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  • R
    Richi

    Beruflich, habe ich einige Jahre in den USA zugebracht und hatte in der ganzen Zeit keinen Sex. Da, dort eben Prostitution kriminalisiert ist. Man hat die Wahl zwischen dem gesundheitsgefährdenden (Krankheiten, Polizeikontrollen, Zuhälter) Drogenstraßenstrich und dem sehr teuren Edelescort. Das eine wollte ich nicht und das andere konnte ich mir nicht leisten.

     

    Nun lebe ich seit ca. 4 Jahren in Berlin und ein Hauptgrund für meinen Umzug war, ein erfülltes Sexualleben auch ohne Freundin. Daher kenne ich die Berlinerszene ganz gut. Tatsache ist, es gibt wirklich viele Wohnungsbordelle und Hobbyhuren, wo es ein faires Preis-Leistungsverhältnis gibt. Und fast alle Frauen scheinen neben dem Aspekt des Geldes auch Lust dabei empfinden. Sehr viele machen es eben als Teilzeitkraft, weil man eben im Call Center oder als Friseurin nicht genug verdient. Dazu kommt, dass es viele Swingerclubs und Sexpartys ohne die Legalisierung nicht geben würde. Da hier zwar ein sogenanntes Entgeld genommen wird, aber dieses eben auch zur Deckung der Unkosten für Miete, Bewirtung und Hygiene dient. Bei einer Kriminalisierung wie in z.B. Schweden, würden dann Swingerclubs sofort in der Grauzone der verbotenen Prostitution stehen. Und ganz ehrlich, aufgrund der fairen Preise und großen Angebotes an Bordellen oder Escorts, muss man in Berlin nicht zur Kurfürstenstraße gehen.

     

    Fazit: Die Legalisierung der Prostitution ist ein wirklich gesellschaftlicher Fortschritt. Ebenso wäre das mit der Legalisierung von Cannabis.

  • N
    Nora

    Ich hätte mir mehr über diesen Beitrag erhofft. Eine Hure ist vieles mehr: Therapeut, beste Freundin, Geliebte usw. und dass spricht hier niemand an, schade. Das mit den Kondomen ohne, kommt ab einer bestimmten Katigorie/Schicht vor, viele Freier wollen selbst gesund bleiben. Ich finde Huren haben es manchmal sogar leichter, als die Ehefrauen, da die Kunden oft sprechen wollen, natürlich auch auf das Sexuelle bezogen, über Ihre Wünsch und Phantasien. Man sollte nicht immer wieder davon anfangen, wie schlecht es Huren haben, sonder sich auch mal an Beispielen orientieren, wo es klappt mit Familie oder Freunden wie.

  • N
    Nora

    @ Thomas,

    ich gebe Dir völlig Recht und allen anderen die ähnliches schreiben, das ist das Beste was uns Huren passieren konnte, okay!

     

    Sodele und jetzt auf den Punkt gebracht. Würdest Du sagen können, hey mum, hey dad, dass ist meine neue Freundin, sie hat zwar zwei Berufe gelernt, ist aber jetzt von Beruf Hure und meine neue Freundin?! *Grins*

     

    Einer muß ja bekannlich den ersten Schritt machen und ob ja oder nein, ich bitte bitte um Erläuterung.

  • N
    Nora

    Die Hure I Die Prostituierte I Die Hetäre

     

     

    Das Wort leitet sich von der indogermanischen Wurzel qär „begehrlich, lieb” ab, aus der sich auch das lateinische carus „lieb, teuer” entwickelt hat.

    Im antiken Griechenland und in Rom war die aus Kleinasien und Nordafrika übernommene Tempelprostitution verbreitet. Im Jahr 594 v. Chr. richtete Solon in Athen das erste staatliche Bordell ein. Die Hetären in Athen galten als die vornehmsten Prostituierten, mit hervorragender Bildung und feinen Umgangsformen.

     

    Denkt mal darüber nach!!!

  • N
    Nora

    Ich hätte mir mehr über diesen Beitrag erhofft. Eine Hure ist vieles mehr: Therapeut, beste Freundin, Geliebte Vamp usw. und dass spricht hier niemand an, schade. Das mit den Kondomen ohne, kommt ab einer bestimmten Katigorie/Schicht vor, viele Freier wollen selbst gesund bleiben, das finde ich toll. Ich finde Huren haben es manchmal sogar leichter, als die Ehefrauen, da die Kunden oft ansprechen was sie wollen, natürlich auch auf das sexuelle bezogen, über Ihre Wünsch und Phantasien. Man sollte nicht immer wieder davon anfangen, wie schlecht es Huren haben, sonder sich auch mal an Beispielen orientieren, wo es klappt mit Familie oder Freunden wie auch immer. Und will ich wirklich, dass unser Job als "Normal" angesehen wird? Wohl eher nicht, es ist zu intiem, zu komplizeirt und ich möchte die nächste Generation, also unsere Kinder davor schützen.

    Finanziell gesehen schnelles Geld und oder ein besseres Leben, als mit HARZ, aber auch ein hoher Preis, für Partner und Familie und alles was drum rum ist, es ist viel Aufarbeit. Es ist eine Frage wie gehe ich selbst mit dieser Situation um, für was tue ich es, was lerne ich dabei und wie definiere ich mich selbst. Zu wünschen ist, dass jede Frau mit diesem neuen Gesetz nun Rechte hat, sehr gut befürworte ich auch, aber es ist eine Wunschvorstellung zu glauben Prostituzion wird eines Tages als ein normaler Beruf anerkannt werden. Ich lach mich kapput. Diese Frauen sollten es alle freiwillig tun, ja, aus überzeugung, aus welchen Gründen auch immer und seien wir mal ehrlich, ist es nicht interessant etwas zu können, was nicht jeder kann und auch nicht weiß, sonst wäre das Leben doch langweilig?!

  • F
    FreieLiebe

    @Dr. H. Wenk

    zu den heiligen tempeldienerinnen: das waren keine "arbeiterinnen". es ging um die vermittlung von liebestechniken, die, in anwendung, vollkommene befriedigung beider (!) liebespartner ermöglichen und dadurch ein spirituelles erlebnis, also göttliches bewusstsein schaffen sollten. das ist etwas fundamental anderes als "sexarbeit"!!! dieser nimbus klebt allerdings nach wie vor an der profanen prostitution. ist ja auch ein prima pr-mittel zur beruhigung aller und aufwertung des "berufsstands".

  • LV
    Loddar von der Oder

    Logik: Wenn ich also abends Sexarbeit als wohlmeinende Dienstleistung verrichte, sprich bumse, an wen führe ich dann (Vergnügungs)steuer ab?

    Logik: Da ich ab und zu vögele, bin ich dann jemand mit regulärem Zweitjob?

    Logik: Ficken ist Arbeit. Wie geht da Schwarzarbeit?

     

    Vorbild für alle Linken ist ja von jeher Schweden: Das Anbieten von Sexarbeit ist dort straffrei, das Inanspruchnehmen nicht. Logik?

  • W
    Wolfgang

    "Prostituierte", früher sagte man anerkennend Liebesdienerinnen, sagen die Wahrheit, die viele nicht vertragen können: "Ich lege für keinen einzigen Mann die Hand ins Feuer!"

    Nenne mir einen einzigen Mann!, der nicht hinter einem Bikinimädchen hinterherschaut. Seid ehrlich, es gibt nichts besseres, oder? Also genießt und seid nicht so scheinheilig.

  • W
    wulewuu

    Vielen Dank für dieses wohltuend einfache und klare Interview. Ich wünsche der Vereinigung Hydra weiterhin Erfolg in ihrer Arbeit.

  • T
    Thomas

    Hmja, ich kann mir schon vorstellen, daß es Leute gibt, die sich an diesem Interview aufreiben - aber Fakt ist doch, das es "älteste Gewerbe der Welt" immer geben wird,egal wie mann/frau dazu emotional steht oder nicht. Dann macht es, wie sonst auch, einen himmelweiten Unterschied, ob jemand in diesem Bereich aus eigenem Antrieb arbeitet, oder sie unter Druck gesetzt wurde.

    Das 'Gewerbe' in das Verbotene/Illegale abzudrängen, war früher hier genauso unsinig, wie es heute in Frankreich oder Schweden unsinnig ist : Kriminalisierung ist eine wirklich sichere Methode, die Arbeitsbedingungen für 'Professionelle' unendlich zu verschlechtern, Stichwort Erpreßbarkeit usw..

    Ich denke, es kann einfach nur pragmatisch und sinnvoll sein, dies wie jeden anderen Beruf auch zu sehen.

  • D
    damuero

    "Was ein schäbiges und heuchlerisches Interview."

     

    Was stört Sie denn konkret?

  • R
    Rheinflamme

    Aus dem Interview hört man heraus, dass sich da nicht nur jemand oberflächlich Gedanken gemacht hat, sondern intensiv an Standards arbeitet und die Mechanismen der Politik verstanden hat. Das ist schon mehr als Aktionismus. Wenn nur mal jedes "Kinderhilfswerk" halbwegs so arbeiten würde.

     

    Ich denke daher, dass sich einiges davon irgendwann realisieren lassen wird. Allerdings produziert sich Berlin mit seinem ganzen prekären Jobs nicht nur Prostitution, sondern auch eine ziemliche Ellenbogengesellschaft. Wer eh schon arm dran ist und dann noch mit selbstgefälligen Freiern zu tun hat, der wird das im normalen Leben weitergeben. Manche direkter, andere indirekter.

  • T
    Tubus

    @Julia

    Was für ein schäbiger zynischer Kommentar!

  • F
    FreieLiebe

    "Ist es demnach Ziel Ihrer Arbeit, dass eine Prostituierte, wird sie nach ihrem Beruf gefragt, stolz sagt: Ich bin Sexarbeiterin?

    (antwort):

    Das ist unsere Vision"

     

    worauf sollte dieser stolz bitte basieren?

    darauf, sich noch selbst ernähren zu können, der hartziv-knechtschaft entkommen zu sein? oder die befriedigung männlichen begehrens sich zur lebensaufgabe gemacht zu haben? und sich selbst zum objekt?

     

    "Dabei hat sexuelle Ausbeutung nichts mit Sexarbeit an sich zu tun. "

     

    dann ist ausgerechnet dieses segment auf dem arbeitsmarkt ein menschenfreundlicheres? wo doch im zuge der wirtschaftskrise bald in allen bereichen die (nicht nur monetäre) ausbeutung von arbeitskräften zunimmt? wie verhält sich das bspw. mit der hilfsbereitschaft/dem "altruismus" von arbeitskräften in helferberufen? wird der nicht marktnaturgemäß gnadenlos ausgebeutet? bewegt sich prostitution außerhalb der gesetzmäßigkeiten des kapitalistischen wirtschaftssystems? wohl kaum.

     

    "Ausstieg steht allerdings nicht im Widerspruch zur Selbstbestimmtheit."

     

    bitte? ach nee, wohl eher im gegenteil. reden sie frauen doch bitte nicht ein, das leben einer "richtigen hure", sei vor allem geprägt von selbstbestimmheit. halte ich für fahrlässig und schlicht unwahr. denn: kann frau schneller zu geld kommen? ohne ausbildung, sprachkenntnisse, usw. usf.?

     

    "Man kann nur zwischen den Möglichkeiten wählen, die man hat. Wir versuchen, neue Möglichkeiten zu eröffnen."

     

    sehr gut. was soll dann dieser lobgesang auf "selbstbestimmte sexarbeit". das prostitutionsgesetz ist sicher ein fortschritt, weil es die betroffenen frauen schützt, denen nix anderes übrig bleibt, als sich und evtl. ihre familie mit prostitution über wasser zu halten. aber auf grundlage dieser gesetzgebung ein neues gesellschaftlich anerkanntes berufsbild zu generieren, halte ich für den falschen weg. selbstbestimmt leben, heißt anlagen zu enfalten und fähigkeiten zu entwickeln, sich beruflich zu qualifizieren. soviel sollte man jeder frau zutrauen: sie kann mehr als "fickien, bumsen, blasen", jede. garantiert. amen

     

    p.s. gutgeführtes interview. lässt tief blicken. danke!

  • N
    Normalisierung

    Ich finde das Interview eigentlich nicht heuchlerisch. Prostitution gibt es schon immer und zwar ausnahmslos in jeder Gesellschaft. Sie ist also im wahrsten Dinne des Wortes eine NORMALE DIenstleistung, die wichtige gesellschaftliche Funktionen erfüllt. Je stärker das in einer schizophrenen GEsellschaft tabuisiert, stigmatisiert, kriminalisiert und hysterisiert wird, desto schlimmer sind in der Regel die Arbeitsbedingungen. Je mehr sich das Umfeld abwendet, desto schlimmer die psychosozialen Folgen. Ich hab mal einen Bericht über Prostituierte in Algerien gesehen, DAS war schlimm. Generell ist das ein harter und aufzehrender Job und Ausgrenzung macht es nur schlimmer.

     

    Die allermeisten (!)Prostituierten in Deutschland arbeiten freiwillig, ob Ihnen das passt oder nicht. Sie werden nicht gezwungen und haben auch keinen ökonomischen Zwang, der sie alternativlos in die Prostitution treibt - das stellt die Dame im Interview m.E. nicht ganz korrekt dar. Auch Frauen aus Rumänien könnten durchaus andere Tätigkeiten verrichten. Hier verhungert niemand. Beschaffungsprostitution ist dann wieder etwas anderes, aber auch hier sehe ich keinen alternativlosen Zwang.

     

    Ich finde gut, dass sie sich für Normalisierung und für Akzeptanz einsetzt. Diese Frau kennt alle Probleme in der Szene rauf und runter und hat sicher nicht die INtention, da was zu beschönigen.

    Heuchlerisch finde ich eher die hysterische Reaktion und die ewige Opferverklärung, die diesen MEnschen letztlich das eigene Handeln versagt und sie in eine passive Außenseiterposition drängt.

  • DH
    Dr. Harald Wenk

    Es ist wirklich ein Eigentor der Sexabarbeiterinnen,

    dass sie den ontologisch-biologischen Rückenwind ihres Tuns, das immerhin lebensspended und der Beziehungsklebstoff Nummer 1 ist, gegen das üble Linsengericht der gängigen Bewertung ihrer Tätigkeit eintauschen, die der nachplappernden Weitergeltung der kirchlichen Sexualmoral entspringt.

    Ich erwähnte schon, das in Delphi und noch heute in Indien, die Sexarbeiterinnen heilige Frauen in den Tempeln gewesen sind.

    Die Säkularisierung gelingt in anderen Berufen meist mit weit geringerem Prestigeverlust.

    So ist der Priesternachfolger Psychologe eigentlich recht gut angesehen.

  • D
    derendingen

    Partriarchatische Religionssyssteme, sexuelle Unterdrückung und Inhumanität hängen eng zusammen. Steinigungen wegen Verstoß gegen die Scharia für Ehebruch oder Homosexualität, auch unser christliche Religionssystem im Mittelalter verfolgte sexuelle Liberalität mit Hexenverbrennungen. Sexuelle Verklemmungen haben noch nie zu mehr Humanität geführt und machen den zwischenmenschlichen Umgang nicht liebevoller. Sex sollte eine sensible Kommunikation sein. Opfer sind wir alle, unglückliche Männer und Frauen, weil wir alles nur noch konsumieren, auch unsere Sexualität, und dabei einsam bleiben.

  • TD
    Tyler Durden

    "Sexarbeit ist eine Dienstleistung"

     

    Aber natürlich, das wär ja auch noch schöner wenn Männer Sex plötzlich umsonst haben könnten...

  • K
    Klingelhella

    Wie wär's mit "Sexarbeiter_innen"? Oder zählen männliche Sexdienstleister hier nicht? Es scheint mir, männliche Prostitution ist noch mit einem viel stärkeren Tabu behaftet als weibliche.

  • H
    hto

    "Sexarbeit ist eine Dienstleistung" - das Wort Dienstleistung hat, mit der Globalisierung der "Dienstleistungsgesellschaft" im Tititainment, seine Bedeutung zum mehr am zynischen Dreck der Sklaverei des versteuerten und sonstwie verkommenen Zeitgeistes reformiert.

     

    Für wahrhaft-vernunftbegabte Menschen gibt es daran das Menschen ihren Körper vermarkten nichts zu feiern - es ist nur eine weitere Kapitulation vor dem System des "freiheitlichen Zusammenlebens" wie ein Krebsgeschwür.

  • J
    Julia

    Schöne neue Hurenwelt? Was ein schäbiges und heuchlerisches Interview.