Mit dem Rad zur Klimakonferenz in Baku: Ein Kontinent an Eindrücken
Radreisen fernab der Heimat sind super, um Abstand zur Newshektik zu gewinnen, denkt unser Autor. Aber in Tiflis wird ihn die Politik wieder einholen.
![Die steilen und phalusähnlichen Felsen von Kappadokien in der Landschaft, im Vordergrund der Schattenriss eines Fahrrads auf einem Felsen Die steilen und phalusähnlichen Felsen von Kappadokien in der Landschaft, im Vordergrund der Schattenriss eines Fahrrads auf einem Felsen](https://taz.de/picture/7293734/14/36771860-1.jpeg)
J e weiter ich mich von zu Hause entferne, desto besser gelingt mir das, was ich mir vor dieser Radreise fest vorgenommen habe: einfach mal Abstand zu gewinnen. Abstand vom dauererregten medialen und politischen Diskurs, Abstand vom täglichen News Cycle und dem Druck, alles kommentieren zu müssen. Abstand von der Empörungskultur, deren Mechanismen ich ja selbst auch immer wieder bediene und von der ich in Zukunft kein Teil mehr sein möchte.
Der israelische Historiker und Autor Yuval Noah Harari schreibt in seinem neuen Buch „Nexus“, dass wir Menschen eine Informationsdiät bräuchten, weil wir unser Leben mit Junk News vollstopfen. Wir sind überinformiert und übersättigt von schlechten, minderwertigen Nachrichten, die uns tagtäglich in die Timelines gespült werden und den Eindruck vermitteln, dass alles den Bach runtergeht. Und so war es ein Ziel dieser Reise, unnötigen Informationsballast abzuwerfen und meine Sinne zu schärfen für das Hier und Jetzt, das analoge Leben. Ich will im Augenblick präsent sein, nicht abgelenkt von Plattformen, Geräten und vermeintlich wichtigen Neuigkeiten, die alle nur eines wollen: meine Aufmerksamkeit.
Fahrradreisen sind für diesen Zweck bestens geeignet. Auf dem Sattel gilt die Aufmerksamkeit der Straße, den Landschaften und den Menschen, die mir entlang des Weges begegnen. Es ist ein einfaches, überschaubares und sehr intensives Leben. Wenn ich abends im Zelt liege und den Tag Revue passieren lasse, kann ich manchmal gar nicht glauben, wo ich am Morgen noch gewesen bin, so viel ist in den zwölf Stunden dazwischen geschehen.
Das liegt auch an dem Land, durch das ich seit einem Monat fahre. Die Türkei ist ein Kontinent an Eindrücken: Mal geht es durch grüne Wälder und vertrocknete Steppen, dann durch skurrile Salzseen – oder bizarre Felslandschaften, wie kürzlich in Kappadokien, einer Region im Herzen des Landes, die vor allem für ihre Heißluftballons bekannt ist. Ich klettere am Vorabend auf einen Berg, schlage mein Zelt auf und werde bei Sonnenaufgang Zeuge eines einzigartigen Schauspiels, als rund 150 riesige Ballons um mich herum in den Himmel steigen.
Jetzt rückt das Ende der Reise immer näher. In einem Monat muss ich pünktlich zum Beginn der Weltklimakonferenz in Baku sein. Ich freue mich auf diese Veranstaltung und mache mir zugleich Gedanken über ihre Sinnhaftigkeit. Ende Oktober will ich aber unbedingt in der georgischen Hauptstadt Tiflis die Parlamentswahlen beobachten. Das kleine Land im Kaukasus sucht seine Rolle zwischen Ost und West, zwischen Demokratie und Autokratie und ist dabei so zerrissen wie lange nicht. Es wird also doch wieder politisch.
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