■ Mit Pipelines auf du und du: Der Weg zum Kunden
Berlin (taz) – Eine Schlüsselrolle für die Verwertung des kaspischen Öls spielt die Pipelinefrage. Wie kommt das Öl vom Kaspischen Meer an einen Hafen, der einen freien Zugang zu den Weltmeeren garantiert? In Sowjetzeiten wurde das Öl aus Aserbaidschan nach Rußland gepumpt und dort in Raffinerien verarbeitet. Auch heute geht die zur Zeit einzig intakte, wiederhergestellte Pipeline von Baku aus nach Norden, über den russischen Föderationsstaat Dagestan, durch das bis vor kurzem umkämpfte tschetschenische Grosny zum Schwarzmeerhafen nach Noworossiisk.
Vor wenigen Wochen einigte sich Moskau mit den Tschetschenen über deren Anteil an den Transitgebühren. Trotzdem planen die Russen eine Trasse, die Tschetschenien umgehen soll. Das Problem ist aber am Scharzen Meer nicht beendet. Die Türkei will aus ökologischen Gründen, aber auch um eine neue Pipelinetrasse unter ihrer Kontrolle zu unterstützen, die Tankerdurchfahrt durch den Bosporus verbieten.
Als Alternative bieten die Russen an, das Öl über Bulgarien und eine neu zu bauende Pipeline durch Griechenland ans Mittelmeer zu bringen. Tatsächlich wollen Aserbaidschan und die westlichen Ölmultis aber unbedingt einen von den Russen unabhängigen Transportweg zur türkischen Mittelmeerküste. Beschlossen ist eine Leitung von Baku über Georgiens Hauptstadt Tblissi nach Supsa. Von dort soll das Öl zur türkischen Schwarzmeerküste in der Nähe Samsuns und dann per neuer Pipeline ans Mittelmeer.
Kürzer wäre eine Trasse über Armenien durch die Osttürkei nach Ceyhan. Dazu müßte aber erst eine Lösung im Krieg um Nagorny Karabach gefunden werden und auch die Türkei den Kurden wenigstens soweit entgegenkommen, daß diese nicht ständig die Pipeline in die Luft sprengen. Weil aber alle Beteiligten an der Pipeline verdienen würden, könnte das Öl tatsächlich ein Anreiz zur Lösung der politischen Probleme sein.
Der kürzeste Weg wäre durch den Iran an den Persischen Golf. Da sind aber die USA vor. Iran soll in jedem Fall herausgehalten werden. Vor allem das kasachische und turkmenische Öl und Gas werden aber auch Richtung Osten transportiert werden. Kasachstan will mit China ins Geschäft kommen, und der Krieg in Afghanistan wird nicht zuletzt darum geführt, welche Fraktion bereit und in der Lage wäre, den Bau einer Gas- und Öltrasse aus Zentralasien an den Indischen Ozean zu gewährleisten. Noch setzen die USA auf die Taliban und unterstützen damit eine Truppe, die sie andernorts als islamische Fundamentalisten wieder heftig bekämpfen würden. Jürgen Gottschlich
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