■ Mit Pleiten auf du und du: Zahlungsmoral sinkt
Berlin (taz) – Schulden? Sind doch nicht mein Problem, sondern das des Gläubigers! So denken in Deutschland immer mehr Kunden, Geschäftspartner und Verwaltungen, die Rechnungen grundsätzlich nicht sofort bezahlen, sondern sich selbst erst mal einen zinslosen Kredit gewähren. Nach der Herbstumfrage der Inkasso- Unternehmen hat sich das Zahlungsverhalten privater und gewerblicher Schuldner trotz des leichten Konjunkturaufschwungs verschlechtert, so teilten der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen und der Bund Deutscher Rechtspfleger gestern in Berlin mit.
Krisenbranche Nummer eins bleibe das Baugewerbe. Auch das Gastgewerbe, Handwerk und der Einzelhandel hielten es mit Zahlungen nicht so genau, sagte Verbandspräsident Ulf Giebel. Die öffentliche Hand werde inzwischen von jedem zehnten Inkasso-Unternehmen als Problemfall bezeichnet. Bei privaten Schuldnern hätten 45 Prozent der Inkasso-Unternehmen in Ostdeutschland eine laxere Zahlungsmoral festgestellt, im Westen teilten 25 Prozent diese Einschätzung.
Die Zahl der Firmenpleiten wird in diesem Jahr nach Angaben der Inkasso-Unternehmen mit 29.000 einen Negativrekord erreichen. Wie im Vorjahr gingen damit etwa 550.000 Stellen verloren.
Inzwischen seien rund 2,6 Millionen Privathaushalte überschuldet. Nach den Zahlen der Inkasso-Wirtschaft stehen die Deutschen mit 440 Milliarden Mark allein für Konsumkredite in der Kreide. Den Wert der Immobilienkredite wird auf insgesamt 1,5 Billionen Mark geschätzt.
Angesichts der wachsenden Schuldenkrise fordern beide Verbände ein „Bündnis gegen Überschuldung“. Politik, Justiz und Verbände seien gemeinsam gefordert, Wege aus der Schuldenfalle zu weisen. Zwar ermögliche die von Januar an geltende neue Insolvenzordnung eine Restschuldbefreiung für Verbraucher. Doch in der Praxis bestünden noch erhebliche Hürden. Daher sollten mehr außergerichtliche Einigungen angestrebt werden.
Von Januar 1999 an gilt das neue Insolvenzrecht. Wenn zahlungsunfähige Privatschuldner über einen Zeitraum von fünf, beziehungsweise sieben Jahren ihr pfändbares Einkommen abführen, werden ihnen danach die Restschulden erlassen. In der Praxis führt das jetzt schon dazu, daß Gläubiger bei Vergleichen sehr viel entgegenkommender sind, da sie ja wissen, daß sie im Insolvenzfall auch nur eine begrenzte Summe zu erwarten hätten. BD
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen