Mit der Schlamperei auf Du und Du: Von Bock bekam Frist
■ Innenstaatsrat hat 6 Wochen Zeit, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen
Es kommt Bewegung in die Affäre von Bock. Seit letztem Donnerstag liegt dem Staatsrat im Innenressort, Hans-Georg von Bock und Polach, eine detaillierte Liste aus der Staatsanwaltschaft vor. Inhalt: Beschuldigungen, nach denen er in seiner Zeit als Politik-Staatsanwalt Ermittlungsakten gleich bergeweise nur mangelhaft oder gar gänzlich unbearbeitet habe liegen lassen. Wie massiv diese Beschuldigungen sind, das beweist die Frist, die von Bock nun hat, um sich zu äußern: Sechs Wochen darf der Staatsrat nachdenken, üblich sind Fristen zwischen zwei und drei Wochen.
Zur Erinnerung: Als von Bock sein Zimmer in der Staatsanwaltschaft räumte und als Statsrat an die Seite von Innensenator Ralf Borttscheller zog, da lagen diverse Ermittlungsakten im Schreibtisch. Zwei Monate lang hatte der frischgebackene Staatsrat noch seinen Zimmerschlüssel in der Staatsanwaltschaft behalten. Begründung: Es hätten noch „Abschlußarbeiten“ erledigt werden müssen. Nach diesen zwei Monaten schließlich habe der Leiter der Staatsanwaltschaft, Jan Frischmuth angeordnet, das Dienstzimmer seines Stellvertreters von Bock zu räumen.
171 Verfahren wurden in seinem Schreibtisch und Schrank gefunden. Die Staatsanwaltschaft mußte damals schon zerknirscht zugeben, daß mehr als die Hälfte der Verfahren über ein Jahr lang nicht bearbeitet worden waren. Die Rede war von 96 Vorgängen. Von Verfahren wegen der Demonstrationen zum Tag der deutschen Einheit bis hin zu Steuerhinterziehungen durch Abgeordnete der rechtsextremen Deutschen Volksunion (DVU).
„Die Ermittlungen dauern an“, sagte gestern die zuständige Staatsanwältin Kirsten Graalmann-Scheerer. Mittlerweile habe sie fast alle Akten durchgearbeitet. Nun sei im Verfahren ein Stand erreicht, bei dem es sinnvoll sei, von Bock zu den Beschuldigungen zu hören. Deshalb habe von Bocks Anwalt Ende August Akteneinsicht bekommen. „So lange die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft noch nicht beendet sind, so lange werde ich den Vorgang nicht kommentieren“, sagte von Bock gestern der taz.
Offen ist die Frage, ob Schlamperei strafbar ist. Zum Straftatbestand der Strafvereitelung im Amt müßte von Bock eine Absicht nachgewiesen werden. Nach Einschätzung beobachtender JuristInnen könnte das eine Klippe werden, an der die Ermittlungsbehörden scheitern können. Zumal von Bock immer wieder von seiner „Überlastung“ berichtet habe. Allerdings hatte Frischmuth immer angenommen, daß von Bock trotzdem seine Verfahren ordentlich abgearbeitet habe. Das geht aus einer Antwort des Justizressorts auf einen Fragenkatalog der Grünen aus dem letzten Dezember hervor. Es habe „keinen Anlaß zur Kontrolle“ von Bocks gegeben. Andere Staatsanwätle hätten über „Restelisten“ regelmäßig von bislang unbearbeiteten Verfahren berichten müssen – von Bock sei von der Leitung der Staatsanwaltschaft davon befreit worden. Pikant genug, wer damals die anderen Statsanwälte zu kontrollieren hatte: niemand anderes als Hans-Georg von Bock und Polach. J.G.
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