■ Mit steigenden Euro-Zinsen auf Du und Du: Gut oder schlecht?
Berlin (taz/rtr) – Die Zinsen im Euroraum werden steigen, da sind sich alle Beobachter einig. Am Donnerstag tagt das Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB) und wird wohl eine Erhöhung um ein viertel oder ein halbes Prozent beschließen. Denn schon seit Wochen orakeln die Währungshüter unter EZB-Präsident Wim Duisenberg, dass sie Angst vor einer sich abzeichnenden Inflationssteigerung haben.
Ihr Hauptindiz war bisher ein starkes Wachstum der Geldmenge: Die Banken in den elf Euroländern leihen sich immer mehr kurzfristiges Geld bei ihren Zentralbanken, weil ihr Kreditvolumen an Industriekunden ansteigt. Die in Frankfurt ansässige EZB hat in den letzten Wochen immer wieder versucht, das Geld zu verknappen. So hat sie gestern neun Milliarden Euro weniger kurzfristiges Geld ausgegeben, als sie von Banken und Sparkassen wieder einkassiert hat. Insgesamt hat die EZB gestern jedoch so genannte Tender in Höhe von weit über zwei Billionen Euro verliehen, so dass der Effekt dieser Geldmengenverknappung gering ist.
Umfragen unter den Einkaufsmanagern großer Konzerne deuten auf ein beschleunigtes Wachstum hin. So ermittelte die Nachrichtenagentur Reuters, dass sich die Lieferzeiten verlängern, Auftragseingänge und Auslastung steigen – sowohl in Deutschland als auch in der gesamten Euro-Zone. Diese Indikatoren für eine starke Nachfrage nach Produkten deuten auf steigende Preise hin. Deshalb wird die EZB wohl auf Zinserhöhung setzen. Derzeit verleiht die Zentralbank Geld ab 2,5 Prozent.
Deutschen Konjunkturexperten käme eine Zinserhöhung jedoch zu früh. Sie könne den noch schwachen Aufschwung des Wirtschaftswachstums bremsen, bevor er überhaupt erste Auswirkungen auf die Arbeitsplatzlage habe, hieß es in der vergangenen Woche im Herbstgutachten der sechs führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute.
Ähnlich äußerte sich auch der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, der sagte, eine Zinserhöhung könne auch noch dazu führen, dass aufgrund der Zinsdifferenz Kapital aus den USA nach Europa abfließe. Der dann einsetzende starke Kursverlust an den US-Kapitalmärkten würde eine Aufwertung des Euro gegenüber dem Dollar nach sich ziehen. Neben höheren Zinsen hätte man dann auch noch einen Wechselkurs, der sich negativ auf das Wirtschaftswachstum auswirken werde.
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