: Mit Volldampf hin zum Staatsvertrag
■ Bonn will Expertengespräche zum Wochenende abschließen / Am 18.Mai soll das Bundeskabinett zustimmen / DDR-Regierung sieht nach wie vor Verhandlungsspielraum bei der Rentenfrage / Eine weitestgehende Eigenständigkeit des Haushaltes werde angestrebt
Bonn/Berlin (taz/dpa/ap) - Schon Ende der Woche - so hofft die Bundesregierung - werden die Expertengespräche zum Staatsvertrag mit der DDR erfolgreich beendet sein. Der Staatsvertrag hatte gestern im Mittelpunkt der über vierstündigen Gespräche der Koalitionsparteien CDU/CSU und FDP im Kanzleramt gestanden. Auch wenn in einer „ganzen Reihe von Fragen“ noch intensiv verhandelt werden müsse, sei abzusehen, daß die Erörterungen mit der DDR-Regierung sich „dem Ende zu nähern beginnen“, sagte Regierungssprecher Klein. Einzelheiten über strittige Punkte wollte er nicht mitteilen, doch ist bekannt, daß dazu die Eigentumsfrage und die Frage der künftigen DDR-Renten gehören. Eine in der DDR diskutierte Mindestrente werde die Bundesregierung nicht akzeptieren, erklärte der CDU/CSU-Fraktionsgeschäftsführer Bohl.
Regierungssprecher Klein geht davon aus, daß die Verhandlungen in der nächsten Woche auf Ministerebene fortgesetzt werden können. Der Fahrplan sieht dann eine Kabinettsabstimmung am 18. Mai vor, bevor am 23. Mai der Vertragsentwurf in den Bundestag eingebracht wird. Verabschiedet werden soll der Vertrag im Bundestag am 21. Juni; einen Tag später soll der Bundesrat zustimmen, bevor der Vertrag am 1. Juli in Kraft tritt.
In der Eigentumsfrage hat Wirtschaftsminister Haussmann (FDP) noch einmal bekräftigt, daß mit Einführung der Währungsunion die Wirtschaft volles Verfügungsrecht über Grund und Boden erhalten müsse. Industrie- und Gewerbegebiete sollten sofort privatisiert werden. Im Wohnungsbereich kann sich Haussmann allerdings auch andere Regelungen vorstellen. Die Bundesregierung plane umfangreiche Überbrückungsmaßnahmen für DDR-Betriebe. So solle es eine auf drei Jahre befristete degressive Investititionszulage für Ausrüstungen und zinsverbilligte Investitionskredite geben.
Während aus Bonner Sicht alles klar zu sein scheint, wollen die Vertreter der DDR-CDU auf eine Verbesserung der Rentenregelungen dringen. Diese Einschätzung gewann die SPD -Fraktion nach einem mehrstündigen Gespräch mit Ministerpräsident Lothar de Maiziere am Dienstag abend in Berlin. In einer Erklärung des Landesvorstandes der DDR-SPD hieß es gestern: „Unsere Position ist, die Renten wegen des Subventionsabbaus spürbar anzuheben. Das scheint inzwischen in der Koalition konsensfähig.“
Vor Journalisten zeigte sich der stellvertretende SPD -Vorsitzende Karl-August Kamilli zufrieden über die Zusage de Maizieres, bei den Verhandlungen mit Bonn weiterhin als Grundlage für die DDR-Position den gemeinsamen Koalitionsvertrag anzusehen.
Auch die DDR-Regierung sieht noch Spielraum bei den Verhandlungen über den Staatsvertrag. Wie Regierungssprecher Gehler gestern nach der Kabinettssitzung sagte, seien drei Dinge noch offen: der Sozialbereich, die Behandlung der Schulden der Betriebe und die Souveränität des DDR -Haushalts.
Ministerpräsident Lothar de Maiziere (CDU) lehnte in der Kabinettssitzung laut Gehler erneut die Forderungen der Gewerkschaften nach einer 50prozentigen Lohnerhöhung und der Einführung der 38-Stunden-Woche ab. Diese Forderungen seien völlig von der Realität abgehoben. Tagesthema Seiten 2 und 3
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen