piwik no script img

Mitarbeiterbefragung beim „Spiegel“Dicke Luft in Hamburg

Der „Spiegel“ stellt fest: Es geht ihm schlecht. Der SWR berichtet über den „Innovationsreport“ des Hauses, der sich eher wie eine Abrechnung liest.

Auch mit dem Gebäude sollen die Mitarbeiter des „Spiegel“ unzufrieden sein Foto: dpa

Als die Spiegel-Chefredakteure im vergangenen Dezember vor Medienjournalisten ihre „Agenda 2018“ verkündeten, ahnte man schon, dass es nicht gut steht um das Magazin. Zum ersten Mal in seiner Geschichte muss das „Sturmgeschütz der Demokratie“, wie Augstein es angesichts der Spiegel-Affäre genannt hatte, sparen: 15 Millionen Euro in den kommenden zwei Jahren – und das auch bei den Mitarbeitern. 149 Vollzeitstellen sollen dafür wegfallen, ein Novum für das Haus an der Ericusspitze in Hamburg.

Nun haben der SWR-Fernsehreporter Thomas Leif und sein Kollege Thomas Meyer den „Innovationsreport“ des Hauses öffentlich gemacht: ein 61 Seiten starkes Papier, das auf einer Umfrage basiert, an der sich 60 Prozent der Mitarbeiter beteiligt haben sollen; außerdem ehemalige Spiegel-Redakteure, Unternehmensberater und Branchenkenner.

Das Ergebnis: Die Luft ist dick. Die Redaktion habe einen Teil seines einstigen Nimbus verloren, mache sich durch seine „Überheblichkeit“ unbeliebt, die einstigen Alleinstellungsmerkmale „Exklusivität“ und „Hintergründe“ seien verloren.

Unter der Dachzeile „Wie wir unserer Marke schaden“, stünde, so zitiert es der SWR: „Wir überhöhen unsere Wichtigkeit. Wir können Schwächen nicht eingestehen und erst recht nicht zeigen. Wir überraschen zu wenig. Wir probieren zu wenig wirklich Neues. Wir setzen falsche Prioritäten.“

Kein „Wir-Gefühl“

Auch die Stimmung im Haus ist Thema in dem Papier. Vom „fehlende Wir-Gefühl“ sei da die Rede. Rund 90 Prozent der Befragten bemängelten, dass es in der Spiegel-Gruppe „keine echte Kultur der Zusammenarbeit gibt“, die Kommunikation werde als schlecht bewertet.

Als Grund dafür nennt der Report eine „überkommende Organisationsstruktur“, jede Einheit kämpfe für sich. Dazu gehört auch, dass der Spiegel im „Markenchaos“ versinke. 37 verschiedene Logos dokumentiert das Papier, die alle zur Spiegel-Gruppe gehören: Vom Kinder Spiegel, über den Uni Spiegel, Spiegel TV, das Manager Magazin. Ohne klare Markendefinition sei aber keine Gesamtstrategie möglich.

Und noch etwas stört die Mitarbeiter: Das Gebäude. „Am besten wäre es, aus der heutigen Spiegel-Zentrale auszuziehen“, zitiert der SWR.

„Statt unzähliger Einzelbüros und verwaister Gänge brauchen wir Teamflächen und Räume für interdisziplinäre Projekte.“ Das 13-geschossige Hochhaus in der Hamburger HafenCity ist seit 2012 der Hauptsitz der Spiegel-Gruppe.

Den Verfasser des Reports scheint klar zu sein, wie heikel ihr Papier ist. Schon in der Präambel heißt es, einige Kollegen würden wahrscheinlich versuchen „unsere gesamte Arbeit zu diskreditieren.“ Kritik sei willkommen – nur: „Worüber wir uns allerdings nicht freuen, sind diejenigen, deren Attacken nur das Ziel haben, den Status quo zu konservieren.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • 45 Jahre lang habe ich den Spiegel gelesen. Als Schüler habe ich mir ihn mir vom Taschengeld abgespart. Nun kaufe ich ihn mir nicht mehr und so geht es vielen meiner Altersgenossen. Der gegenwärtige Spiegel erinnert mehr an eine schlecht gemachte Schülerzeitung mit betreutem Denken. Vielleicht sollten die Redakteure häufiger ins Spiegel-Archiv schauen um zu lernen, wie ein gutes Nachrichtenmagazin funktioniert.

    • @Victor Schmidt:

      Ich stimme Ihnen, mit einer Ausnahme, voll und ganz zu.

      Die Ausnahme: ich hatte den SPIEGEL nicht 45 Jahre lang abonniert, sondern nur von 1976 (Einstieg in's Berufsleben) bis 2011.

       

      Aber schon die letzten Jahre war die Lektüre des SPIEGELs bei Weitem nicht mehr das; die Qualität der Beiträge war längst nicht mehr auf dem Niveau der 1980er- und 1990er-Jahre, von einem "Sturmgeschütz der Demokratie" und einem "Anführer" im Bereich der vierten Macht im Staat ganz zu schweigen.

  • Der Spiegel war immer etwas überheblich, aber er war auch durchaus lesenswert. Ich habe das Spiegelkaufen schon vor mehr als 15 Jahren aufgegeben - ohne großen Verlust. Schlechter kann man das glaube ich kaum zusammenfassen.

     

    Das ist einzelnen Journalisten gegenüber, die sehr gute Stories machen, zwar etwas unfair, aber es ist auch ein teurer Spass den Spiegel zu lesen. Außerdem kann ich mich noch gut daran erinnern, wie der Spiegel Gerd Schröder erst unbedingt neoliberal wollte, dann als das nicht positiv für die SPD war, haben sie gegen den gestänkert. Besser wäre es gewesen, bei der Wahrheit zu bleiben. Die 'Meinung' des Spiegel ist oft arrogan, rechts-liberal und obrigkeitsloyal gewesen. Die eigentliche Nachrichtenlage war den Spiegel-Machern oft auch egal. Dafür steht das Magazin in diesen schweren Tagen für den Journalismus noch ziemlich gut dar.

    • @Andreas_2020:

      Bei allem (Ein-)verständnis mit der Beurteilung der Qualität des SPIEGEL (und der Kündigung) wie auch der Anerkennung der Tatsache daß einige Redakteure noch gute Arbeit leisten:

      Der SPIEGEL könnte, zu den Abonnementskündigungen, sagen: leider haben wir kein Zwangsgebührenmodell...

       

      Konsequent wäre auch die Verweigerung der Haushaltsgebühr.

      • @Ulrich Frank:

        Ich zahle die die GEZ gerne, die Privaten senden doch nur Müll für Doofe. Wenn die Werbung aus den Öffentlichen gestrichen würde, würde auch auch gerne mehr zahlen.

      • @Ulrich Frank:

        Rundfunk ohne von der Gemeinschaft finanzierte öffentlich-rechtliche Sender würde nicht einmal Spiegel-Niveau erreichen. Aber manche Leute versuchen immer wieder, ihre Kampagne gegen ARD und ZDF mit den abstrusesten Mitteln unter die Leute zu bringen. Einfach arm....

        • @Philippe Ressing:

          Der staatliche Rundfunk ist eine Propagandamaschinerie der Regierung geworden. Und wir bezahlen das - jeder für sich, man kann sich dem nicht entziehen. Das liegt daran, dass CDU, CSU und SPD identisch sind, dazu noch Grüne und FDP, die sehr nahe an den Volksparteien liegen. Damit ist dieser 'staatliche' Rundfunk für unabhängigen Journalismus mehr oder weniger Tod, auch wenn da mal gute Sachen kommen. Ich meide den staatlichen Rundfunk seit 2006 - wenn ich das heute auch nur anschaue, habe ich Brechreiz, so sehr entspricht das den Ansichten des Bundeskanzleramts. Da müsste ich eigentlich los und den SPIEGEL abonieren - der ist wenigstens unabhängig, jedenfalls formal von der Regierung.