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■ Mit dem Angriff auf den Sudan haben die USA die Chance einer Annäherung zwischen der islamischen Welt und dem Westen zerbombtWas die CIA nicht weiß

„Ein effektiver Counterterrorismus hängt davon ab, wie gut der Geheimdienst ist.“ Als der frühere US-Sonderbotschafter unter Ronald Reagan, L. Paul Bremer, in der Washington Post kürzlich forderte, „schnappt die Amerika- Hasser, tot oder lebendig“, war er offenbar von der Qualität der Arbeit der CIA überzeugt. Knapp eine Woche nach der jüngsten Counterterrorismus-Aktion der USA in Afghanistan und dem Sudan erhärtet sich die Vermutung, daß dem US-Geheimdienst ein Flop unterlaufen ist.

Er paßt gut in die Sammlung bisheriger „Glanzleistungen“ im Nahen Osten. Angefangen von den Fehleinschätzungen im Iran Ende der 70er Jahre, der mißlungenen Geiselbefreiung in Teheran, der Ignoranz in Beirut bis hin zu den mißinterpretierten Vorbereitungen Saddam Husseins für den Überfall auf Kuwait – die CIA hat in dieser Weltgegend schon oft danebengelegen. Die Bombardierung einer pharmazeutischen Fabrik im Sudan kann da eigentlich nicht mehr überraschen. Um so schlimmer, daß die US-Außenministerin Madelaine Albright davon ausgeht, Amerikas Kriege der Zukunft würden just auf dieser Grundlage geführt.

Das Desaster der letzten Woche müßte auch die Hardliner innerhalb der US-Administration davon überzeugen, ihre Haudraufstrategie noch einmal zu überdenken. Im Moment stehen nicht mehr die selbsternannten Glaubenskrieger am Pranger, sondern eine US-Regierung, die die Giftgasproduktion im Sudan nicht beweisen kann. Nur mühsam kann sie vertuschen, wie lückenhaft die geheimdienstliche Indizienkette ist.

Das bringt nicht nur alle Amerika-Hasser gegen sie auf, sondern auch die arabischen Intellektuellen, die als Demokraten und Menschenrechtler für einen rationalen Umgang mit dem Westen eintreten, in eine schwierige Situation. Die Raketen auf die sudanesische Medikamentenabfüllstation ist ein gefundenes Fressen für alle Verschwörungstheoretiker.

Clinton kann noch so häufig betonen, die Angriffe richteten sich nicht gegen den Islam, sondern gegen Terroristen – zumindest der Angriff auf die pharmazeutische Fabrik im Sudan macht ihn in der islamischen Welt unglaubwürdig. Auch Washington müßte einleuchten, daß mit solchen Aktionen keineswegs die Terroristen isoliert werden. Im Gegenteil: So bereitet man neuen Anschlägen den Boden.

Die Alternative zur militärischen Eskalation heißt nicht Stillhalten und Zuschauen, wie US- Einrichtungen, US-Bürger und andere Zivilisten angegriffen und getötet werden. Die Alternative sollte in allererster Linie Politik und – in einem bestimmten Umfang – bessere Geheimdienstarbeit sein. Der eigentliche Skandal der US-Politik seit dem Golfkrieg ist nicht, was, sondern was nicht getan wurde. Während die Bush-Regierung nach dem Golfkrieg zumindest noch die Friedenskonferenz in Madrid auf die Beine stellte, in deren Schatten dann das Oslo-Abkommen angebahnt wurde, hat die Clinton-Regierung im Nahen Osten nichts mehr bewegt.

Das Regime im Irak ist stabil, nur die Bevölkerung leidet unter den Sanktionen. Der Friedensprozeß zwischen Israel und den Palästinensern ist praktisch abgebrochen und wird auch nicht dadurch wieder in Gang gebracht, daß Clinton ab und zu mal einen Beobachter vorbeischickt. So ist Netanjahu nicht zu beeindrucken. Aber das hat Clinton bislang nicht dazu bewegt, eine echte Initiative zu ergreifen. Mit der Wahl Chatamis im Iran war den USA eine Chance in den Schoß gefallen, das Verhältnis des Westens zur islamischen Welt wieder zu verbessern – diese Chance ist nun wohl vorerst zerbombt worden.

Dabei hätte gerade in der Haltung gegenüber Afghanistan eine Möglichkeit bestanden, auf der Basis gemeinsamer Interessen eine politische Annäherung zu testen. Die Mullahs in Teheran lieben die Taliban sowenig, wie die US-Regierung dies tut. Gemeinsam hätte die politische Möglichkeit bestanden, die Taliban so unter Druck zu setzen, daß sie ihre Protektion für Ussama Bin Laden zurückziehen. Politischer Druck hatte ja auch zwei Jahre zuvor das Regime im Sudan bewogen, Bin Laden aus dem Land zu weisen. Auch die Taliban werden eher früher als später ihre Isolation durchbrechen wollen und dann auch bereit sein, dafür einen Preis zu bezahlen.

Das alles war der CIA aber offenbar wieder einmal entgangen. Dafür hatte sie angeblich die Koordinaten des Superterroristen, um die Raketen ins Ziel zu schicken. Alles Drumherumreden der Verfechter militärischer Lösungen kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich Ussama Bin Laden der technischen Perfektion des Angriffs zum Trotz offenbar bester Gesundheit erfreut und lediglich der Ruf der USA in dieser Weltgegend erneut beschädigt wurde.

Der Nahe Osten braucht keine militärischen Provokationen, sondern eine neue Hoffnung. Seit Nassers Weg zum arabischen Sozialismus gescheitert ist, scheint es als Alternative nur noch die selbstverschuldete Unmündigkeit des politischen Islam zu geben. Man kann die Menschen in diese Regression weiter hineinbomben oder sie dabei unterstützen, aus der Sackgasse herauszukommen. Gegen Terrorismus helfen Demokratie, wirtschaftliche Entwicklung und kultureller Austausch.

Potentiell gibt es zwei Orte, an denen sich im Nahen Osten eine neue Dynamik entfalten kann. Das ist einmal Jerusalem, zum anderen Teheran. Ein israelischer Staat, der politisch und ökonomisch seinen Platz in der Region gefunden hat, wäre ein Wachstumsmotor, der viel verändern könnte. Teheran dagegen könnte ein Beispiel dafür werden, daß auch eine islamische Gesellschaft durchaus demokratisch sein kann.

Beide Optionen könnten die USA, könnte der Westen insgesamt zwar nicht umsetzen, aber doch stärker unterstützen. Voraussetzung wäre eine gemeinsame, abgestimmte Nahostpolitik, die diesen Zielen dient und sich auch nicht scheut, gegebenenfalls israelischen Hardlinern klarzumachen, daß Solidarität keine Einbahnstraße ist.

Clinton hat sich, aus welchen Motiven auch immer, im Moment für genau die gegenteilige Entwicklung entschieden. Die Supermacht USA sucht keine breite internationale Einbettung mehr – schon gar nicht über die UNO –, sondern trifft ihre außenpolitischen Entscheidungen im Alleingang. Daß sie sich dadurch erst recht zur Zielscheibe aller selbsternannten Gotteskrieger machen, wird entweder übersehen oder billigend in Kauf genommen. Jürgen Gottschlich

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